Copyright by Brigitta Helbig-Mischewski - Helbig-mischewski.de
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<strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong>: Ein Mantel aus Sternenstaub, Nor<strong>de</strong>rstedt 2005<br />
305<br />
dieser Gedichte wie ein Angebot <strong>de</strong>r Beruhigung, eine Vision <strong>de</strong>r Welt nach <strong>de</strong>r<br />
Wie<strong>de</strong>rgeburt. Lexik und Syntax dieser Lyrik sind viel klarer und einfacher als die <strong>de</strong>r<br />
meisten Texte aus <strong>de</strong>r Zeit vor 1907, es dominiert <strong>de</strong>r freie Vers. Die Metaphorik ist<br />
stark reduziert und nicht mehr so verschachtelt. Der Abstand vom pathetischen Duktus<br />
<strong>de</strong>r jungpolnischen Diskurse, aber auch vom vor<strong>de</strong>rgründig moralisieren<strong>de</strong>n Gestus<br />
vieler früherer Gedichte erweist sich als richtungweisend für die polnische Lyrik <strong>de</strong>r<br />
Zwischenkriegszeit. In diesen mit ihrer ‚Einfachheit’ bestechen<strong>de</strong>n Gedichten wird <strong>de</strong>r<br />
Zustand <strong>de</strong>r mystischen Einheit mit Natur, Welt und Gott heraufbeschworen.<br />
Im ersten Gedicht <strong>de</strong>s Zyklus – „W tajniach ogrodu...“ (In <strong>de</strong>n Verstecken <strong>de</strong>s<br />
Gartens, 220) ist es <strong>de</strong>r Kuckuck, <strong>de</strong>r ein Ich in die Natur verführt und ihm einen<br />
süßen, sanften Tod verspricht. Der Tod erscheint im Bild einer warten<strong>de</strong>n Geliebten<br />
„mit einem Kranz auf <strong>de</strong>m Kopf.“ Er wird auch mit einem Traum parallelisiert: „Im<br />
verwehten, duften<strong>de</strong>n Licht / Grüner Blätter / Wird sich <strong>de</strong>in Traum erfüllen /<br />
Wun<strong>de</strong>rsam – / Er war-tet! War-tet! War- tet!“ 122 Der Verzicht auf die menschliche<br />
Sprache, ihre Verfremdung zur ‚Vogelkommunikation’ markiert <strong>de</strong>n Übergang von<br />
<strong>de</strong>r Sphäre <strong>de</strong>r Kultur, <strong>de</strong>s Individuellen, Getrennten, in die <strong>de</strong>r Natur und <strong>de</strong>r Einheit<br />
mit <strong>de</strong>m Universum. Auch „Pokusa wiatru wiosennego“ (Die Versuchung <strong>de</strong>s<br />
Frühlingswin<strong>de</strong>s, 221 f.), das ähnlich wie das bereits analysierte aphoristische<br />
Prosastück „Mądrość“, jedoch ohne überhöhen<strong>de</strong> und moralisieren<strong>de</strong> biblische<br />
Stilisierung existenzielle Weisheit vermitteln will, entwirft ein magischbeschwören<strong>de</strong>s<br />
Bild einer meditativen Verschmelzung von Mensch und Natur. Hier<br />
wird das Ich zum Spinnennetz, das sich vom Wind tragen lässt:<br />
Lass dich tragen<br />
Wie ein Spinnennetz sich vom Südwind tragen lässt<br />
Und wie <strong>de</strong>r Staub,<br />
Der nicht weiß, wo er aufwirbeln und wohin er fallen wird.<br />
Schließe die Augen –<br />
Mögen sie unter <strong>de</strong>n Li<strong>de</strong>rn in die bewegte Weite blicken –<br />
122 Polnisch: „W rozwianym, pachnącym świetle / Zielonych liści / Sen ci się ziści/ Przedziwny – / Czeka!<br />
Cze-ka! cze-ka!“<br />
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<strong>Copyright</strong> <strong>by</strong> <strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong> 2005 / www.helbig-<strong>mischewski</strong>.eu