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Englischunterricht im Schlafanzug<br />
Zur Unterrichtung aller schulpflichtigen Kinder kam ein Lehrer<br />
in Absendung einer öffentlichen Schule nach Hohewurth.<br />
Die Kinder wurden alle gemeinsam unterrichtet.<br />
Manchmal erhielten die Kinder schon in Schlafkleidung<br />
Englischunterricht »Die Lehrerin hatte wohl nur abends Zeit<br />
für uns.« (G17, JA Bremerhaven, 1948 – 1950)<br />
Gefördert wurde nicht<br />
Er erinnerte sich an seine Schulzeit in St. Petri. Die Kinder<br />
wurden in der ausgebauten Heimschule unterrichtet. Unterricht<br />
erteilte ein gerade aus dem Krieg zurück gekommener<br />
Lehrer. »Der war gar nicht an uns interessiert, gleichgültig und<br />
didaktisch völlig daneben. Gefördert wurden wir in der Schule<br />
nicht.« (G28, JA Bremen, 1943 – 1951)<br />
Seit Mitte der 1960er Jahre wurde die schulische Förderung<br />
auch der Heimkinder zumeist ernster genommen. Besonders in<br />
den stadtbremischen kommunalen Heimen, seit den frühen<br />
1970er Jahren auch in manchem auswärtigen Heim Freier Träger,<br />
wurde es selbstverständlich, die Schülerinnen und Schüler<br />
ihrer Begabung gemäß zu beschulen. Drei der Gesprächspersonen,<br />
die in diesen beginnenden Reformjahren im Heim lebten,<br />
verließen das Heim dann auch mit dem Abitur. »Man war darum<br />
bemüht, mich solange wie möglich im Heim zu lassen, damit ich<br />
einen guten Schulabschluss bekomme«, berichtete eine Gesprächspartnerin<br />
aus dem Waisenhaus in Varel aus den frühen 1970er<br />
Jahren (G31). In einem Bremerhavener Familienkinderheim<br />
wurde ein Jugendlicher, nachdem er zunächst aus dem Heim<br />
ausgezogen war, erneut aufgenommen, um noch sein Abitur<br />
machen zu können (G22, Ja Bremen, 1964).<br />
3.3.8 Arbeit und Beschäftigung im<br />
Heim<br />
Arbeit spielte aus zwei Gründen in der Heimerziehung eine zentrale<br />
Rolle. Zum einen waren viele Heime finanziell auf die<br />
Arbeit der Heimkinder und die damit verbundenen Einkünfte<br />
angewiesen. Zum anderen galt Arbeit als ein zentrales Instrument<br />
der Erziehung. Über Arbeit sollten Kinder und Jugendliche<br />
an ein für die Gesellschaft produktives Leben gewöhnt werden.<br />
Die Arbeit im Heim nahm dabei, je nach Heimtypus, dem Alter<br />
der Kinder oder Jugendlichen und den Besonderheiten des<br />
jeweiligen Heims, mit Variationen auch in den Jahrzehnten des<br />
Berichtszeitraums, sehr unterschiedliche Formen an. Unterscheiden<br />
lassen sich insbesondere Arbeitseinsätze für weibliche<br />
Jugendliche, männliche Jugendliche und für Kinder.<br />
Arbeitsbereiche für weibliche Jugendliche<br />
Mädchen und junge Frauen wurden vor allem in Bereichen, die<br />
dem weiblichen Rollenideal und der ihnen zugedachten Rolle als<br />
späterer Ehefrau, als Hausangestellte oder ungelernte Industriearbeiterin<br />
entsprachen, eingesetzt. Die wichtigsten Tätigkeiten<br />
stellten das Putzen sowie Arbeiten in der Heimküche oder der<br />
Heimwäscherei dar. Auf diese Weise sparte man am Hauspersonal.<br />
Häufig erbrachten sie aber auch Dienstleistungen für andere<br />
Einrichtungen des Trägers.<br />
Kordeln im Akkord einfädeln<br />
Nachdem das Mädchen zunächst in der Metzerstraße, dann<br />
bei einer Pflegefamilie und im Dorotheenheim untergebracht<br />
worden war, gelangte sie im Alter von 15 Jahren aus<br />
disziplinarischen Gründen ins Isenbergheim. Dort hatte die<br />
junge Frau zunächst als Hausmädchen in Haus und Küche zu<br />
arbeiten. Später wurde sie für einen Arbeitsauftrag vom<br />
Heim in einer Außenfirma eingesetzt: Kordeln im Akkord in<br />
Nachthemden einfädeln. (G21, JA Bremen, 1970 – 1972)<br />
Waschen, Mangeln und Prügel<br />
Nach mehreren Stationen in unterschiedlichen Heimen<br />
wurde das 14-jährige Mädchen in das geschlossene Mädchenheim<br />
»Birkenhof« abgeschoben. »Ich musste da in der<br />
Wäscherei arbeiten, für mich eine viel zu schwere Arbeit. Ich<br />
hatte zu kurze Arme, um die Wäschestücke richtig fassen zu<br />
können, und sie waren sehr schwer, weil sie noch nass waren.<br />
Mit einem größeren Mädchen zusammen musste ich die Wäsche<br />
nach dem Mangeln auch zusammen legen. Wenn das größere<br />
Mädchen etwas fester zog, fiel ich hin. Die Wäsche fiel runter,<br />
und ich bekam Prügel.« (G20, JA Bremerhaven, ca. 1956)<br />
Andere Gesprächspartnerinnen äußerten zu dieser Art von<br />
Tätigkeiten: »Wir mussten [in dem geschlossenen Heim Schloss<br />
Allmer in Hennef-Sieg] putzen und mangeln. Wir durften nichts<br />
lernen. Man wurde verblödet« (G3, JA Bremen, 1965). Zum Dorotheenheim<br />
hieß es: »In der ersten Zeit war ich nur – statt mich als<br />
13-Jährige in die Schule zu schicken – mit dem Schrubben des Parkettfußbodens<br />
beschäftigt. Das musste immer völlig wort- und lautlos<br />
vollzogen werden. Damit wir nicht untereinander reden konnten,<br />
mussten wir beim Schrubben immer von unterschiedlichen Seiten<br />
beginnen« (G21, JA Bremen, 1969).<br />
Arbeitsbereiche für männliche Jugendliche<br />
Für männliche Jugendliche in Erziehungsheimen bildete manchmal<br />
sehr schwere körperliche Arbeit, acht Stunden und mehr<br />
am Tag, das entscheidende Erziehungsmittel. Teilweise galt ihre<br />
Tätigkeit als reguläre Arbeit, häufiger aber wurde sie – pädagogisch<br />
verbrämt – als ›Arbeitstherapie‹ deklariert. Von den so<br />
eingesetzten Jugendlichen stammen entsprechend die meisten<br />
Vorwürfe, um Arbeitslöhne oder Sozialversicherungsbeiträge<br />
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