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278 Brigitta Helbig-Mischewski: Ein Mantel aus Sternenstaub, Norderstedt 2005 Subjektentwürfe nach dem romantischen Muster kreieren, wie wir sie von Frauen in der polnischen Literatur des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts sonst nicht kennen. Dazu gehört u.a. „Bunt anioła“ (Die Rebellion des Engels, 147). 37 Der Engel, das lyrische Ich, gibt sich (nicht nur) auf der grammatischen Ebene als männlich zu erkennen. Auch hier, wie schon in „Biesy“, ist sein schrecklicher Lebenshunger das Movens des Geschehens. Dieser Lebenshunger, die Sehnsucht nach einem Leben in Hülle und Fülle, mutiert in „Bunt anioła“ zum Begehren von Glück, Ruhm und Macht: „Ich werde meinen furchtbaren Hunger mit der bislang verachteten Kost stillen (...).“ 38 (150) Der zutiefst enttäuschte und daher rebellierende Engel verkündet pathetisch seinen Bruch mit seinem bisherigen, von Leid und Masochismus geprägten Leben und seinen Sturz in eine dämonische Seinsweise: „[Die Welt] wird in seinem Herrn den Teufel erblicken – und den Erzengel in ihm verlieren!“ (150) / „Und selbst die Tauben werden den zischenden Hohn des Satans in mir hören.“ 39 (151) Sein ehemals heiliges, auf Gott gerichtetes Begehren pervertiert zu Herrschsucht, Eroberungs- und Rachegelüsten, aber auch zum Verlangen nach dionysischem Rausch, Wahn und Vergessen. Dieses gebieterische Subjekt entwirft Visionen der Inbesitznahme der Welt. Die Menschen sollen sich in „Medien seines schrecklichen Willens“ verwandeln und seinen Befehlen folgen. (148) Es erlebt ekstatische Zustände des Machtrausches: „Die Welt gehört mir! Gehört mir! In mir tobt die Begierde des Eroberers!“ 40 (150), verwirft brutal Symbole eines christlichen Lebenswandels, kreiert sich zum König und Henker: „Genug des Martyriums! Genug der Kreuze, auf die ich jeden Tag geschlagen werde. / Ich trete die Dornenkronen nieder, die das Blut des lebendigen Geistes saugen!“ 41 (150) Dabei handelt es sich um einen Racheakt gegenüber der Welt. Lange 37 „Życie“ 1897, Nr. 7. 38 Polnisch: „Ja głód swój straszny nakarmię gardzoną aż dotąd strawą (…).“ 39 Polnisch: „[Świat] demona ujrzy w swym panu – straciwszy w nim archanioła!“ / „I głusi usłyszą chichot szatanów syczących we mnie!“ 40 Polnisch: „Świat do mnie! do mnie należy! Zdobywcy żądzę mam w sobie!“ 41 Polnisch: „Męczeństwa dość! i tych krzyżów, na których zawisa co dnia. / Depcę korony cierniowe, pijące żywą krew mózgu!“ Copyright by Brigitta Helbig-Mischewski Copyright by Brigitta Helbig-Mischewski 2005 / www.helbig-mischewski.eu
Brigitta Helbig-Mischewski: Ein Mantel aus Sternenstaub, Norderstedt 2005 279 genug hat der Engel, wie er es in seiner grandiosen Rede voller verschachtelter metaphorischer Konstruktionen verkündet, schweigend die Demütigungen und Schmähungen seitens der Welt ertragen und seinen Groll unterdrückt. Nun ist die Zeit der Verwandlung gekommen, der Engel wechselt seine Gewänder, er zieht neue Kleider an: Denn ich schwieg... schwieg... klaglos... immerzu... als sie mich bewarfen Mit Steinen, Gelächter... als sie mich hinabstießen in die grässliche Dunkelheit der Erniedrigung. Denn ich schwieg... schwieg... als ich unermüdlich alle Gifte der Hölle sammelte Für den großen Tag der Offenbarung – den Tag der Rache! Des Triumphes! Des Gelächters! Denn ich schwieg... das Meer schweigender Tränen ist durch die Augen ins Herz gesickert – Und ich lebte einsam, erbärmlich, im Mantel der Armut – in der Pracht der Verachtung, Heute – werfe ich sie von mir, des verarmten Bettler-Geistes Lumpenhülle! Tausche leuchtend helle Engelsflügel gegen Fackeln der Vernichtung aus! (151) 42 Das Motiv der Bestätigung des Aufbruchs zu einem neuen Leben durch ein äußeres Zeichen, insbesondere durch einen Kleiderwechsel (z.B. das Überziehen eines neuen Mantels) ist für Komornicka sehr bezeichnend. Darauf komme ich bei der Analyse des Gedichtes „Na rozdrożu“ noch zu sprechen. Der Gesinnungswechsel des Engels von Demut zum heftigen Zorn führt zwar zur Ekstase, nicht jedoch zu einem glücklichen Ausgang des Gedichtes. Auf dem Höhepunkt der orgiastischen Rache- und Unterwerfungsvisionen des Engels kommt es zu einem semantischen Bruch: Es ist von einem Gift die Rede, mit dem der rasende Engel sowohl seinem eigenen Herzen als auch der Menschheit einen Todesstoß versetzt. Wofür die Gift-Metapher steht, kann allerdings kaum dechiffriert werden. Es könnte sich hier um eine Andeutung der Melancholie handeln: Trotz des ‚besseren 42 Polnisch: „Bom milczał... milczał... bez jęku... przez wieki... gdy mi rzucali / Kamienie, śmiech... gdy strącali w poniżeń ohydne ciemnie. / Bom milczał… milczał… przez wieki skupiałem wszechjadów piekło / Na wielki dzień Objawienia – dzień zemsty! Tryumfu! Śmiechu! / Bom milczał... morze milczących łez z oczu w serce przeciekło – / I żyłem samotny, nędzny, w nędz płaszczu – wzgardy przepychu, / Dziś – zrzucam z siebie łachmanną Ducha-Nędzarza powłokę! / Świetliste skrzydła aniołów – w zniszczenia zmieniam pochodnie!“ Copyright by Brigitta Helbig-Mischewski Copyright by Brigitta Helbig-Mischewski 2005 / www.helbig-mischewski.eu
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