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Tab. 1:<br />
Geburtsjahrgänge und Geschlecht der Gesprächspartner<br />
Jahrgang Frauen Männer Gesamt<br />
1934 – 1939 5 7 12<br />
1940 – 1945 7 9 16<br />
1946 – 1950 4 13 17<br />
1951 – 1955 3 8 11<br />
1956 – 1960 5 3 8<br />
1961 – 1965 3 2 5<br />
Später 0 1 1<br />
Gesamt 27 43 70<br />
Anliegen<br />
Die Anrufenden wurden nach ihren speziellen Gründen für eine<br />
Kontaktaufnahme und nach ihren Anliegen gefragt. Sie lassen<br />
sich, Haupt- und weitere Anliegen zusammengefasst, zu sechs<br />
Gruppen bündeln.<br />
Erstens: Die meisten der Anrufenden suchten – als Haupt- oder<br />
Nebenanliegen – nach Entlastung durch ein Gespräch (N = 30).<br />
Die Aufrufe in der Presse bildeten in diesem Zusammenhang<br />
häufig den Anlass für einen ersten Bruch des Schweigens und<br />
eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Geschehenen.<br />
Diese Ehemaligen begründeten ihren Anruf bei der Hotline und<br />
ihre Bereitschaft zu einem Gespräch mit dem Hinweis, ihre<br />
Geschichte »einfach erzählen« zu wollen oder Jemanden zu<br />
suchen, »der mir zuhört«. Sie wollten sich »erinnern und dabei<br />
vielleicht auch etwas aufarbeiten«.<br />
Zweitens: Für eine zweite Gruppe bildete die Suche nach Informationen<br />
das wichtigste Anliegen. Die Gesprächspersonen<br />
suchten nach Dokumenten und Hinweisen über die eigene<br />
Geschichte, den Verbleib von Eltern, Geschwistern oder früheren<br />
Bezugspersonen in einem Heim (Erzieher/-innen, frühere<br />
Kameraden/-innen). In diese Kategorie fallen auch Nachfragen<br />
und Bemühungen um konkrete Akteneinsicht als Haupt- oder<br />
Nebenanliegen. Unter den insgesamt 15 Personen dieser Gruppe<br />
befanden sich auch drei, die auf der Suche nach Informationen<br />
über ihre biographischen Wurzeln die Hotline anriefen. Diese<br />
Personen hatten ihre Eltern nie kennen gelernt. Nach oft schon<br />
jahrzehntelanger vergeblicher Suche bildete der Anruf einen<br />
weiteren Versuch, der eigenen Herkunft auf die Spur zu kommen.<br />
Für weitere Anrufende war die Suche nach Informationen<br />
über Aspekte ihrer Vergangenheit nicht derart existentiell, aber<br />
dennoch belastend. Sie suchten nach näherer Auskunft über<br />
die Gründe ihrer Heimeinweisung, wollten Näheres über Angehörige<br />
in Erfahrung bringen oder hofften auf Informationen<br />
über besondere Aspekte ihrer Zeit in der Jugendhilfe. Einige der<br />
Anrufenden hatten schon früher versucht, Akteneinsicht zu<br />
erlangen, waren damit aber gescheitert und erhofften jetzt<br />
endlich Unterstützung.<br />
Drittens: Elf Gesprächpersonen wollten als Haupt- oder weiteres<br />
Anliegen die Möglichkeiten finanzieller Wiedergutmachung<br />
beziehungsweise von Rentennachzahlungen wegen entgangener<br />
Arbeitsentlohnung im Heim erkunden. Es handelte sich überwiegend<br />
um ehemalige Heimkinder, die als Jugendliche in ihren<br />
Erziehungsheimen schwere Arbeit ohne reguläre Entlohnung<br />
verrichten mussten. In der Gruppe gibt es aber auch Personen,<br />
die in einem Heim sexuell missbraucht wurden. Sie fordern eine<br />
finanzielle Wiedergutmachung, betonen aber auch, dass das<br />
erlittene Unrecht hierüber nicht ausgeglichen werden kann.<br />
Viertens: Fünf Personen riefen die Hotline an, um der Negativberichterstattung<br />
in der Presse positive Erfahrungen entgegen<br />
zu setzen. Drei der Gesprächspersonen hatten in ihren Heimen<br />
überhaupt nur gute Erfahrungen gemacht. Zwei weitere warben<br />
um Verständnis dafür, dass es wegen der Zeitumstände gar nicht<br />
ideal sein konnte. Alle betonten, dass sie aus schrecklichen<br />
Familien herausgenommen worden seien, und ohne die Herausnahme<br />
nicht die positive Entwicklung hätten nehmen können,<br />
die sie tatsächlich genommen haben.<br />
Fünftens: Das Anliegen von vier Gesprächspersonen war eine<br />
Entschuldigung durch die damals Verantwortlichen und die<br />
Anerkennung erlittenen Leids. Sie erwarten, dass sich die Institutionen<br />
ihrer Verantwortung stellen, sich formell entschuldigen<br />
und – soweit noch möglich – die damals Verantwortlichen<br />
zur Rechenschaft ziehen.<br />
Sechstens: Der Wunsch nach konkreter Unterstützung zum<br />
Beispiel bei der Suche nach einem Therapieplatz oder in einer<br />
akut schwierigen Lebenssituation, war Anliegen von drei Personen.<br />
108 Diese ehemaligen Heimkinder blicken auf lange Leidensgeschichten<br />
zurück, hatten bislang aber keine Gelegenheit zur<br />
Aufarbeitung oder zum Vergessen gefunden.<br />
Die belegten Heime und andere Unterbringungsorte<br />
Die Anrufenden berichteten über ihre Erfahrungen und Erlebnisse<br />
in insgesamt 28 verschiedenen Heimen im Land Bremen<br />
sowie über 43 verschiedene Heime außerhalb des Landes Bremen.<br />
Die benannten Heime decken das gesamte Spektrum der damaligen<br />
Heimerziehung ab, wobei einige Heime lediglich kurz als<br />
ein Aufenthaltsort erwähnt wurden, über andere ausführlich<br />
berichtet wurde. 109<br />
Aus der Stadt Bremen berichteten die Gesprächspartner über<br />
(in Klammer: Anzahl der Nennungen):<br />
• die damaligen Säuglings- und Mütterheime im Verbund Bremer<br />
Säuglingsheime, das Säuglings- und Kleinkindheim Hermann<br />
Hildebrand Haus (2) und das Mutter- und Kindheim Osterholz-<br />
Tenever (1) sowie das katholische Säuglings- und Mütterheim<br />
St. Theresien (1)<br />
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