Copyright by Brigitta Helbig-Mischewski - Helbig-mischewski.de
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<strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong>: Ein Mantel aus Sternenstaub, Nor<strong>de</strong>rstedt 2005<br />
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metonymische Autoprojektion <strong>de</strong>s Jungen darstellen, die <strong>de</strong>r Hervorhebung seiner<br />
eigenen, auch an an<strong>de</strong>ren Textstellen inszenierten Kindlichkeit und Unreife dient. Ich<br />
tendiere eher zu <strong>de</strong>r ersten Interpretationsvariante, da <strong>de</strong>m Baummotiv in <strong>de</strong>r<br />
gesamten „Xięga“, wie ich im Folgen<strong>de</strong>n am Beispiel <strong>de</strong>s Gedichtes „Pierwsze<br />
dzieciństwo“ zeigen wer<strong>de</strong>, eine ganz beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung zukommt. Bäume sind in<br />
Własts Vorstellungswelt mit <strong>de</strong>n Sternen unmittelbar verbun<strong>de</strong>n und wecken das<br />
Verlangen, auf ihre Gipfel zu steigen, um sich von einer magischen Kraft zum<br />
Himmel tragen zu lassen. Stellt man das Bild <strong>de</strong>r schaukeln<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>r in diesen<br />
Kontext, so lässt sich <strong>de</strong>r Refrain als eine Chiffre <strong>de</strong>r spirituellen Sehnsucht lesen.<br />
Nicht alle Gedichte entwerfen jedoch solch ein ungebrochenes Bild vom Vater. Von<br />
schwer fassbarer Ambivalenz ist z.B. das Gedicht „Żale parcelanta“ (Klagen eines<br />
Grundbesitzers, 14-16) gekennzeichnet. Das lyrische Ich spricht hier von seiner<br />
Nostalgie, seiner Sehnsucht nach <strong>de</strong>m verlorenen Paradies <strong>de</strong>r Kindheit. Zum<br />
Inbegriff dieses mythologisierten, mit Rückgriff auf romantische Ästhetik<br />
imaginierten Paradieses wer<strong>de</strong>n alte Wäl<strong>de</strong>r, die <strong>de</strong>r Sohn sich als Erbe vom Vater<br />
erhofft, jedoch nicht erhalten hat, die gero<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n und nun „frem<strong>de</strong>n Leuten“<br />
gehören: „Ach, meine Wäl<strong>de</strong>r, meine heimatlichen Wäl<strong>de</strong>r, / Die gero<strong>de</strong>t, als ich<br />
krank umherirrte / Unter <strong>de</strong>m Zeichen dunkler, stürmischer Zeiten.“ 62<br />
(14) Das<br />
Gedicht wird zum Trauergesang über diesen Verlust. Nun kann <strong>de</strong>r Sohn aus <strong>de</strong>r<br />
geistigen Energie <strong>de</strong>r Ahnen, von <strong>de</strong>r die Wäl<strong>de</strong>r erfüllt waren, nicht mehr schöpfen.<br />
Insofern fühlt er sich vom Vater um etwas Wichtiges betrogen und kann seine Wut<br />
darüber nicht verbergen. Der Vater – „Pflüger, Sänger und Jäger“ <strong>de</strong>r Wäl<strong>de</strong>r – wird<br />
als Freund und Feind mo<strong>de</strong>lliert, als <strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>r die Seele <strong>de</strong>s Sohnes zwar<br />
hervorbrachte, ihn zur Arbeit an sich selbst und seiner männlichen Autonomie<br />
anspornte, zugleich aber Wi<strong>de</strong>rstand leistete:<br />
62 Polnisch: „O, moje bory, rodzinne bory, / Wycięte, gdy się tułałem chory / Pod znakiem ciemnej,<br />
burzliwej pory.“<br />
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<strong>Copyright</strong> <strong>by</strong> <strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong> 2005 / www.helbig-<strong>mischewski</strong>.eu