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Diagnosen und Klagen dieser Art, verbunden mit Forderungen<br />

nach Unterstützung und Stärkung der Erziehungskraft der<br />

Eltern und deren verstärkte Einbindung in die Maßnahmen der<br />

Jugendhilfe, durchzogen auch noch in den kommenden Jahren<br />

die Jugendamtsberichte und die Senatsberichte für das Jugendwesen.<br />

Mit den Mitte der 1950er Jahre einsetzenden Halbstarken-Krawallen<br />

– dabei handelte es sich um von Jungarbeitern<br />

und Lehrlingen auf frisierten Mopeds demonstrativ vorgetragenes<br />

Imponiergehabe, das die Erwachsenen als Krawall betrachteten<br />

und in die Nähe von Kriminalität rückten – kam als neue<br />

Interpretationsfigur für die Jugendgefährdung die bindungslose<br />

Jugend hinzu. 198 Der Senatsbericht für das Jugendwesen von<br />

1957 führte dazu aus:<br />

»Bei nur geringfügig gestiegener Zahl der Fälle ist die Arbeit<br />

der Erziehungsfürsorge durch die Art der Gefährdungsund<br />

Verwahrlosungserscheinungen merklich angewachsen.<br />

Die starke Unruhe und Bindungslosigkeit vieler junger<br />

Menschen zeigt sich besonders deutlich im Fortlaufen von<br />

Zuhause, aus Arbeitsstellen und Heimen, in der Schließung<br />

von Frühehen bei mangelnder menschlicher Reife und<br />

äußerer Sicherung, in vermehrter heimlicher Prostitution<br />

sehr junger Mädchen, in der Hilflosigkeit bei der Erfüllung<br />

der eigenen Freizeit.«<br />

Am Ende dieser Periode setzte sich schließlich die sogenannte<br />

Akkzelerationsthese durch. Diese erklärte jugendliche Verhaltensstörungen<br />

primär durch das Auseinanderklaffen zwischen<br />

biologischer Frühreife und geistig-seelischer Entwicklung.<br />

In den Konzepten und Berichten der Heime der 1950er Jahre<br />

begründeten diese Argumentationsketten einerseits eine mitleidsvolle<br />

Zuwendung zu den vernachlässigten Schlüsselkindern<br />

und Heimordnungen, die die natürliche Ordnung der Familie<br />

wiederherstellen sollten. Anderseits dienten sie als Begründung<br />

für disziplinierende Maßregelungen in den Erziehungsheimen.<br />

4.2.2 Institutionelle und<br />

konzeptionelle Entwicklungen<br />

in den bremischen Heimen<br />

4.2.2.1 Neugründungen zur Bekämpfung<br />

der »Berufsnot der Jugend«<br />

Die meisten Heimneugründungen in den frühen 1950er Jahren<br />

standen im Zeichen der Bekämpfung der Berufsnot der Jugend.<br />

Über die sich stetig erweiternden Mittel des Bundesjugendplans,<br />

abgesichert und ergänzt durch Landesmittel, schuf man<br />

im Land Bremen bis 1956 sechs neue Lehrlingswohnheime und<br />

vier weitere durch Um- beziehungsweise Ausbau bereits bestehender<br />

Heime freier Träger mit insgesamt 185 Plätzen. 199 Als<br />

Voraussetzung für eine fundierte pädagogische Arbeit wurde<br />

1949 mit einem Lehrgang für Heimerzieher begonnen. Der<br />

Lehrgang erfolgte berufsbegleitend, dauerte 18 Monate und<br />

richtete sich besonders an die Mitarbeiterschaft der Jugendund<br />

Lehrlingswohnheime. Alle pädagogisch nicht vorgebildeten<br />

Helfer und Leiter, das heißt, so gut wie alle, waren zur Teilnahme<br />

verpflichtet. 200<br />

Nachdem die Jugendarbeitslosigkeit 1955 überwunden war,<br />

entwickelten sich die Lehrlingswohnheime allmählich zu einer<br />

Auffangstation für die aus den Kinderwohnheimen und Waisenhäusern<br />

nach dem Schulabschluss entlassenen Jugendlichen<br />

und gewannen darüber zunehmend den Charakter von<br />

Jugendwohnheimen.<br />

Lehrlingswohnheime für Jungen<br />

Das erste Bremer Lehrlingsheim entstand im Auffanglager Halmerweg<br />

für Flüchtlingskinder aus der weiteren Umgebung<br />

Bremens. Der arbeitsmarktpolitischen Bedeutung von Lehrlingswohnheimen<br />

entsprechend war man um diese Zeit bestrebt, die<br />

Handels- beziehungsweise die Handwerkskammer an den Kosten<br />

des Betriebes zu beteiligen, denn – so der Senator für Wohlfahrt<br />

van Heukelum – »da ein Lehrlingswohnheim so gut wie ausschließlich<br />

für den Nachwuchs des Betriebes ist, dürfte es auch im<br />

wesentlichen Aufgabe der Kammern sein, für ein solches Lehrlingswohnheim<br />

zu sorgen.« 201 Nach Schließung des Lagers und dem<br />

Auszug der Mädchen aus dem Haus Neuland wurde dieses seit<br />

1951 als Lehrlings- und Jugendwohnheim für »junge stetige<br />

Arbeiter« und als Ersatz für die Unterbringung der Jugendlichen<br />

aus dem Halmer Weg genutzt. 202 Etwa gleichzeitig eröffnete als<br />

weiteres LWH das Lehrlingsheim Grohn. Zur Begründung der<br />

beiden Neueröffnungen hieß es:<br />

»Beide Heime wurden erworben bzw. hergerichtet zum<br />

Zwecke der Ausbildung und Heranziehung eines geeigneten<br />

Facharbeiter-Nachwuchses. Hier wird jungen Flüchtlingen,<br />

die bisher bei ihren Angehörigen ausserhalb der Stadt untergebracht<br />

waren, wo eine Möglichkeit zu einer Fachausbildung<br />

nicht bestand, durch die Bereitstellung einer Unterkunft<br />

in Bremen Gelegenheit zu einer Berufsausbildung<br />

gegeben. Die Stadt übernimmt diese Pflicht aus jugendfürsorgerischen<br />

Gründen mit dem Ziel, eine Verwahrlosung<br />

dieser Jugendlichen zu verhindern.« 203<br />

Die monatlichen Kosten pro Lehrling von 90 DM bestritt zum<br />

größeren Teil (50 DM) die Arbeitsverwaltung, und der Rest<br />

stammte aus Zuschüssen der Lehrherren und aus dem verdienten<br />

Arbeitslohn der Lehrlinge »unter Belassung eines angemessenen<br />

Taschengeldes.« 204<br />

Aufgenommen werden konnten zusammen 100 Jugendliche in<br />

den Lehrlingswohnheimen und weitere 45 in der Jungarbeiterabteilung<br />

des neu gestalteten Hauses Neuland. Während die<br />

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