Copyright by Brigitta Helbig-Mischewski - Helbig-mischewski.de
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<strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong>: Ein Mantel aus Sternenstaub, Nor<strong>de</strong>rstedt 2005<br />
Namen, mit <strong>de</strong>m es sich gebrandmarkt fühlt, ablegen, so dass keine Spur von ihm<br />
übrig bleibt. Bis auf die Substanz erneuert will das Textsubjekt in sein Haus, an seinen<br />
Sterbeort zurückkehren und sich <strong>de</strong>n verblüfften Mitmenschen stellen. Dabei sieht es<br />
die Notwendigkeit, von diesen Mitmenschen „<strong>de</strong>n Zauber zu nehmen“, damit sie seine<br />
Verwandlung annehmen können. Drei Bin<strong>de</strong>striche am Texten<strong>de</strong>, Signifikanten einer<br />
Leerstelle, verweisen möglicherweise auf die Unheimlichkeit dieser Aufgabe, die sich<br />
in <strong>de</strong>r Sprache kaum ereignen kann.<br />
Intendiert wird folglich nicht nur eine mystische, son<strong>de</strong>rn auch eine soziale<br />
Wie<strong>de</strong>rgeburt. Das Ich beabsichtigt, seinen I<strong>de</strong>ntitätswechsel auch kundzutun, und<br />
zwar u.a. durch die Namensän<strong>de</strong>rung. Es will mit <strong>de</strong>r alten I<strong>de</strong>ntität so radikal<br />
brechen, dass es auch von <strong>de</strong>r Umwelt nicht mehr damit in Verbindung gebracht wird.<br />
Dabei antizipiert es die Verwirrung und <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rstand <strong>de</strong>r Mitmenschen. Von einer<br />
Geschlechtsumwandlung ist in diesem Gedicht zwar nicht die Re<strong>de</strong>, doch scheint es<br />
nicht zufällig zu sein, dass im ersten Metamorphosengedicht („Z chłodów“), in <strong>de</strong>m<br />
noch von Kälte und <strong>de</strong>m Zustand vor <strong>de</strong>m Verbrennen die Re<strong>de</strong> ist, ein weibliches,<br />
und im zweiten („Pragnienie“) ein männliches Ich spricht, und zwar erst in <strong>de</strong>r letzten<br />
Strophe in Bezug auf die Zeit nach <strong>de</strong>r Wandlung. 111<br />
Je näher das Jahr 1907 heranrückt, <strong>de</strong>sto obsessiver wird das bereits in „Forpoczty“<br />
vorhan<strong>de</strong>ne Verwandlungsmotiv in <strong>de</strong>r Lyrik Komornickas. Ihren existenziellen<br />
Entschluss <strong>de</strong>r Geschlechtsmetamorphose bereitet sie in ihrer literarischen Produktion<br />
sorgfältig vor. Dabei steht nicht <strong>de</strong>r geschlechtliche Aspekt <strong>de</strong>s Vorhabens, son<strong>de</strong>rn<br />
das Begehren nach vollkommener Ausmerzung <strong>de</strong>r alten I<strong>de</strong>ntität im Vor<strong>de</strong>rgrund.<br />
Das Subjekt <strong>de</strong>r ‚Verwandlungstexte’ ist von einem Selbsthass und<br />
Selbstvernichtungsdrang ohnegleichen erfüllt. Die alte I<strong>de</strong>ntität erscheint als etwas<br />
Schändliches. Dieses Verhältnis zu sich selbst steht im Zusammenhang mit <strong>de</strong>m<br />
111 Vgl. die maskuline Form <strong>de</strong>s Adjektivs ‚przeistoczony’ – zu einem an<strong>de</strong>ren Wesen verwan<strong>de</strong>lt. Vgl.<br />
auch die in „Forpoczty“ (1895) veröffentlichte und bereits analysierte lyrische Prosa „Odrodzenie“. Hier<br />
wird <strong>de</strong>r Zustand nach <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rgeburt ebenfalls als ‚männlich’ imaginiert („druga męska młodość“,<br />
Komornicka/Nałkowski/Jellenta 1895, 193).<br />
<strong>Copyright</strong> <strong>by</strong> <strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong><br />
<strong>Copyright</strong> <strong>by</strong> <strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong> 2005 / www.helbig-<strong>mischewski</strong>.eu