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In Bremerhaven konnte das ebenfalls aus dem NSV-Vermögen<br />

zurück gegebene städtische Säuglingsheim Speckenbüttel<br />

ungehindert seine Betreuungsarbeit fortführen. Unter der ärztlichen<br />

Leitung einer Kinderärztin, die durch ihre NS-Vergangenheit<br />

erheblich vorbelastet war, aber erst 1952 entlassenen<br />

wurde, nahm es 40 Säuglinge und Kleinkinder bis zum dritten<br />

Lebensjahr auf. Im Jahr 1948, hieß es rückblickend, bot das<br />

Heim »ein trostloses Bild. Unzweckmäßige Einrichtungen, erneuerungsbedürftige<br />

Einrichtungsgegenstände, schadhafte Wände etc.<br />

ließen dieses Bild entstehen.« 172<br />

Die alten Waisenhäuser und die städtischen<br />

Kinderwohnheime<br />

Ohne die relativ unbeschädigten jahrhundertealten Waisenhäuser<br />

St. Petri für Jungen und Alten Eichen für Mädchen wäre<br />

eine Versorgung der vielen hilfsbedürftigen Kinder in den ersten<br />

Nachkriegsjahren undenkbar gewesen. 173 Auch sie konnten<br />

ihre Arbeit ungehindert fortführen, sahen sich aber mit extrem<br />

hohen materiellen wie personellen Belastungen konfrontiert.<br />

Das schlug sich auch in der pädagogischen Arbeit nieder. Die<br />

Hausväter, Diakone, waren in ihren beruflichen Orientierungen<br />

vom Nationalsozialismus nicht unbeeinflusst geblieben, und<br />

die Behörden warfen ihnen ein wenig kindgerechtes Verhalten<br />

vor. 174 Die Personaldecke war so eng, dass die Leitung in Alten<br />

Eichen die Mithilfe der über 14-jährigen Mädchen in der Hauswirtschaft<br />

benötigte. Neu angeworbene junge Erzieherinnen für<br />

das St. Petri Waisenhaus, berichtete eine damals im St. Petri Waisenhaus<br />

kurzfristig beschäftigte Erzieherin, verließen das Haus<br />

bald nach Anstellung wieder fluchtartig, weil sie den noch vorherrschenden<br />

Drill der Kinder nicht ertragen konnten. 175 Auf<br />

Drängen des Jugendamtes wurden Ende der 1940er Jahre die<br />

Hausväter abgelöst und durch neue Leitungspersonen ersetzt.<br />

Von den pädagogischen Problemen der Waisenhäuser abgesehen,<br />

waren ihre Kapazitäten viel zu gering, um die vielen in Not<br />

befindlichen Kinder betreuen zu können. Senat und Jugendamt<br />

entschlossen sich daher bereits im Dezember 1945, ein privates<br />

Gebäude in der Horner Straße anzumieten, um wenigstens die<br />

dringlichsten Fälle versorgen zu können. Hier wurden 32 heimatlose<br />

Kinder im Vorschul- und Schulalter versorgt. Zunächst<br />

ergänzend und später ersetzend, nahmen die Behörden für<br />

Zwecke der Kinderfürsorge 1946 zudem ein Schullandheim im<br />

Kreis Ottersberg unter Vertrag, das Kinderheim Everinghausen.<br />

Wenig später verpflichtete die Stadt zudem ein kleines<br />

Kinderheim in der Bremer Wollkämmerei, das im Krieg dem<br />

Unternehmen als Betriebskinderheim gedient hatte und mit<br />

einer Kindertagestätte verbunden war. Als 1946 die im Krieg<br />

anderweitig genutzten Gebäude Marcusallee 9 und Metzerstraße<br />

30 dem Senat aus dem NSV-Vermögen zurückgegeben<br />

wurden, begann deren Herrichtung zu städtischen Kinderwohnheimen<br />

(KWH). Ihre Eröffnung erfolgte zum Oktober 1947<br />

und April 1948. Man hatte sich von vornherein um Leitungspersonen<br />

bemüht, die sich reformpädagogischen Prinzipien verpflichtet<br />

fühlten. 176 Beschlossen wurde, die Heime als familienorientierte<br />

Heime mit alters- und geschlechtsgemischten<br />

Gruppen für je 15 Kinder zwischen etwa drei und 14 Jahren zu<br />

führen und jeder Gruppe eine feste Bezugsperson, eine mit den<br />

Kindern Tür an Tür lebende Erzieherin, zuzuordnen.<br />

Weitere Neugründungen erfolgten 1948 und 1950. Im September<br />

1948 konnte das KWH Schönebeck mit drei Gruppen für je<br />

zwölf sechs bis 14-jährige Kinder, zwei Gruppen für Jungen,<br />

eine für Mädchen und mit einer kleinen Heimschule eröffnet<br />

werden. Als besonderes Ereignis wurde 1950 die Einweihung<br />

des KWH Fichtenhof in einem gediegenen Fachwerkhaus auf<br />

einem parkähnlichen Gelände für drei Kindergruppen gefeiert.<br />

In ihm sollte die Familiengliederung der Kinderwohnheime auf<br />

eine noch realistischere Grundlage gestellt werden. Jede Kindergruppe<br />

verfügte über einen abgeschlossenen Trakt mit<br />

Wohnzimmer, Kinder-Schlafräumen, einem Erzieherinnenzimmer,<br />

einer Kinderküche und einem Badezimmer. Auch dieses<br />

Heim, gedacht für die langfristige Betreuung familienloser oder<br />

familiengelöster Kinder, erhielt eine Heimschule. Mit der Eröffnung<br />

des Fichtenhofs war die Neugestaltung der städtischen<br />

Kinderfürsorge in Heimen abgeschlossen. Ende 1950 konnten<br />

die kommunalen Heime bis zu 185 Kinder aufnehmen. Das<br />

Hauptproblem war und blieb noch lange die Überforderung<br />

der schlecht bezahlten meist jungen Erzieherinnen und der entsprechend<br />

hohe Personalwechsel.<br />

In Bremerhaven stand mit dem Kinderheim Hohewurth vor<br />

den Toren der Stadt auf niedersächsischem Gebiet lediglich ein<br />

Kinderwohnheim zur Verfügung. Das von der Stadt 1941 erworbene,<br />

seit 1944 von der NSV betriebene Heim war für 45 Kinder<br />

im Alter zwischen drei und 14 Jahren konzipiert. Die Leitung<br />

übernahm eine Dame, die ihrer beruflichen Herkunft nach<br />

»Irrenpflegerin« (Examen 1933) »staatlich geprüfter Desinfektor«<br />

(Examen 1937) »und staatlich geprüfte Krankenschwester« (Examen<br />

1941) war. 177 Weder beim Bremerhavener Magistrat noch<br />

beim Bremer Landesjugendamt, das eine Zeitlang die Heimaufsicht<br />

führte, erfreute sich das Haus einer besonderen Wertschätzung.<br />

Eine stadtbremische Delegation attestierte dem<br />

Heim noch Anfang 1950 einen »absolut verwahrlosten Zustand«,<br />

völlig unzureichende hygienische Zustände und den »Charakter<br />

einer Bewahranstalt« für eine bunte Mischung von Kindern, teils<br />

mit »krimineller oder sittlicher Gefährdung usw.« 178<br />

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