Copyright by Brigitta Helbig-Mischewski - Helbig-mischewski.de
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<strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong>: Ein Mantel aus Sternenstaub, Nor<strong>de</strong>rstedt 2005<br />
Das Messer <strong>de</strong>s Chirurgen sei, so die Metaphorik <strong>de</strong>s Gedichts, nichts im Vergleich<br />
mit <strong>de</strong>m Lei<strong>de</strong>n, ‚befleckt’ wor<strong>de</strong>n zu sein. Die Erinnerungen, die hier aufgerufen<br />
wer<strong>de</strong>n, sind extrem schmerzhaft und ‚blutig’. Sie korrespondieren mit <strong>de</strong>m Motiv <strong>de</strong>r<br />
offenen Wun<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>r Lyrik Komornickas vor 1907. Kralkowska-Gątkowska (2002)<br />
vermutet auch in diesen Bil<strong>de</strong>rn eine Reminiszenz an eine weitere traumatische<br />
Erfahrung <strong>de</strong>r realen Komornicka – eine Abtreibung. Dafür spricht ihrer Ansicht nach<br />
auch das obsessive Motiv <strong>de</strong>s Embryos in <strong>de</strong>r gesamten „Xięga“, welches in einem<br />
an<strong>de</strong>ren Zusammenhang bereits 1904 in Komornickas aphoristischer Prosa „Z księgi<br />
mądrości tymczasowej“ auftauchte. 101 (4) Czartołania wur<strong>de</strong> zur ‚Hure’. 102 Ihre<br />
engelhafte Seite konnte sie <strong>de</strong>nnoch nicht ganz unterdrücken, <strong>de</strong>r ‚innere Engel’<br />
mel<strong>de</strong>t sich manchmal zu Wort. 103 Dies passierte z.B. bei ihrer ersten Begegnung mit<br />
Seni, <strong>de</strong>r das unstillbare Verlangen nach <strong>de</strong>m Guten, nach einer geistigen Katharsis<br />
(przebóstwienie) in ihrer Seele wie<strong>de</strong>r aufleben ließ.<br />
Seni wird, wie Komornickas Gucio, in <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>s Karnevals schwer krank und stirbt.<br />
In einem spektakulären Akt folgt ihm Czartołania in <strong>de</strong>n Tod – sie wirft sich in sein<br />
offenes Grab. Damit scheint sie ihre Schuld getilgt zu haben bzw. <strong>de</strong>r<br />
Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit ihrer Schuld ausgewichen zu sein. Es ist eine Korrektur im<br />
Verhältnis zur Biographie Komornickas. Mit ihrem Tod erringt Czartołania Wür<strong>de</strong><br />
und Achtung seitens <strong>de</strong>r patriarchalischen Gesellschaft („Meine Herren! Für diesen<br />
Tod... / Bitte ich um SCHWEIGEN ihr zu Ehren!“, 329) 104 – etwas, was Piotr Włast<br />
mit <strong>de</strong>m symbolischen Mord an seinem Geschlecht nicht erreichte.<br />
101 Ihre Kritik an <strong>de</strong>r bürgerlichen Familie been<strong>de</strong>t Komornicka hier mit folgen<strong>de</strong>n Worten: „‚Die Alten’<br />
– zerschmetterte Despoten. – Die ‚Jungen’ – zügellose, frei gelassene Sklaven. – ‚Die Jüngsten’...<br />
abgetriebene Embryos! (...) Abgetriebene Embryos, die von verwaisten, erniedrigten Königinnen <strong>de</strong>s<br />
häuslichen Feuers beweint wer<strong>de</strong>n, (...) von Madonnen-Verwalterinnen!“ (Komornicka 1996, 262,<br />
Erstveröffentlichung in: „Chimera“ 1904, B. 7).<br />
102 Zitat: „Später als triumphieren<strong>de</strong>, gefährliche Courtisane, / Fing ich die Welt ins Netz.“ (325)<br />
103 Zitat: „Die unerbittliche Erinnerung brach in mir in engelsgleiche Tränen aus.“ (325)<br />
104 Polnisch: „Panowie! Za ten zgon… / Proszę o MILCZENIE dla niej!“<br />
<strong>Copyright</strong> <strong>by</strong> <strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong><br />
<strong>Copyright</strong> <strong>by</strong> <strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong> 2005 / www.helbig-<strong>mischewski</strong>.eu