Copyright by Brigitta Helbig-Mischewski - Helbig-mischewski.de
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<strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong>: Ein Mantel aus Sternenstaub, Nor<strong>de</strong>rstedt 2005<br />
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mehr als er preisgibt. Bislang konnten ihm die Interpretieren<strong>de</strong>n 39 nicht viele<br />
biographische Allusionen ‚entreißen’. Das Sonett besteht aus einer ursächlich<br />
scheinbar unverknüpften, ironisch-distanzierten Aneinan<strong>de</strong>rreihung von<br />
Erinnerungsbruchstücken. Chiffriert scheint es von einer schmerzhaften Enttäuschung<br />
zu erzählen. Ihr Ausmaß wird durch <strong>de</strong>n unvermittelten, für die „Xięga“-Poetik jedoch<br />
charakteristischen Einbruch eines Vulgarismus (małej dostałem cholery) unterstrichen.<br />
Dramatische bzw. düstere Motive wie Schlachthaus und Friedhof bil<strong>de</strong>n die Kulisse<br />
einer großen Verärgerung <strong>de</strong>s lyrischen Ich. Es könnte sich um vergebliches Warten<br />
han<strong>de</strong>ln, <strong>de</strong>nn das lyrische Ich bekommt seinen Wutanfall beim „hel<strong>de</strong>nhaften<br />
Frieren“ (bohatersko drżąc z zimna). Vor <strong>de</strong>m Hintergrund einer feierlichen Para<strong>de</strong><br />
auf <strong>de</strong>r Straße, die genauso ironisch wie die kunstvolle Sonettform wirkt, erscheint ein<br />
Mediziner – eine Reminiszenz an <strong>de</strong>n realen Arzt, <strong>de</strong>r zu Maria gerufen wur<strong>de</strong>? Eine<br />
son<strong>de</strong>rbare Verflechtung erfahren die Motive ‚Kirche’ und ‚Teufelswerk’. Die<br />
Handwerker, die das lyrische Ich bei einer Kirchenrenovierung beobachtet, wer<strong>de</strong>n<br />
mit Jongleuren (Betrügern) und Teufeln 40 in Zusammenhang gebracht. Es sind fünf<br />
Arbeiter – die Zahl <strong>de</strong>r Geschwister Komornickas. Diese ‚Teufel’ sind in <strong>de</strong>r Lage, so<br />
eine Nebenbemerkung <strong>de</strong>s lyrischen Ich, „im Nu“ (w mig) ein Haus zu bauen. Das<br />
Kirchenmotiv kann für das Mäntelchen edler Motive stehen, mit <strong>de</strong>m die Betrüger ihr<br />
Teufelswerk verschleiern. Das Haus lässt sich als argumentatives Gebäu<strong>de</strong><br />
interpretieren, in welches das lyrische Ich von <strong>de</strong>n ‚Teufeln’ eingesperrt wer<strong>de</strong>n soll.<br />
Wie Filipiak (2000) postuliert, ist es <strong>de</strong>nkbar, dass Komornicka in Poznań erfährt, sich<br />
auf <strong>de</strong>m Weg in eine Irrenanstalt, und nicht in ein Sanatorium zu befin<strong>de</strong>n. Doch auch<br />
wenn es ‚nur’ um Miriam gehen sollte: Komornicka fühlt sich von <strong>de</strong>n ihr am<br />
nächsten stehen<strong>de</strong>n Menschen betrogen und verraten, befin<strong>de</strong>t sich in einer Sackgasse.<br />
Eine Flucht in <strong>de</strong>n Wahn erscheint ihr möglicherweise erträglicher als die Realität. In<br />
39 Filipiak (2000), Sosnowski (1993).<br />
40 Sie wer<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r faustischen Teufelsfigur aus Mickiewiczs „Pani Twardowska“ explizit in<br />
Verbindung gebracht.<br />
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<strong>Copyright</strong> <strong>by</strong> <strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong> 2005 / www.helbig-<strong>mischewski</strong>.eu