Copyright by Brigitta Helbig-Mischewski - Helbig-mischewski.de
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<strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong>: Ein Mantel aus Sternenstaub, Nor<strong>de</strong>rstedt 2005<br />
9.10. Mantel aus Sternenstaub<br />
Wohin gehst du, Nackte?<br />
Einen Mantel aus Sternenstaub holen. (292) 113<br />
Wie bereits erwähnt spielt das Bedürfnis nach einem neuen Gewand auch in<br />
zahleichen an<strong>de</strong>ren Texten Komornickas eine beson<strong>de</strong>re Rolle. Dies ist z.B. in einem<br />
ihrer bekanntesten Gedichte „Na rozdrożu“ (Auf <strong>de</strong>m Schei<strong>de</strong>weg, 292) 114 <strong>de</strong>r Fall,<br />
das mitunter als eine Art feministisches Manifest gilt und bereits in zahlreichen<br />
Anthologien präsentiert wur<strong>de</strong>. Und tatsächlich lässt es sich als eine für ein weibliches<br />
Subjekt damaliger Zeit dreiste Demonstration geistiger Souveränität und<br />
Unbeirrbarkeit interpretieren. Das Gedicht ist als Dialog konzipiert. Ein weibliches<br />
Ich, das sich gera<strong>de</strong> allein auf <strong>de</strong>m Weg irgendwohin befin<strong>de</strong>t, wird von einer nicht<br />
näher i<strong>de</strong>ntifizierbaren Stimme aufgehalten und zur Re<strong>de</strong> gestellt. Die Stimme<br />
versucht, die aufbrechen<strong>de</strong> Frau zur Rückkehr in ihr „altes Haus“, man könnte auch<br />
sagen, in ihr altes Leben und ihre alte I<strong>de</strong>ntität zu verführen. Vergeblich, <strong>de</strong>nn die<br />
Entscheidung ist bereits getroffen: Es gibt keinen Weg zurück, die Angesprochene<br />
bleibt nicht einmal stehen. Gleich im ersten Vers <strong>de</strong>s Gedichtes, das nur aus Fragen<br />
bzw. Auffor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r frem<strong>de</strong>n Stimme und <strong>de</strong>n scharfen, ein<strong>de</strong>utigen Repliken <strong>de</strong>r<br />
Frau besteht, erfahren wir, dass die Frau ‚nackt’ ist: „Wohin gehst du, Nackte?“ (292)<br />
Die konnotativen Signifikate <strong>de</strong>r Nacktheit sind unschwer zu erraten: Auch hier geht<br />
es um <strong>de</strong>n Tod <strong>de</strong>s alten Menschen und die Geburt eines neuen, auch hier befin<strong>de</strong>t<br />
sich die Figur in einem Zwischenstadium. Sie hat ihre alte I<strong>de</strong>ntität bereits endgültig<br />
hinter sich gelassen und will „einen Mantel aus Sternenstaub holen“. Das Motiv eines<br />
Sternen-/Sonnen-/Mondklei<strong>de</strong>s kennen wir u.a. aus zahlreichen Volksmärchen, z.B.<br />
aus „Allerleihrauh“. Es symbolisiert oft die ‚glorreiche’ Ichfindung, Ichwerdung einer<br />
113 Polnisch: „Gdzie idziesz, naga? Po płaszcz z gwiaździstych zamieci.“<br />
114 Aus <strong>de</strong>m Zyklus „ Ze szlaków ducha“, „Chimera“ 1905, B. 9, H. 25.<br />
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<strong>Copyright</strong> <strong>by</strong> <strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong> 2005 / www.helbig-<strong>mischewski</strong>.eu