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Während die kurzfristige Versorgung aufgegriffener Mädchen<br />
nach dem Krieg zunächst das Isenbergheim und bis 1950 das<br />
Mädchenheim Haus Neuland übernommen hatten, fehlte für<br />
die Jungen eine entsprechende Einrichtung. Zur Behebung dieses<br />
Mangels wurde 1952 den bestehenden Abteilungen des<br />
jetzt als Lehrlings- und Jungarbeiterheims für Jungen fungierenden<br />
Hauses Neuland als weitere Abteilung eine Auffangstation<br />
für männliche Jugendliche hinzugefügt. Versorgt<br />
wurden durchschnittlich 15 Jugendliche bis zur Entscheidung<br />
über ihren weiteren Verbleib. Der Pädagogische Jahresbericht<br />
der Kinder- und Jugendheime für 1954 führte zu dieser Abteilung<br />
aus:<br />
»Die Jugendlichen werden aufgegriffen und nach wenigen<br />
Tagen entscheidet sich, ob sie wieder nach Hause zurück<br />
müssen oder wie sonst verfahren werden soll. Ausreißer,<br />
die ein geordnetes Zuhause haben, müssen zurück und die<br />
wenigsten Jugendlichen bleiben hier. Die pädagogische<br />
Betreuung ist daher zunächst eine betreuende Aufsicht. Erst<br />
später, wenn der Jugendliche hier bleibt und er inzwischen<br />
in Arbeit vermittelt ist, setzt eine stärkere pädagogische<br />
Betreuung ein. Der Jugendliche muß an Ordnung, Sauberkeit<br />
und Pünktlichkeit gewöhnt werden. In seiner Freizeit<br />
soll er sich sinnvoll beschäftigen mit Sport, Literatur und<br />
geselligen Veranstaltungen. Der Erzieher muss sich um eine<br />
Arbeitsstelle bemühen, damit dort alles gut läuft und allmählich<br />
aus dem Strohmer ein Jugendlicher wird, der sich<br />
gut kleidet und in seinen Gewohnheiten sich zu benehmen<br />
weiß.« 234<br />
Die Abteilung wurde um 1959 aufgegeben. Einzelheiten zu seiner<br />
Arbeit zwischen Eröffnung und Schließung sind nicht bekannt.<br />
4.2.2.3 Institutionelle und konzeptionelle<br />
Entwicklung in den bestehenden Heimen<br />
Entwicklungen in den bremischen<br />
Fürsorgeerziehungsheimen<br />
Einen Einschnitt in die Alltagsroutine des Isenbergheims gab<br />
es durch die Schließung des städtischen Mädchenheims in der<br />
Neuenlander Straße zu Beginn des Jahres 1950. Das Heim<br />
musste eine Zeitlang zu den 25 bis 30 Mädchen in der Aufnahme-<br />
und Beobachtungsabteilung und den 25 Mädchen im<br />
Wohnheim noch neun ältere Jugendliche (20- bis 22-Jährige)<br />
aus diesem Heim aufnehmen. Die Folgen waren eine Überbelegung<br />
und neue pädagogische Schwierigkeiten, die sich aus<br />
dem Zusammenleben von älteren und jüngeren »mehr oder<br />
weniger gefährdeten« Mädchen ergaben. 235 Zu ihnen trug auch<br />
bei, dass die Beschäftigung der Mädchen wegen fehlender<br />
gewerblicher Aufträge für Strick-, Stick- und Näharbeiten zunehmend<br />
Schwierigkeiten bereitete, sodass man sich auf pädagogisch<br />
unerwünschte rein mechanische Arbeit einstellen musste.<br />
Schließlich fehlten weiterhin ausreichende Mittel für die weitere<br />
Instandsetzung des Gebäudes und die Erneuerung des notwendigen<br />
Inventars. 236<br />
Eine Ergänzung erhielt das Isenbergheim Anfang 1952 durch<br />
die Eröffnung des als Aufstockung eines bereits bestehenden<br />
Gartenhauses realisierten »Sonnenhauses«. Dieses diente als<br />
Lehrlingsheim für Mädchen mit 22 Plätzen »in hübschen kleinen<br />
Einzel- und Doppelzimmern«. Diese Neugründung erlaubte »unter<br />
Umständen Verlegungen, welche im Interesse der erziehlichen<br />
Aufgaben notwendig sind, da die Grenze zwischen gefährdeter<br />
und ungefährdeter Jugend heute nicht leicht zu ziehen ist.« 237<br />
Erst 1953 konnte die Heimleitung die noch aus der Zeit vor<br />
1945 stammenden Kinderbetten durch jugendgemäße Betten<br />
austauschen. Aus »pädagogischen Gründen, damit die Mädchen<br />
sowohl im Wohnheim als auch im Lehrlingsheim ihr Geschirr selber<br />
spülen können« – wurde eine Spülgelegenheit eingerichtet,<br />
zudem für das Sonnenhaus ein »sehr schöner Baderaum« realisiert<br />
und für alle diebessichere neue Schränke angeschafft, 238<br />
sodass jedes Mädchen über »seinen eigenen verschließbaren<br />
Schrank und seine kleine Kommode« verfügte. 239 Die Umgestaltung<br />
zu einem »schmucken« Heim, verbunden mit der Einstellung<br />
»pädagogisch erfahrenerer Mitarbeiterinnen in den letzten<br />
Jahren« ermöglichte nun auch die »Umwandlung des inneren<br />
Heimbetriebs entsprechend den erzieherischen Erfordernissen«<br />
insbesondere über gezielte Freizeitgestaltung wie »Bastelabende,<br />
kunsthandwerkliche Beschäftigungsmöglichkeiten und<br />
kleine Feste und Ausflüge in großer Zahl.« Darüber hinaus galten<br />
tradierte Maximen: Man sortierte die Mädchen nach »reif für<br />
einen Arbeitsversuch« oder zunächst einer »etwas festeren,<br />
geschlossenen Heimerziehung bedürftig«, beaufsichtigte sie bei<br />
der Arbeit in Haus, Küche, Bügelstube und Garten und unterrichtete<br />
sie dabei in Nadelarbeit und Wäschepflege. Letztlich<br />
galt es, sie »in mühevoller Kleinarbeit« an eine »natürliche Lebensführung«<br />
heranzuführen. 240<br />
Dennoch rissen die Klagen über die Mädchen, insbesondere im<br />
Aufnahmeheim, nicht ab:<br />
»Der falsch geleitete Freiheitsdrang der Mädchen und die<br />
Einsichtslosigkeit der Eltern macht sich gerade im Aufnahmeheim<br />
bemerkbar. Wie stark sich beide den Erziehungsnotwendigkeiten<br />
verschließen, ist uns in diesem Jahr deutlich<br />
geworden. Namentlich die in anderen Heimen entwichenen<br />
Mädchen, die wir aufnehmen müssen, machen uns<br />
viel zu schaffen, da es sich häufig um abwegige Naturen<br />
handelt.« 241<br />
Zusätzliche Probleme bereitete dem Heim die sich in Bremen<br />
durchsetzende Praxis der Einweisung der Mädchen auf Grund<br />
einer freiwilligen Vereinbarung mit den Eltern. Die jetzt häufiger<br />
ins Heim kommenden Eltern brachten neben dem Vorteil,<br />
»vielleicht das Mädchen in seinen Nöten besser zu verstehen«, vor<br />
allem Nachteile: 242<br />
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