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4.2 Jugendhilfe und Heimerziehung in den 1950er Jahren<br />
4.2.1 Allgemeine Rahmenbedingungen<br />
Die 1950er Jahre waren ein Jahrzehnt der allmählichen wirtschaftlichen<br />
Erholung und politischen Stabilisierung. 179 Gleichzeitig<br />
verschärften sich die politischen und gesellschaftlichen<br />
Spannungen. Die sozialen Entwicklungen in der Stadt Bremen<br />
waren – wegen eines unerwartet hohen Zuzugs von Flüchtlingen<br />
aus der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und Vertriebenen<br />
aus den ehemaligen Ostgebieten Deutschlands – geprägt<br />
von einem enormen Bevölkerungswachstum. 180 Entsprechend<br />
hoch war die Wohnungsnot. 1952 lebten noch rund 40.000 Personen,<br />
unter ihnen viele Ausgebombte, in zu Wohnzwecken<br />
provisorisch hergerichteten Parzellenlauben. 181 Auch wenn sich<br />
die Situation mit dem ersten großen Neubauprojekt der Stadt<br />
entschärfte, blieb die Wohnungsfrage noch bis in die 1960er<br />
Jahre heikel. 182<br />
Dank der wieder hergerichteten Häfen und Werften, des aufblühenden<br />
Groß- und Außenhandels und der gesteigerten Binnennachfrage<br />
der vielen Zugezogenen gab es, auf das ganze Jahrzehnt<br />
bezogen, ökonomisch eine nur gelegentlich unterbrochene<br />
kontinuierliche Aufwärtsbewegung. Die Bevölkerung profitierte<br />
von dem allgemeinen Wirtschaftboom, die Unternehmen dabei<br />
aber stärker als die Beschäftigten. Die Stundenlöhne in der<br />
Werftindustrie stiegen erst nach einem Streik 1953 an, und auch<br />
in anderen Branchen setzten die Gewerkschaften erst nach 1955<br />
einige Verbesserungen durch. Die Beschäftigtenzahl stieg allerdings<br />
während des Jahrzehnts insgesamt um 57 Prozent. Diese<br />
Zahl lag über dem Durchschnitt des Bundesgebietes und entsprechend<br />
günstig entwickelte sich die Arbeitslosenquote. 183<br />
Bereits 1955 herrschte nahezu Vollbeschäftigung. Ab 1959 wurden<br />
erstmalig ausländische Arbeitskräfte angeworben.<br />
Die politischen Verhältnisse blieben in Bremen in den 1950er<br />
Jahren unter Bürgermeister Wilhelm Kaisen vergleichsweise stabil.<br />
Bis die SPD 1959 die absolute Mehrheit erlangte, regierte<br />
eine Koalition von SPD und bürgerlichen Parteien und hielt die<br />
Verschuldung des Landes auf sehr niedrigem Niveau. Politische<br />
Aufregungen gingen mit dem Verbot der Kommunistischen Partei<br />
(KPD) im Jahr 1955 sowie – anlässlich der Wiederbewaffnung<br />
der Bundeswehr – mit der Kampagne »Kampf dem Atomtod«<br />
1958 einher.<br />
4.2.1.1 Das Wohlfahrts- und Jugendwesen<br />
in den 1950er Jahren<br />
Nach einer Übergangszeit (1951 – 52) wurde die sozialdemokratische<br />
Bürgerschaftsabgeordnete Annemarie Mevissen zur Senatorin<br />
für das Jugendwesen berufen, sodass eine Trennung vom<br />
Wohlfahrtswesen vollzogen war. 184 Die Senatorin blieb in ihrer<br />
Tätigkeit allerdings auf die Verwaltung des Senators für das<br />
Wohlfahrtswesen angewiesen, hatte sich in ihrer Politik sowohl<br />
mit diesem wie auch – im Bereich der Jugendförderung – mit<br />
dem Senator für das Bildungswesen abzustimmen und verfügte<br />
über keine eigene Deputation für Jugend. Erst ab 1955 konnte<br />
die Senatorin über eine Deputation für die Jugendfürsorge und<br />
Jugendförderung verfügen, eine eigenständige Jugendpolitik<br />
entwickeln und gegenüber dem Gesamtsenat vertreten. Ihr<br />
Ressort erhielt 1958 zusätzlich die Sportförderung und bei einer<br />
neuen Ressortverteilung 1959 schließlich die volle Zuständigkeit<br />
für das gesamte Wohlfahrts- und Jugendwesen. 185<br />
Schwerpunkte der Tätigkeit des Ressorts bildeten in den ersten<br />
fünf Jahren des Jahrzehnts Reaktionen auf den geteilten Arbeitsmarkt<br />
(siehe unten), der Aufbau eines positiven Jugendschutzes<br />
beispielsweise durch den Aufbau einer Jugendvolkshochschule,<br />
die Jugendpflege inklusive eines internationalen Jugendaustauschs<br />
und schließlich Versuche zur Qualifizierung und Differenzierung<br />
pädagogischer Arbeit in der Jugendfürsorge. Durch die<br />
amerikanische Besatzungsmacht wurde in dieser Zeitspanne<br />
zudem der fachpolitische Grundstein für die Schaffung von<br />
Jugendfreizeitheimen gelegt.<br />
In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts engagierte sich die Senatorin<br />
schwerpunktmäßig für die Qualifizierung der Jugendpflege<br />
und den Ausbau prophylaktischer Maßnahmen in Form<br />
von Kinderspielplatzbau und sozialer Gruppenarbeit für gefährdete<br />
Jugendliche. 186 Die Jugendfürsorge spielte dem gegenüber<br />
eine geringere Rolle. Dies änderte sich erst zu Beginn der<br />
1960er Jahre.<br />
Zur Arbeit des Landesjugendamtes in den 1950er Jahren liegen<br />
kaum Informationen vor. Der Dienststellenleiterin standen<br />
zunächst nur wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur<br />
Seite. 187 Das Amt übernahm zu diesem Zeitpunkt konzeptionelle<br />
Aufgaben für das Land und für übergeordnete Gremien<br />
auf Bundesebene (Befassung mit dem Bundesjugendplan, Erarbeitung<br />
von Stellungnahmen zur Reform des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes),<br />
die Beaufsichtigung von Minderjährigen<br />
in bremischen Wohn- und Erziehungsheimen sowie Kindertagesstätten,<br />
die Zusammenarbeit mit den Freien Trägern und<br />
die Genehmigung neuer Einrichtungen. Wie die Beaufsichtigung<br />
erfolgte, ist nicht dokumentiert. Der Senatsbericht für das<br />
Jugendwesen aus dem Jahr 1959 vermerkte lediglich, dass es<br />
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