Copyright by Brigitta Helbig-Mischewski - Helbig-mischewski.de
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<strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong>: Ein Mantel aus Sternenstaub, Nor<strong>de</strong>rstedt 2005<br />
301<br />
immer wie<strong>de</strong>r, vor allem in Bezug auf Sexualität aktualisierten Schuldkomplex und<br />
<strong>de</strong>m Bedürfnis nach Tilgung <strong>de</strong>r Schuld. Der Drang zur Selbstvernichtung ist von<br />
gewaltigen Erneuerungsphantasien begleitet. Vor diesem Hintergrund scheint sowohl<br />
<strong>de</strong>r in einigen lyrischen Texten auf grammatischer und semantischer Ebene als auch<br />
<strong>de</strong>r im realen Leben Komornickas auf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>r Namens- und Kleidungssemiotik<br />
vollzogene Geschlechtswechsel hauptsächlich <strong>de</strong>r vollständigeren Erneuerung <strong>de</strong>s<br />
Subjekts zu dienen. Denn nach <strong>de</strong>m ca. seit <strong>de</strong>m 18. Jahrhun<strong>de</strong>rt gängigen binären<br />
Geschlechtermo<strong>de</strong>ll ist ein Mensch notwendig ein geschlechtlich <strong>de</strong>finierter, und die<br />
Geschlechter sind grundverschie<strong>de</strong>n. 112 „Es gibt“, so Gabriele Lehnert (1997, 93)<br />
„nicht <strong>de</strong>n Menschen, son<strong>de</strong>rn nur Männer o<strong>de</strong>r Frauen“. In diesem auch heute<br />
verpflichten<strong>de</strong>n Mo<strong>de</strong>ll bil<strong>de</strong>t die Geschlechtsi<strong>de</strong>ntität, so Lehnert weiter, „<strong>de</strong>n Kern<br />
aller I<strong>de</strong>ntität“. Im Kontext dieser Auffassung wird verständlich, warum das nach<br />
vollständiger Selbstauslöschung und Wie<strong>de</strong>rgeburt dürsten<strong>de</strong> Subjekt von<br />
„Pragnienie“ auch das Geschlecht, das es als etwas Wesenhaftes versteht, wechseln<br />
und es durch Zeichen, durch ein neues Gewand, sichtbar machen will.<br />
112 Vor <strong>de</strong>m 18. Jahrhun<strong>de</strong>rt galten Frauen als <strong>de</strong>fizitäre Männer, das Weibliche als die schlechtere<br />
Variante <strong>de</strong>s Männlichen (vgl. Laqueur 1992). Dazu Lehnert (1997, 65): „Denn die Medizin <strong>de</strong>r<br />
Renaissance, die sich auf die Antike berief, war <strong>de</strong>r Auffassung, Männer und Frauen hätten grundsätzlich<br />
die gleichen Geschlechtsorgane, nur lägen sie beim Manne außen, bei <strong>de</strong>r Frau innen. (…) Der Penis und<br />
das Skrotum waren bei ihr [<strong>de</strong>r Frau] einfach unterentwickelt – als Gebärmutter – im Körper geblieben.<br />
(…) In rein biologischer Hinsicht gab es also in <strong>de</strong>r Auffassung <strong>de</strong>r Zeit nur ein einziges Geschlecht, das<br />
in zwei Varianten auftrat.“ Im 18. Jahrhun<strong>de</strong>rt entsteht dann die Theorie von <strong>de</strong>n<br />
Geschlechtercharakteren. Männlichkeit und Weiblichkeit gelten nun als grundsätzlich verschie<strong>de</strong>ne<br />
Seinsweisen. Das 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt entwickelt, wie Lehnert weiter ausführt (1997, 127), immer mehr<br />
Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Messung und Katalogisierung von biologischen Eigenschaften, um die ‚Natürlichkeit’ <strong>de</strong>s<br />
Geschlechts und <strong>de</strong>r damit verbun<strong>de</strong>nen Dualisierung von sozialen Aufgaben zu untermauern.<br />
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<strong>Copyright</strong> <strong>by</strong> <strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong> 2005 / www.helbig-<strong>mischewski</strong>.eu