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Das Säuglings- und Kinderheim Am Fuchsberg lag in einem<br />

parkähnlichen Gelände mit eigenen Gartenanlagen, die auch<br />

der Selbstversorgung mit Gemüse dienten. Es war als Ersatz für<br />

die Schließung des Rönnebecker Säuglingsheims notwendig<br />

geworden und eröffnete Anfang 1950 mit einem erweiterten<br />

Konzept. Im Haupthaus gab es zwei durch Glasscheiben getrennte<br />

Boxen für je sechs Säuglinge, eine Gruppe für sechs Krabbler,<br />

die Kleinengruppe für bis zu 15 Zwei- bis Vierjährige und die<br />

Großengruppe für 15 Fünf- bis Sechsjährige. Die Säuglinge und<br />

Kleinkinder wurden unter Leitung einer erfahrenen, in ihren<br />

Anschauungen progressiven Kinderkrankenschwester und von<br />

jährlich oder zweijährig wechselnden Vorschülerinnen und<br />

Schülerinnen in der Ausbildung zur Kinderkrankenschwester<br />

betreut. Für die Schülerinnen und Schüler standen je eine ausgebildete<br />

Erzieherin und zeitweise zusätzlich eine Kinderpflegerin<br />

bereit.<br />

Eine andere Abteilung des Heims war das vom Säuglings- und<br />

Kleinheim weitgehend unabhängig betriebene Pförtnerhaus,<br />

ein am Rande des Geländes liegendes Haus für je sechs bis sieben<br />

schulpflichtige Mädchen und Jungen. Das von zwei Erzieherinnen<br />

und gelegentlich zusätzlich von einer Kinderpflegerin<br />

betreute Heim nahm primär der Kleinkindabteilung entwachsene<br />

Kinder bis zur Schulentlassung (in Außenschulen) auf. Aus<br />

dem Heim wurde von einer familiären Atmosphäre und liebevollen<br />

Umgang mit den Kindern, getrübt nur durch gelegentlichen<br />

Personalwechsel, berichtet. 227 1958 schloss das gesamte<br />

Heim aus unbekannten Gründen.<br />

Als eine weitere Variante einer familienanalogen Heimerziehung<br />

innerhalb der stadtbremischen Heimpolitik folgten 1954,<br />

gefeiert als besondere Innovation und geschaffen mit persönlichem<br />

Einsatz der Jugendsenatorin Mevissen, die Pflegenester<br />

der Hans-Wendt-Stiftung. Zu ihrer Idee und zur Realisierung<br />

berichtete die Senatorin rückblickend:<br />

»Wir wollten die Kinder aus den Heimen rausholen und sie<br />

in richtigen Familien erziehen. Die Idee war, jeweils 10 Kinder<br />

verschiedener Altersstufen in einer normalen Familie<br />

großzuziehen, wo der Vater Handwerker ist und die Mutter<br />

pädagogische Vorbildung hat. Diese Idealfamilie fand sich<br />

allerdings nicht. So haben Mitarbeiter des Jugendamtes<br />

diese Aufgabe übernommen. Der Mann war weiterhin im<br />

Amt beschäftigt, die Mutter war zu Hause, manche hatten<br />

vorher als Kinderpflegerin gearbeitet. Sie und eine Pflegekraft<br />

sollten eine mütterlich-warme Atmosphäre schaffen.«<br />

228<br />

Untergebracht wurden vor allem Kinder aus gescheiterten Pflegeverhältnissen.<br />

Konzeptionell waren die Pflegenester der Hans-<br />

Wendt-Stiftung zwischen Heim und Pflegefamilie angesiedelt,<br />

hatten aber offiziell den Status eines Kleinheims. Zur Konzeption<br />

hieß es vor der Eröffnung:<br />

»Die Mutter soll – unter Mithilfe einer zweiten Kraft im<br />

Hause – die Aufgabe haben, das Haus mit mütterlicher und<br />

hausfraulicher Atmosphäre zu erfüllen und zu versorgen.<br />

Die Schichtung der Kinder soll der eines Geschwisterkreises<br />

ähnlich sein. Eine glückliche und erfüllte Kindheit ist der<br />

einzige Schutz gegen alle Gefährdungen.« 229<br />

Die Pflegenester bestanden 12 Jahre. »Die Arbeit ist aber eine<br />

derartige Belastung gewesen, dass sie die Pädagogen nur 12 Jahre<br />

verkraftet haben«, resümierte die Senatorin. 230<br />

Unter anderen Prämissen und mit anderer institutionellen Einbindung<br />

gab es in diesem Jahrzehnt zudem sowohl in der Stadt<br />

Bremen als auch in Bremerhaven das Bestreben, Kleinkinder,<br />

statt in einer traditionellen Pflegefamilie, in ›Großpflegefamilien‹<br />

mit vier bis acht Kindern, auch diese wurden Pflegenester<br />

genannt, zu versorgen. In der Stadt Bremen griff man hierzu auf<br />

ländliche Familien zurück und ließ sie von den beiden »Reisebeamten«<br />

für die ländlichen Pflegefamilien mitbetreuen. 231 In<br />

Bremerhaven galten sie ausdrücklich als Strategie, um das<br />

Säuglingsheim Speckenbüttel zu entlasten und möglichst überflüssig<br />

zu machen, und waren in der Stadt selbst angesiedelt.<br />

Pflegenester dieser Art hielten sich bis in die frühen 1970er Jahre.<br />

Mit der Kombination von Kinderkrippe, Mütterheim und Heim<br />

für berufstätige Mädchen nahm das Mutter- und Kindheim<br />

des Kreisverbandes Bremen der Arbeiterwohlfahrt innerhalb<br />

der stadtbremischen Heimerziehung eine besondere Position<br />

ein. 232 Das Thema »Krippe« war in der regierenden SPD lange<br />

Zeit – bis in die 1970er Jahre hinein – ein Tabu-Thema; man<br />

fürchtete, dass junge Mütter ihre Kinder abschieben könnten.<br />

Seit den 1950er Jahren gab es aber auch einige befürwortende<br />

Stimmen. Schließlich setzte sich die AWO 1957 mit Planungsideen<br />

für ein primär als Mütter- und Mädchenwohnheim konzipiertes<br />

Heim mit einer Krippe für die Säuglinge der dort untergebrachten<br />

berufstätigen Mütter durch.<br />

Eröffnung wurde Ende Juni 1959 gefeiert. 233 Das schon bald<br />

auch überregional viel beachtete, als Modell geltende Heim<br />

war als dreigeschossiges Gebäude gebaut worden und personell,<br />

neben Wirtschaftspersonal, mit einer Heimleiterin, einer<br />

Säuglingsschwester, einer Kinderpflegerin und zwei pflegerischen<br />

Hilfskräften besetzt.<br />

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