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Gegen das Vergessen<br />
Im Rückblick ist es aus politischer, vor allem aber aus menschlicher<br />
Sicht kaum vermittelbar, warum es erst in den letzten Jahren<br />
zu einer breiten gesellschaftlichen Aufarbeitung der Heimerziehung<br />
der Nachkriegszeit (1950 – 1970) kommt – und das auch<br />
nur auf nachhaltigen Druck von ehemaligen Heimkindern und<br />
Opfern körperlicher, seelischer und sexueller Gewalt. Wir wissen<br />
nicht erst seit den Runden Tischen auf Bundesebene, dass Betroffene<br />
selbst über erlittenes Unrecht und erlebte Traumata oft<br />
erst Jahre, wenn nicht Jahrzehnte später sprechen können. Auch<br />
dann noch bleibt häufig die Angst, nicht angehört zu werden<br />
und immer auch die Angst, dass Erlebtes nicht geglaubt wird.<br />
Zwar waren in Fachkreisen im Vorlauf der Reformbewegungen<br />
in der Heimerziehung auch zahlreiche Dokumentationen und<br />
kritische Publikationen zu unhaltbaren Zuständen in der Heimerziehung<br />
bekannt, speziell zu geschlossenen Einrichtungen für<br />
Fürsorgezöglinge, die als unerziehbar galten. Lange Zeit schien<br />
es aber hinnehmbar, die Geschichte der Heimerziehung und<br />
ihrer Opfer als Vergangenheit ruhen zu lassen. Dies auch im<br />
Vertrauen darauf, dass sich Missstände in einzelnen Einrichtungen<br />
bis hin zu systematischem Unrecht in öffentlicher Verantwortung<br />
nicht wiederholen. Zum einen, weil gesellschaftliche<br />
Haltungen sich verändert haben, flankiert durch spätere gesetzliche<br />
Novellierungen im Kinder- und Jugendhilferecht, zum<br />
anderen durch die gesetzliche Einführung des Rechtes auf<br />
gewaltfreie Erziehung.<br />
Was Recht und Unrecht ist, unterliegt immer auch gesamtgesellschaftlichem<br />
Wandel. Diese Erkenntnis darf aber nicht dazu<br />
verleiten, geschehenes Unrecht zu relativieren oder zu legitimieren.<br />
Auch die Bremer Dokumentation soll daher in erster Linie den<br />
ehemaligen Heimkindern das lange verwehrte öffentliche<br />
Gehör verschaffen. Die biographischen Berichte auf der Grundlage<br />
von persönlichen Interviews nehmen daher – wider das Vergessen<br />
– einen ganz zentralen Raum ein.<br />
Es ist mir ein persönliches Anliegen, den von Unrecht, Gewalt<br />
und Missbrauch betroffenen ehemaligen Heimkindern an dieser<br />
Stelle meine Anerkennung auszudrücken für den Mut, ihre persönliche<br />
Geschichte öffentlich zu machen. Die Dokumentation<br />
wird auch Grundlage sein, uns im Senat, in der Bürgerschaft<br />
und der breiteren Öffentlichkeit einer weiteren Aufarbeitung zu<br />
stellen.<br />
Die Beteiligung des Landes Bremen an einem gemeinsamen<br />
Fonds des Bundes, der Länder und der Kirchen ist dabei nur ein,<br />
aber auch ein notwendiger Bestandteil der Anerkennung dieses<br />
Leidens.<br />
Anja Stahmann<br />
Die Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen<br />
Auch wenn sich gesetzlich sowie in der Achtung von Kindern<br />
und Jugendlichen und ihrer persönlichen Rechte bis heute sehr<br />
viel entwickelt hat: Ganz aktuelle Aufdeckungen von Machtmissbrauch<br />
und sexueller Gewalt in Einrichtungen, Schulen,<br />
Internaten und Vereinen zeigen, wie wichtig es ist, sich durch<br />
gesellschaftliche Aufarbeitung der Vergangenheit dem erlittenen<br />
Unrecht Betroffener und ihrem anhaltenden Leid zu stellen.<br />
Die vorliegende Dokumentation zur Bremer Heimerziehung<br />
knüpft historisch an die Vorkriegsentwicklung an. Sie reflektiert<br />
die Heimerziehung der 50er bis 70er Jahre auch unter den<br />
damaligen Rechtsgrundlagen, dem damaligen Verständnis von<br />
Erziehung und institutionellem Auftrag sowie dem Selbstverständnis<br />
von Fürsorgeerziehung.<br />
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