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Copyright by Brigitta Helbig-Mischewski - Helbig-mischewski.de

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<strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong>: Ein Mantel aus Sternenstaub, Nor<strong>de</strong>rstedt 2005<br />

293<br />

Bahnen einer weiblichen Existenz überschreiten möchte. Da sie, um <strong>de</strong>n Preis <strong>de</strong>r<br />

Befreiung von familiären Bindungen, zu hoch hinaus will, muss sie bestraft wer<strong>de</strong>n.<br />

9.8. Von Gott entführt<br />

Bereits im Zyklus „Czarne płomienie“ tauchen Bil<strong>de</strong>r auf, die auf die Transponierung<br />

<strong>de</strong>s erotischen Potentials <strong>de</strong>s Textsubjekts auf die mystische Liebe, auf die Beziehung<br />

zwischen Ich und Gott hin<strong>de</strong>uten, so z.B. in <strong>de</strong>r lyrischen Prosa „Idylla“ (Idylle,<br />

192). 86 Unter <strong>de</strong>m Gesichtspunkt <strong>de</strong>r Geschlechtersymbolisierung erscheint dieser<br />

Text verwirrend und kaum <strong>de</strong>chiffrierbar. Zwei Wesen fühlen sich magisch<br />

voneinan<strong>de</strong>r angezogen: die in <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> fest verwurzelte Pappel (topola) und die am<br />

Himmel schweben<strong>de</strong> Wolke (obłok). Im Polnischen haben sie verschie<strong>de</strong>ne<br />

grammatische Geschlechter, die Pappel ist <strong>de</strong>mnach feminin, die Wolke maskulin.<br />

Von Anfang an hat ihre Begegnung einen erotischen Charakter. Bereits im ersten Satz<br />

gibt sich <strong>de</strong>r Text als Liebesgeschichte aus: „Die Wolke verliebte sich in eine<br />

Pappel“. 87<br />

Einerseits verweist die Pappel nicht nur auf grammatischer Ebene auf<br />

Weiblichkeit – vor allem durch ihr Verwurzeltsein in <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>, Verhaftetsein im<br />

Irdischen und ihre Nähe zum Traum und zum Unbewussten. An<strong>de</strong>rerseits wird ihr<br />

‚männliches’ Hinausragen in <strong>de</strong>n Himmel ebenfalls stark betont; die Erzählstimme<br />

vergleicht sie mit einer Säule und einem gotischen Turm. Auch die Wolke kann nicht<br />

ein<strong>de</strong>utig einem Geschlecht zugeordnet wer<strong>de</strong>n. Denn einerseits steht sie für das<br />

männlich besetzte spirituelle Prinzip, für Freiheit und für <strong>de</strong>n Geist. Sie hat keine<br />

materielle Substanz, entsteht je<strong>de</strong>n Tag neu und löst sich, vom Wind getrieben, je<strong>de</strong>n<br />

Tag neu auf. An<strong>de</strong>rerseits lässt sich diese Konturlosigkeit und Verän<strong>de</strong>rbarkeit mit<br />

Weiblichkeitsbil<strong>de</strong>rn assoziieren. Die fehlen<strong>de</strong> Ein<strong>de</strong>utigkeit auf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>r<br />

86 „Chimera“ 1901, B. 4, H. 10-12.<br />

87 Polnisch: „Kochał się obłok w topoli.“<br />

<strong>Copyright</strong> <strong>by</strong> <strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong><br />

<strong>Copyright</strong> <strong>by</strong> <strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong> 2005 / www.helbig-<strong>mischewski</strong>.eu

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