1qDBULH
1qDBULH
1qDBULH
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Wenn sich eine persönliche Bindung entwickelt hatte, konnte<br />
der ständige Personalwechsel aber auch die Erfahrung eines<br />
weiteren Verlustes, gegebenenfalls mit langfristigen Folgen für<br />
die Fähigkeit, Vertrauensbeziehungen einzugehen, bedeuten.<br />
Verliebt in die Erzieherinnen<br />
Die Metzerstraße wäre für den Jungen seine Heimat gewesen,<br />
wenn es nicht so viele Erzieherinnen- und Praktikantinnenwechsel<br />
gegeben hätte. »Man verliebte sich ja immer wieder<br />
in eine Erzieherin und die ging dann Knall über Fall weg.«<br />
Irgendwann gab er es auf, tiefere Beziehungen zu suchen.<br />
Noch heute beklagt er, dass er nie eine feste Beziehung<br />
habe eingehen können und bringt das mit den vielen Erzieherwechseln<br />
in Verbindung. (G12, JA Bremen, 1961 – 1973)<br />
»Wenn ich heute darüber nachdenke…«<br />
Als Junge lebte der Gesprächspartner einige Jahre im Heim<br />
am Fuchsberg. Es war eine wunderschöne Zeit. Es gab immer<br />
zwei Erzieherinnen in der Gruppe, sie wechselten alle drei<br />
Jahre. »Ich habe das damals nicht als besonders schlimm erlebt.<br />
Aber wenn ich heute darüber nachdenke: Vielleicht haben meine<br />
späteren Beziehungsschwierigkeiten ja auch damit zu tun.«<br />
(G22, JA Bremen, 1958 – 60)<br />
3.3.5 Tagesablauf, Alltagsgestaltung,<br />
besondere Ereignisse im Jahresverlauf<br />
Auch in ihrem Tagesablauf unterschieden sich die Heimtypen<br />
voneinander. Ein Unterschied bestand zwischen Heimen in<br />
konfessioneller Trägerschaft, in denen Zeit für religiöse Handlungen<br />
eingeplant war, und Heimen, in denen dies im Tagesablauf<br />
fehlte. Der Tagesablauf in den einzelnen Heimtypen war für<br />
die untergebrachten Altersstufen dabei ähnlich und lief immer<br />
monoton ab. In den Kinder- und Erziehungsheimen bestand der<br />
Alltag im Wesentlichen aus frühem Aufstehen, kurzen Waschzeiten,<br />
gegebenenfalls Zeiten für Andachten, Schule und/oder<br />
Arbeit, Mittagsessen, Hausaufgaben (wenn nicht gearbeitet<br />
wurde), Abendessen, kontrollierter Freizeit und frühem zu Bett<br />
gehen:<br />
Der alltägliche Tagesablauf im Kinderheim<br />
Alten Eichen (nach G5, JA Bremen, 1951 – 58)<br />
07.00 Andacht<br />
07.15 Frühstück<br />
08.00 Schule (manchmal auch nachmittags, weil es zu<br />
viele Schüler gab)<br />
12.00 Essen<br />
Anschl. Hausaufgaben (leise sein war absolutes Muss),<br />
es wurde kaum gespielt.<br />
18.00 Abendbrot<br />
20.00 Nachtruhe<br />
Tageslauf in der ev. Anstalt für Schuljungen<br />
Hephata (nach G16, JA Bremen, 1960er Jahre)<br />
6.30 Wecken<br />
7.00 Frühstück<br />
7.15 gemeinsamer Kirchgang in der Anstaltskirche im<br />
Gänsemarsch in Zweiergruppen<br />
7.30 – 8.00 Andacht, anschließend im Gänsemarsch in die<br />
Heim- und Sonderschule<br />
Bis 13.00 Schule<br />
13 – 13.30 Mittagessen (musste aus der Zentralküche in<br />
Bottichen ins Haus geholt werden)<br />
13.30 – 15.00 Bettruhe<br />
15 – 18.00 zunächst Schularbeiten in der Gruppe unter<br />
Aufsicht, anschließend Freizeit in der Gruppe,<br />
zumeist Spaziergänge oder Bolzplatz unter Aufsicht<br />
18 – 20.00 Abendbrot, individuelle oder Gruppenfreizeit<br />
(Basteln etc.)<br />
20.00 Bettruhe<br />
Freizeit und Ausgang<br />
In vielen Heimen waren die Kinder für die Freizeitgestaltung auf<br />
die Gruppe oder das Heimgelände angewiesen. Auf ihm blieben<br />
sie unter sich. Schulkameradinnen und Schulkameraden oder<br />
Kinder aus der Nachbarschaft waren jedenfalls in den 1950er<br />
und 1960er Jahren im Heim nicht willkommen. Ausgang gab es<br />
selten und wenn, dann zumeist unter Aufsicht. Zum Gelände<br />
von St. Johannis, erinnerte eine Gesprächspartnerin aus dieser<br />
Zeit, hatten andere Kinder keinen Zutritt. »Auch Schulkameraden<br />
durften uns nicht besuchen, die wurden am Eingang abgewiesen.<br />
Wahrscheinlich wäre das für die Erzieherinnen wohl zu aufwändig<br />
gewesen; es gab ja nur eine für 20 Kinder. Zum Glück hab<br />
ich wenigstens eine Außenschule besucht« (G29, JA Oldenburg,<br />
1951). Aus Alten Eichen berichtete eine Gesprächspartnerin:<br />
»Angeleitete Freizeit gab es kaum. Meistens spielten wir auf dem<br />
Gelände. Am schönsten war das Bäumeklettern. Manchmal gab es<br />
Spaziergänge in den Rhododendron-Park. Erreichbar für uns war<br />
auch ein Bauernhof in der Nähe. Einziger freier Ausgang war ab<br />
und an ein Gang zu einem Kiosk in der Nähe des Heims. Wir konnten<br />
hier Süßigkeiten kaufen. Aber eigentlich hab ich das Heimgelände<br />
bis zu meinem 16. Lebensjahr nie wirklich verlassen. Es<br />
kamen auch keine fremden Kinder auf das Gelände, erst recht<br />
nicht ins Haus« (G49, private Unterbringung, 1959 – 1969). »Ausgang<br />
allein war undenkbar. Nach draußen kam man nur über die<br />
seltenen Spaziergänge in der Gruppe oder bei den einmal monatlich<br />
erlaubten Angehörigenbesuchen« (G17, 1949 – 5; zu Hohewurth).<br />
Die angeleitete Freizeit wurde von einigen Kindern aber<br />
auch geschätzt. Ein mit 13 Jahren ins Kinderwohnheim Schöne-<br />
44