Copyright by Brigitta Helbig-Mischewski - Helbig-mischewski.de
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<strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong>: Ein Mantel aus Sternenstaub, Nor<strong>de</strong>rstedt 2005<br />
Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass Du, teure Mutter, aufhören wür<strong>de</strong>st, Dich mir<br />
gegenüber als Megäre aufzuspielen, was nun seit 22 Monaten <strong>de</strong>r Fall ist, d.h. seit<strong>de</strong>m ich mich in<br />
Radom (zwar usurpatorisch, aber aus <strong>de</strong>m tiefsten Gefühl <strong>de</strong>r Verpflichtung eines Sohnes heraus)<br />
<strong>de</strong>n allzu bequemen Projekten meiner allzu geschäftstüchtigen Brü<strong>de</strong>r in die Quere stellte.<br />
Seit<strong>de</strong>m bin ich – nie<strong>de</strong>rgeschmettert – zu einem hilflosen Opfer eurer Familienkoalition<br />
gewor<strong>de</strong>n und krepiere vor Verzweiflung in <strong>de</strong>n abscheulichsten Anstalten unter geborenen<br />
Kriminellen und irrsinnigen Verbrechern. [Hervorh. B.H.-M.] (21.12.1908) 35<br />
Bei einem an<strong>de</strong>ren Familientreffen, in Warschau, wur<strong>de</strong> Komornicka, wie die Briefe<br />
offen legen, mit einer Beruhigungsspritze behan<strong>de</strong>lt. Bereits vor ihrem<br />
Geschlechtswechsel wur<strong>de</strong> sie als Unmündige und auch ‚sexuell Verdächtige’ von<br />
ihrer Familie wahrgenommen. 36 In Radom hat ihr <strong>de</strong>r Familienrat anscheinend die<br />
freie Verfügung über ihr Erbe verweigert. Die Anklänge an diese Ungerechtigkeit<br />
lassen sich im Gedicht „Żale parcelanta“ („Xięga“) verfolgen. Doch es gibt etwas, das<br />
Komornicka noch mehr erschüttert: Auch Miriam scheint sie nicht mehr ernst zu<br />
nehmen. Sie wird zum Objekt von Unterredungen und Verhandlungen zwischen ihrer<br />
Familie und Przesmycki, aus welchen sie selbst ausgeschlossen ist. In <strong>de</strong>n<br />
Irrenhausbriefen manifestiert sich das Gefühl, dass sich die ihr am nächsten stehen<strong>de</strong>n<br />
Personen gegen sie verschworen haben. 37<br />
Eine aufmerksame Lektüre <strong>de</strong>s bereits<br />
zitierten Briefes vom 21.12.1908 lässt erkennen, dass Maria in Poznań, in <strong>de</strong>m für <strong>de</strong>n<br />
Ort <strong>de</strong>r Transformation erklärten Hotel „Bazar“, 38<br />
Gespräch mit Miriam gewartet hat.<br />
vergeblich auf ein klären<strong>de</strong>s<br />
Es gibt ein bizarres Gedicht in „Xięga“ – das Sonett „Poznań“, das diesen<br />
folgenträchtigen Aufenthalt aufzugreifen scheint. Allerdings verschweigt dieser Text<br />
35 Polnisch: „Pragnę z całego serca, a<strong>by</strong>ś droga Matko przestała bawić się wzglę<strong>de</strong>m mnie w jędzę, czego<br />
doświadczam już od 22 miesięcy, t. j. odkąd w Radomiu (samozwańczo co prawda, ale z najgłębszego<br />
poczucia obowiązku synowskiego) stanąłem w poprzek z<strong>by</strong>t wygodnym projektom moich z<strong>by</strong>t<br />
geszefciarskich braci. Odtąd z nóg zwalony stałem się bezbronną ofiarą waszej rodzinnej koalicyi i po<br />
najohydniejszych zakładach zdycham z rozpaczy śród urodzonych kryminalistów i obłąkanych<br />
zbrodniarzy.“<br />
36 Brief vom 27.06.1909.<br />
37 Vgl. die auf Miriam bezogene ironische Bemerkung im Brief vom 21. 12. 1908.<br />
38 In diesem Brief wird <strong>de</strong>r Hotelname als ‚Bas-Arts’ von Komornicka selbst interpretiert. In Anschluss<br />
an Filipiak (2000) und Dernałowicz (1977) verstehe ich dies als Ausdruck <strong>de</strong>r Erkenntnis Komornickas,<br />
dass die von ihr bislang praktizierte Literatur zu <strong>de</strong>n ‚niedrigen Künsten’ gezählt wer<strong>de</strong>n muss.<br />
<strong>Copyright</strong> <strong>by</strong> <strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong><br />
<strong>Copyright</strong> <strong>by</strong> <strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong> 2005 / www.helbig-<strong>mischewski</strong>.eu