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Entwicklungen in den Heimen für Säuglinge,<br />

Mütter und Kleinkinder<br />

Die Säuglingsheime büßten mit Beginn der 1950er Jahre zunehmend<br />

an Renommee ein. Man war sensibler für Fragen des Hospitalismus<br />

und die Folgen des Mutterverlustes geworden. Die<br />

bremische Jugendhilfepolitik setzte entsprechend darauf, die<br />

Kinder so oft wie möglich bei ihren Müttern zu lassen und diese<br />

materiell und durch Betreuungshilfen zu entlasten. Säuglingsheime<br />

blieben dennoch unentbehrlich, zumal man sich um<br />

diese Zeit zur Einrichtung von Kinderkrippen, obwohl manchmal<br />

gefordert, mit dem Argument, dass auch diese für Kleinstkinder<br />

schädlich seien, noch nicht entscheiden konnte. 260 So<br />

verzeichnete allein das Aufnahmebuch des Mütter- und Säuglingsheims<br />

Tenever für 1954 weiterhin 174 Neuaufnahmen.<br />

Konzeptionell bemühte man sich zumindest in den vier Heimen<br />

des Vereins Bremer Säuglingsheime, wenn einem Bericht<br />

des Weser Kurier zum 50-jährigen Jubiläum des Vereins Glauben<br />

geschenkt werden kann, darum, von der Massenversorgung<br />

der Säuglinge abzurücken. 261 Im Bericht hieß es:<br />

»In allen vier Heimen – am Fuchsberg, Oberneuland, in<br />

Tenever und in der Kirchbachstraße – gewinnt man den<br />

wohltuenden Eindruck, daß sie alles andere als einen<br />

»Anstaltscharakter« haben. In nach dem Alter zueinander<br />

passenden kleinen Gruppen leben die Kinder zusammen.<br />

Blitzende Sauberkeit überall – aber keine »Anstaltssauberkeit«,<br />

die das Gemütliche und Wohnliche ausschlössen.<br />

Jeder Raum ist persönlich gestaltet, wie in kleinen Familien<br />

leben und wohnen die Kinder mit ihren Tanten.«<br />

Trotz solcher Meldungen gingen die Einweisungen in die Säuglingsabteilungen<br />

der Heime kontinuierlich zurück. Seit Ende der<br />

1950er Jahre wurden Säuglinge nur noch in Notfällen aufgenommen.<br />

An ihre Stelle traten zunehmend ältere Kleinkinder,<br />

beispielsweise solche, deren Eltern ihre Wohnung nach einer<br />

Räumungsklage verlassen mussten, eine Entwicklung, die bei<br />

den Heimen zunächst auf wenig Gegenliebe stieß. Eine erste<br />

Heimschließung – das Minna Bahnson Haus in Tenever – erfolgte<br />

1959. Das Jugendamt unterstützte die geplanten Umbauten<br />

nicht, da man das Heim nicht mehr als zeitgemäß betrachtete.<br />

Weniger von den neuen Tendenzen beeinflussen ließen sich<br />

das St. Theresienhaus sowie das Bremerhavener Säuglingsheim.<br />

Das St. Theresienhaus profitierte von seiner eigenständigen<br />

Aufnahmepolitik und der Aufnahme von Selbstzahlerinnen<br />

sowie von der Nähe zur Nord-Bremer Industrie. Da man zudem<br />

auf Heimaufsichtsklagen wegen teils schlecht für die Versorgung<br />

von Müttern und Säuglingen geeigneter Räumlichkeiten<br />

umgehend mit Um- und Erweiterungsbauten reagierte, wurden<br />

auch behördlicherseits keine Klagen mehr vorgebracht. Die<br />

Einrichtung einer eigenen Entbindungsstation (1959) brachte<br />

zudem zusätzliches Klientel ins Haus. Einbüßen musste man in<br />

diesem Jahr hingegen die Anerkennung als Ausbildungsstätte<br />

für das praktische Jahr »am gesunden Kind« in Kooperation mit<br />

der Kinderklinik, sodass es in der Folgezeit zu personellen Problemen<br />

kam.<br />

Das Bremerhavener Säuglingsheim Speckenbüttel kam trotz<br />

der Grundrenovierung nach 1948 auch in den 1950er Jahren<br />

nicht zur Ruhe. Der Pflegesatz explodierte zum Schrecken des<br />

Magistrats von 5,50 DM am Tag im Jahr 1951 auf 7 DM täglich<br />

im Jahr 1953, wobei man »mit dieser nicht unerheblichen Summe,<br />

noch nicht einmal etwas Positives erreicht hat« und zudem festzustellen<br />

sei, »daß besonders kleine Kinder, die in Heimen betreut<br />

werden, in ihrer Entwicklung erheblich zurückbleiben und sogar<br />

an ›Hospitalismus‹ leiden.« 262 Begleitet wurde solche Kritik das<br />

ganze Jahrzehnt über von einer fieberhaften Suche nach Alternativen,<br />

etwa in Pflegenestern oder durch Übertragung des<br />

Heims auf einen Freien Träger oder an die Kinderklinik. Als<br />

alternative Einsparmöglichkeiten galten die Beschäftigung von<br />

mehr Praktikanten, die Einstellung eines Rentners als Hausmeister<br />

und die Aufgabe der Personalzimmer. Das einzige, was<br />

in diesem Jahrzehnt realisiert werden konnte, war, neben der<br />

Einstellung eines Rentners als Hausmeister, die Erhöhung der<br />

Platzzahl auf 30 und später auf 40.<br />

Entwicklungen in den kommunalen<br />

Kinderwohnheimen<br />

Anfang 1951 gab es in den vier stadtbremischen kommunalen<br />

Kinderwohnheimen 185 Plätze, von denen 175 belegt<br />

waren. Als Heimleiterinnen und ihre Stellvertreterinnen (diese<br />

waren gleichzeitig auch Gruppenerzieherinnen) waren sechs<br />

Jugendleiterinnen eingestellt. Für die Gruppenbetreuung standen<br />

14 Kindergärtnerinnen, zwei Kindergartenpraktikantinnen<br />

und zehn Vorschülerinnen zur Verfügung. 263 Auf die 14 bestehenden<br />

Gruppen entfielen also 28 pädagogisch tätige Mitarbeiterinnen.<br />

Hinzu kamen fünf Wirtschafterinnen, eine Wäschebeschließerin<br />

und, als einziger Mann, ein Hausmeister im KWH<br />

Marcusallee. Die Überbeanspruchung der Gruppenleiterinnen,<br />

die trotz formeller 48-Stundenwoche, da sie mit im Haus lebten,<br />

praktisch immer im Dienst waren, führte in diesem Jahr<br />

erstmals zu einer vorsichtigen Anfrage, ob ihnen nicht als Ersatz<br />

ein Zuschlag zum Urlaub gewährt werden könne. 264<br />

Hatte man in den ersten Nachkriegsjahren die Heimerziehungsbedürftigkeit<br />

von Kindern noch primär mit der wirtschaftlichen<br />

Not und dem Chaos der Zeit begründet, so begann man mit<br />

Beginn der 1950er Jahre, die Ursachen auch im Innern der Familie<br />

zu suchen:<br />

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