Copyright by Brigitta Helbig-Mischewski - Helbig-mischewski.de
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<strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong>: Ein Mantel aus Sternenstaub, Nor<strong>de</strong>rstedt 2005<br />
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erfahren, als dass er ein Lüstling war. In „Halszka“ wie<strong>de</strong>rum entwickelt ein<br />
hässlicher, aber liebenswürdiger Onkel einen ‚großen Appetit’ auf die min<strong>de</strong>rjährige<br />
Nichte. Diese kann sich gegen seine Ansprüche kaum wehren, da er gleichzeitig <strong>de</strong>r<br />
einzige ist, <strong>de</strong>r sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und in ihrem Freiheitsdrang<br />
unterstützen möchte. Der seelische Zugang zu <strong>de</strong>n Eltern ist ihr versperrt.<br />
Alle drei weiblichen Figuren, die in diesen Texten mit <strong>de</strong>m Missbrauch in Berührung<br />
kommen (auch wenn dieser in zwei <strong>de</strong>r Fälle nur als Möglichkeit und Bedrohung,<br />
nicht jedoch als Realität in Erscheinung tritt), können aufgrund zahlreicher<br />
Übereinstimmungen zwischen <strong>de</strong>n textuellen und <strong>de</strong>n biographischen Motiven als<br />
Autoprojektionen Komornickas gelesen wer<strong>de</strong>n. Dies berechtigt jedoch nicht dazu,<br />
konkrete Schlüsse auf einen sexuellen Missbrauch <strong>de</strong>r Autorin durch <strong>de</strong>n Vater zu<br />
schließen. M.E. genügt in diesem Zusammenhang die Feststellung, dass die Motive<br />
<strong>de</strong>r Missachtung <strong>de</strong>r physischen und psychischen Grenzen <strong>de</strong>r weiblichen<br />
Protagonistinnen durch ihnen nahe stehen<strong>de</strong> Personen zu <strong>de</strong>n Obsessionen <strong>de</strong>r<br />
literarischen Texte Komornickas gehören und auch im Zentrum ihres Lebenstextes<br />
stehen. Es ist we<strong>de</strong>r notwendig noch vertretbar, aufgrund von Literaturanalysen<br />
konkrete ‚Täter’ aufspüren zu wollen.<br />
Stichhaltigere außerliterarische Anhaltspunkte gibt es allerdings für die Hypothese,<br />
dass es zur Beschimpfung <strong>de</strong>r sechzehnjährigen Komornicka als ‚Hure’ und eventuell<br />
einem Missbrauch auf einer Station <strong>de</strong>r Sittenpolizei gekommen ist. Wie bereits im<br />
Biographie-Kapitel dargelegt, berichtet Aniela Komornicka (1964) in ihren<br />
Erinnerungen von einem auf diese Weise been<strong>de</strong>ten einsamen nächtlichen<br />
Spaziergang ihrer Schwester. Einen sehr dicht an die Realität anknüpfen<strong>de</strong>n Versuch<br />
<strong>de</strong>r Verarbeitung dieses Erlebnisses stellt Komornickas 1907 – also kurz vor ihrer<br />
Mannwerdung – publizierte Erzählung „Intermezzo“ dar, in <strong>de</strong>r sich die Dichterin als<br />
herumirren<strong>de</strong>, verspottete und ge<strong>de</strong>mütigte Zigeunerin imaginiert. Dabei scheint die<br />
mutmaßliche Demütigung durch die Sittenpolizei einem an<strong>de</strong>ren Trauma unmittelbar<br />
<strong>Copyright</strong> <strong>by</strong> <strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong><br />
<strong>Copyright</strong> <strong>by</strong> <strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong> 2005 / www.helbig-<strong>mischewski</strong>.eu