Copyright by Brigitta Helbig-Mischewski - Helbig-mischewski.de
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<strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong>: Ein Mantel aus Sternenstaub, Nor<strong>de</strong>rstedt 2005<br />
lösen ist, lässt die Wie<strong>de</strong>rholung <strong>de</strong>r Eingangsfrage in <strong>de</strong>r letzten Gedichtzeile nicht<br />
zweifeln:<br />
Efeu umrankte <strong>de</strong>s Nachts die schlafen<strong>de</strong> Frau.<br />
Im Glauben, er habe eine Marmorsäule gefun<strong>de</strong>n.<br />
Morgens wer<strong>de</strong>n ihre Füße im Lauf,<br />
Die törichte Pflanze zertreten, die sie umwun<strong>de</strong>n.<br />
Die Frau erwacht, fährt auf, die Fesseln spürend –<br />
Der erschrockene Efeu ergreift ihre Hän<strong>de</strong>,<br />
Und sie fragt sich, halb erhoben, in Qualen,<br />
Sterben o<strong>de</strong>r töten?... 81<br />
An<strong>de</strong>rs als im Zyklus „Czarne płomienie“ kann sich hier das Begehren auf Seiten <strong>de</strong>r<br />
Frau gar nicht erst einstellen, da man nichts begehren kann, was sich im ersticken<strong>de</strong>n<br />
Übermaß selbst darbietet. In diesem bemerkenswerten Gedicht wird die<br />
Selbstaufopferung und Selbstaufgabe <strong>de</strong>r Frau in einer Liebesbeziehung in Anschluss<br />
an Nietzsche in Frage gestellt. Die Frau wird mittels ‚phallischer’ Bildlichkeit als<br />
starke, souveräne, lebendige, aber auch zu moralischer Reflexion fähige Persönlichkeit<br />
mo<strong>de</strong>lliert, <strong>de</strong>r Geliebte aber, konträr zum gängigen Geschlechterdiskurs, mit <strong>de</strong>r<br />
Naturwelt in Verbindung gebracht und als schwach, ängstlich, armselig, heteronom,<br />
unfähig zum Denken in Szene gesetzt (erbärmliches Wesen, armes Ding, beben<strong>de</strong><br />
Seele, törichte Kletterpflanze). 82<br />
Das Gedicht scheint in einen polemischen Dialog mit zwei Texten männlicher<br />
Autoren einzutreten – mit <strong>de</strong>m Sonett „Do…“ (An…) von Adam Mickiewicz (1972,<br />
202) und mit <strong>de</strong>r Fabel „Lilia wodna“ (Wasserlilie) von Komornickas Ehemann Jan<br />
Lemański. In <strong>de</strong>r Forschung wur<strong>de</strong>n die starken motivischen Äquivalenzen zwischen<br />
diesen Texten noch nicht diskutiert. In Mickiewiczs Liebesgedicht steht <strong>de</strong>r Efeu,<br />
81 Polnisch: „Żywą kobietę bluszcz oplótł nocą, / Myśląc, że znalazł marmur kolumny. / Rankiem jej<br />
stopy, biegnąc, zgruchocą / Słabej rośliny pnącz bezrozumny. // Budzi się – zrywa, czując spętanie – /<br />
Bluszcz przerażony chwyta jej ręce, / A ona pyta, półleżąc, w męce: / Umrzeć czy zabić?...“<br />
82 Polnisch: „marne trwanie“, „nieboga“, „dusza drgająca“, „pnącz bezrozumny“. Der Efeu ist zwar<br />
geschlechtlich nicht ein<strong>de</strong>utig markiert, es gibt aber Hinweise darauf, dass mit diesem Bild ein<br />
menschliches Wesen, höchstwahrscheinlich ein männlicher Geliebter konnotiert wird („bluszcz<br />
przerażony chwyta jej ręce“).<br />
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<strong>Copyright</strong> <strong>by</strong> <strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong> 2005 / www.helbig-<strong>mischewski</strong>.eu