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Nach Absenkung des Volljährigkeitsalters von 21 auf 18 Jahre<br />

im Jahr 1975 ergaben sich für das Heim Schwierigkeiten, weil<br />

Volljährige keine Förderung mehr erhielten. Dies führte unter<br />

anderem zu Problemen in der Umsetzung des Verselbständigungsprozesses.<br />

Um den betroffenen Jugendlichen den Übergang<br />

in die Selbständigkeit zu erleichtern, wurden für die<br />

Jugendlichen deshalb drei Wohnungen angemietet, in denen<br />

sie ein halbes Jahr vor der Volljährigkeit unter Anleitung Selbständigkeit<br />

erproben sollten. In dieser Zeit entstand auch ein<br />

weiterer Erweiterungsbau. In der einmal mit fast 80 Jugendlichen<br />

belegten Villa lebten jetzt nur noch 30. Im Neubau teilten<br />

sich je vier Jugendliche eine Wohneinheit mit zwei Schlafzimmern<br />

und einem Wohn- und Arbeitszimmer. Die Zahl der Schüler<br />

stieg auf 39 an, womit das Heim immer mehr den Charakter<br />

eines allgemeinen Jugendheims annahm.<br />

4.3.3 Auswärtige Unterbringungen<br />

Der Mangel an Heimplätzen in der Stadt Bremen führte in den<br />

1960er, aber vor allem in den frühen 1970er Jahren, dazu, dass<br />

im steigenden Maße auswärtige Einrichtungen belegt werden<br />

mussten. 418 Dieses Defizit war darauf zurückführbar, dass sich<br />

zur gleichen Zeit immer zwischen 800 und 1000 Kinder und<br />

Jugendliche in der Heimerziehung befanden, während die<br />

Kapazität der Bremer Heime für die Versorgung auch erziehungsschwieriger<br />

Kinder und Jugendlicher nie 600 überstieg. Von den<br />

zur Verfügung stehenden Heimplätzen wurden etliche auch<br />

noch mit Jugendlichen von auswärtigen Jugendämtern belegt.<br />

Hinzu kamen die beschriebenen Unterbelegungen, die sich aus<br />

personellen Engpässen ergaben.<br />

Belegte man Anfang der 1960er Jahre noch etwa 50 Heime<br />

außerhalb Bremens, so stieg diese Zahl bis zur Mitte des Jahrzehnts<br />

auf um die 60. Im Jahr 1975 waren es schließlich sogar<br />

125 auswärtige Heime. 419 Um welche Heime es sich dabei handelte,<br />

dazu fanden sich in den Jahresberichten des Jugendamtes<br />

beziehungsweise den Senatsberichten für das Wohlfahrtswesen<br />

keine Angaben. Das Jugendamt suchte aber für Kinder vor<br />

allem Heime mit Beschulungs- und heilpädagogischen Betreuungsmöglichkeiten<br />

sowie für Jugendliche Heime mit Ausbildungsmöglichkeiten.<br />

Das Landesjugendamt belegte auch<br />

geschlossene Einrichtungen für Mädchen und Jungen. Zu den<br />

Fürsorgezöglingen hieß es im Senatsbericht für das Wohlfahrtwesen<br />

von 1972, dass sich jeweils gleich viele Fürsorgezöglinge<br />

innerhalb und außerhalb Bremens befänden.<br />

Ein Bericht des Jugendamtes aus dem Jahr 1975 enthielt einige<br />

zusätzliche Angaben über die belegten Heime. 420 Das Jugendamt<br />

belegte demnach 105 Heime, was bei der mit 125 angegebenen<br />

Gesamtzahl an belegten auswärtigen Einrichtungen auf<br />

20 im Rahmen der Fürsorgeerziehung belegte Heime schließen<br />

lässt. Von 930 untergebrachten Minderjährigen waren 485 Kinder<br />

oder Jugendliche auswärts untergebracht und entsprechend 445<br />

in Bremer Heimen. Diese Angaben lassen vermuten, dass Auswärtsunterbringungen<br />

keineswegs immer in besonders spezialisierten<br />

Heimen erfolgten. Dieser Bericht benennt als Hauptgrund<br />

für auswärtige Unterbringungen dann auch lediglich die<br />

Notwendigkeit, manche Kinder so zu versorgen, dass sie »Distanz<br />

zu ihren bisherigen Bezugsgruppen bekommen.«<br />

Mit steigender auswärtiger Belegung wuchs die Notwendigkeit,<br />

die Kinder wenigstens ab und an einmal zu sehen. »Im Interesse<br />

eines gezielten Hilfsangebots«, hieß es im Jahresbericht des<br />

Jugendamtes für 1974, sollten die Kontakte zu den Heimen<br />

intensiviert werden. Zuständig für eine solche Kontaktpflege<br />

waren aber nicht die einweisenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

des Jugendamtes, sondern die sogenannte Heimkontaktstelle<br />

im Jugendamt. Diese war um diese Zeit lediglich mit<br />

einem Mitarbeiter besetzt. Üblich war es offenbar aber, Kinder<br />

und Jugendliche, die sich zum Beispiel in den Ferien in Bremen<br />

aufhielten, in das Jugendamt vorzuladen. Zusätzlich kümmerten<br />

sich zwei sogenannte »Landpfleger«, primär zuständig für<br />

die Betreuung von Pflegekindern in ländlichen Gebieten, auch<br />

um die Kinder in rund 25 Heimen im ländlichen Raum. Als hinreichend<br />

für mindestens einen jährlichen Besuch der teilweise<br />

weit entfernt untergebrachten Kinder wurden also zwei Mitarbeiterstellen<br />

erachtet. 421<br />

4.4 Ausblick auf die weiteren Entwicklungen<br />

Mehr als eine ganze Generation liegt zwischen der Gegenwart<br />

und dem Jahr, an dem diese Dokumentation zur Entwicklung<br />

der Heime endet (1975). In diesem Zeitraum von rund 35 Jahren<br />

hat sich viel verändert. Früheres ist untergegangen, Neues<br />

entstand. Dies gilt für alle Bereiche des gesellschaftlichen und<br />

politischen Lebens, und damit auch für die Jugendhilfe allgemein<br />

und die Heimerziehung im Besonderen. In der Heimerziehung<br />

waren diese Entwicklungen, wie nachfolgend noch<br />

gezeigt werden soll, etwa 1990 abgeschlossen.<br />

Wie berichtet, geriet die Heimerziehung bereits seit Mitte der<br />

1960er Jahre zum Gegenstand kritischer Betrachtung und<br />

wütender Proteste. Die Kritik entlud sich verstärkt ab 1969 an<br />

verschiedenen Orten der Bundesrepublik in sogenannten Heimrevolten,<br />

wie man sie seit den 1920er Jahren in Deutschland<br />

nicht mehr gesehen hatte. 422 Die von der Studentenbewegung<br />

getragene Außerparlamentarische Opposition (APO) sah in den<br />

geschlossenen Fürsorgeheimen das Sinnbild für eine insgesamt<br />

repressive Gesellschaft. Den befreiten Fürsorgezöglingen wurde<br />

dabei auch die Erwartung zugeschrieben, eine wichtige Basis<br />

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