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296 Brigitta Helbig-Mischewski: Ein Mantel aus Sternenstaub, Norderstedt 2005 ‚sündhaften’ Figur selbst erlittene Leid, das ihr von der ganzen Welt angetan worden ist: 95 „Ich vernichtete – weil sie mich vernichteten! Ich hasste, weil mich der Hass nährte... Und ich verzehrte mich selbst – andere verschlingend! Ich – Agni! Ich, Feuer des Himmels, Schlangen in den Tümpeln der Erde brütend!“ 96 (155) Agni hat, so ihre Erkenntnis, ihre Göttlichkeit geschmälert. Auf dem Höhepunkt ihrer mystischen Ekstase 97 hört sie die transzendente Stimme, den Wind (Hurrikan), der sie zu sich holen will, so wie in „Idylla“ die Wolke ihre Pappel: Ich bin derjenige, der da ist und der dich liebt in alle Ewigkeit (...). Ich bin derjenige, der für dich die Sternenschar erschuf (...). Ich bin derjenige, den du mit dem Verlangen eines menschlichen Daseins verraten hast. Für einen Moment ließ ich dich allein – für die Fortdauer der irdischen Pein. Heute komme ich, dich zu holen... (...) Du gehörtest mir unaufhörlich (...), auch als du in der Umarmung irdischer Liebe bebtest... (…) Ich öffnete dir (…) die Augen für (...) die Nichtigkeit deiner menschlichen Seele und für die Nichtigkeit der Menschen, die du lieben wolltest... Das vorirdische Dasein in meinen Armen vereitelte dir die Erde... Meine Liebe trug dir Verachtung für die menschliche Liebe zu... (156) 98 In der Vorstellungswelt der indischen Religionslehren (z.B. in den „Upanischaden“) fungiert der Wind als Weltgeist, als das absolute kosmische Prinzip und der Urgrund allen Seins, das umfassende All-Eine: „Nur in ekstatischer Schau lässt es sich teilweise erschließen, und hier nur wenigen Mystikern“. 99 (Bellinger 1999, 61) Er erinnert Agni an seine Wesensgleichheit mit ihr und verführt sie in einer stark 95 Mit „Biesy“ ist auch das Motiv des unerfüllten Begehrens („kościotrupy zagłodzonych żądz“, 155) vergleichbar. 96 Polnisch: „Niszczyłam – bo mnie niszczyli! Nienawidziłam, bo mnie karmiła nienawiść... I trawiłam się sama – pożerając drugich! Ja – Agni! Ja, ogień Nieba, lęgnący węże w kałużach ziemi!“ 97 Knaurs Großer Religionsführer, 61. 98 Polnisch: „Jam jest, który jest i który cię ukochał w wieczności (...). Jam jest, który dla ciebie stworzył plejady gwiazd (...). Jam jest, którego zdradziłaś żądzą ludzkiego istnienia. / Na mgnienie zostawiłem cię samą – na długość trwania ludzkiej katuszy. Dziś przychodzę po ciebie... (...) Moją byłaś nieustannie (...) moją, gdyś drżała w objęciu ziemskiej miłości... (...) / Ja ci (...) otwierałem oczy na (...) nicość twojej ludzkiej duszy i na nicość ludzi, których chciałaś kochać... / Przedziemski byt w mych ramionach unicestwił ci ziemię... miłość moja ci niosła wzgardę dla ludzkiej miłości...“ 99 Was sich in einer solchen Ekstase vor allem erschließen kann, ist die Einheit und Wesensgleichheit des Urprinzips des Makrokosmos mit dem ‚atman’, dem wahren Selbst des Menschen als Mikrokosmos. Copyright by Brigitta Helbig-Mischewski Copyright by Brigitta Helbig-Mischewski 2005 / www.helbig-mischewski.eu
Brigitta Helbig-Mischewski: Ein Mantel aus Sternenstaub, Norderstedt 2005 297 erotisierten Sprache zur Verschmelzung mit ihm; er verspricht, ihre Wunden zu heilen, ihre Sünden hinwegzufegen: Komm zu mir, du ewiges Feuer! Oh, Agni! Du Geist meiner Wogen! Glut meiner Wolken! (...) Ich entführe dich dorthin, wo Neptun seinen weitesten Kreis zieht... (...) Deine besudelte, erschöpfte Seele, getötete Seele werde ich erneuern... Mit meinen Lippen den Schmerz aus deinem Mund saugen... deiner Liebe die Unermesslichkeit schenken. (...) In der Woge des Allseins deinen Leib baden... in uralten Quellen deine Wunden heilen – deine Verbrechen auslöschen... (157) 100 Die Verführung ist erfolgreich. Das Stück endet mit dem Bild des mystischen Todes. Ein Blitz trifft die Verurteilte (skazana) mitten in die Brust, die Höhle stürzt auf den sündhaften Körper von Agni, zerstört ihn. Nach einer durch Sternchen markierten Leerstelle im Text wird die Wiedergeburt angedeutet: „Durch den Blitz wiedergeboren (...) schwebt sie durch die Unermesslichkeit auf Flügeln des Hurrikans...“ 101 (158) 9.9. ‚Komplett aussterben’ Eine erschütternde Steigerung der Intensität erfährt das Motiv der mystischen Verwandlung in dem 1905 – also zwei Jahre vor Komornickas Mannwerdung – in „Chimera“ publizierten Gedichtzyklus „Ze szlaków ducha“ (Auf den Pfaden des Geistes, 276-299), 102 insbesondere in „Z chłodów“ (Aus der Kälte, 276) und „Pragnienie“ (Verlangen, 296). In beiden Gedichten entrollt ein lyrisches Ich eine erschreckende Selbstvernichtungsvision, begleitet vom Wunsch nach einem Identitätswechsel. Aus dem Gefühl einer bis ins Knochenmark beißenden Kälte heraus (dies wird zweimal am Strophenende wiederholt) äußert das lyrische Ich von „ Z 100 Polnisch: „Chodź do mnie, o ogniu wiekuisty! O, Agni! Duchu moich fal! Żarze moich chmur! (...) Porwę cię... gdzie Neptun zatacza swój najdalszy krąg... (...) Zbrukaną duszę, zmęczoną, zabitą duszę odnowię w tobie... Twą boleść wypiję ustami z twych ust... miłości twej oddam Bezmiary. (...) W wszechbytu fali skąpię twoje ciało... w przedwiecznych zdrojach zgoję rany twoje – zmażę zbrodnie twoje...“ 101 Polnisch: „Odrodzona piorunem (...) płynie po Bezbrzeżach na skrzydłach Huraganu...“ Ein so optimistisches Ende wird in „Biesy“ nicht mehr möglich sein. 102 „Chimera“ 1905, B. 9, H. 25. Copyright by Brigitta Helbig-Mischewski Copyright by Brigitta Helbig-Mischewski 2005 / www.helbig-mischewski.eu
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