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schen in schwierigen Lebenslagen und Lebenssituationen und<br />
als »Expertinnen und Experten« für ihr eigenes Leben betrachtet<br />
und ihre subjektiven Lösungsversuche und Perspektiven<br />
möglichst zum Ausgangspunkt für die Hilfeplanung und Ausgestaltung<br />
der Hilfen genommen werden. Entsprechend werden<br />
Verhaltensauffälligkeiten nicht mehr als schuldhaftes Verhalten<br />
eines einzelnen jungen Menschen angesehen, sondern als<br />
funktional innerhalb eines bestimmten sozialen Kontextes<br />
betrachtet. Aus dieser Sichtweise heraus geht es nicht darum,<br />
Eltern oder die Kinder und Jugendlichen zu bestrafen, sondern<br />
darum, ihnen positive Anreize für Weiterentwicklung und neue<br />
Lebensperspektiven zu eröffnen. Zu diesem fachlich modernen<br />
Ansatz gehört ferner, den Kindern und Jugendlichen ihre familiären<br />
Bindungen möglichst zu erhalten und diese zu fördern.<br />
Damit sollen die auch bei notwendiger Betreuung außerhalb<br />
der Familie bestehenden Bindungen und Bindungsbedürfnisse<br />
der jungen Menschen zu ihrer Herkunftsfamilie erhalten und<br />
unterstützt und auch die nie völlig vermeidbaren negativen<br />
Auswirkungen einer Heimerziehung – häufiger Wechsel der Erziehungspersonen,<br />
Wechsel des Lebensortes und andere Brüche –<br />
abgemildert werden. Gleichzeitig werden Kinder, die schon in<br />
frühem Alter aus der Familie genommen werden müssen und<br />
langfristig in öffentlicher Erziehung verbleiben, möglichst vorrangig<br />
in familiennahe Systeme, wie Pflegefamilien, Erziehungsstellen<br />
oder Kleinsteinrichtungen<br />
vermittelt. Das Konzept<br />
beinhaltet ferner, die Rückkehr<br />
der Minderjährigen in ihre Familie<br />
aktiv zu betreiben. Für Jugendliche,<br />
die nicht in ihre Familie<br />
zurück kehren können, soll der<br />
Übergang aus der Heim erziehung<br />
in ein eigenverantwortliches<br />
Leben durch frühes Erlernen von<br />
Selbständigkeit vorbereitet werden.<br />
Hierzu unterstützen die Heime bereits im Heimalltag die<br />
Kinder und Jugendlichen bei der Erlangung von Selbständigkeit<br />
und Autonomie. Zudem existiert ein breit gefächertes Angebot<br />
an betreuten Wohnformen wie Jugendwohngemeinschaften,<br />
Betreuung in der eigenen Wohnung und verschiedene Formen<br />
der Nachbetreuung. Jugendwohngemeinschaften, in denen<br />
Jugendliche ab 16 Jahren gemeinsam leben und üben können,<br />
ihr Miteinander eigenverantwortlich zu gestalten, entstanden,<br />
wie bereits beschrieben, in Bremen bereits in den frühen 1970er<br />
Jahren; weitere Betreuungsformen wurden in den 1980er Jahren<br />
eingeführt.<br />
Schlussbemerkung<br />
Das Auseinanderbrechen und<br />
die Überforderung vieler Familien<br />
führte in den letzten Jahren<br />
zu einem kontinuierlich Anstieg<br />
der Inobhutnahmen und<br />
Heim einweisungen.<br />
Die seit der Nachkriegszeit eingetretenen grundlegenden Veränderungen<br />
in der Jugendhilfe und insbesondere auch in der<br />
Heimerziehung sind unverkennbar. Gleichzeitig zeigt sich aber<br />
auch, dass fachliche Erkenntnisse, die sich aus dem Reformprozess<br />
– flankiert von gesetzlichen Veränderungen – ergeben<br />
haben, in der Praxis nicht immer nachhaltig umgesetzt werden<br />
konnten. Die vom Gesetzgeber mit dem Sozialgesetzbuch Acht<br />
(SGB VIII) – Kinder- und Jugendhilfe – verfolgten Intentionen,<br />
über gesetzliche Sozialleistungsansprüche die Rechte der Eltern<br />
und durch den Ausbau ambulanter und präventiver Leistungen<br />
insbesondere den Zusammenhalt der Familie zu stärken, erzielen<br />
nur bedingt die beabsichtigten Wirkungen. Das Auseinanderbrechen<br />
und die Überforderung von Familien und damit<br />
auch die Zahl der Inobhutnahmen und der Heimunterbringungen<br />
steigen gerade in den letzten Jahren, nicht nur im Land<br />
Bremen, kontinuierlich an und weisen auf übergreifende gesellschaftliche<br />
Handlungsbedarfe in der Familien- und Sozialpolitik<br />
hin. Hier ist zum Beispiel auf den hohen Anteil notwendiger Hilfen<br />
zur Erziehung für Alleinerziehende und die Verteilung der<br />
Hilfen nach Einkommens- und Sozialstatus hinzuweisen.<br />
Die Herausnahme eines Kindes aus der Familie ist und bleibt ein<br />
entscheidender biografischer Einschnitt, der für den Lebensweg<br />
des jungen Menschen nachhaltige<br />
emotionale und soziale<br />
Konsequenzen hat, die auch im<br />
Rahmen engagierter und qualifizierter<br />
institutioneller Erziehung<br />
nur teilweise kompensiert werden<br />
können. Warum sie nicht bei den<br />
Eltern leben können, ist auch<br />
heute für viele Heimkinder eine<br />
existentielle Frage.<br />
Trotz der konzeptionellen Weiterentwicklung der Einrichtungen<br />
in Richtung familienähnlicher Erziehung, trotz einer erheblich<br />
verbesserten personellen und materiellen Ausstattung und<br />
trotz der zunehmenden Öffnung der Institutionen nach außen<br />
haben viele Bürgerinnen und Bürger nach wie vor ein veraltetes,<br />
oft negatives Bild von der Heimerziehung und von den Kindern<br />
und Jugendlichen, die in einer Einrichtung leben. Dazu<br />
tragen letztendlich auch die Medien entscheidend bei. Bei<br />
allem unbestrittenen Vorrang ambulanter und familienbezogener<br />
Hilfen ist Heimerziehung oft eine gute, notwendige, geeignete<br />
und wirksame vorübergehende oder längerfristig erforderliche<br />
Hilfe, die jungen Menschen bessere Perspektiven und<br />
Chancen eröffnet.<br />
Kritische Fragen wirft weiterhin jedoch die schulische Förderung<br />
und berufliche Integration heimentlassener Jugendlicher<br />
auf. Durch ihre Lebenslage haben viele dieser jungen Menschen<br />
auch besondere schulische Probleme und Förderbedarfe.<br />
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