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sie Kinder und Jugendliche gleichgeschlechtlich und auch noch<br />
in der Pubertät in Mehrbettzimmern unterbrachten. Der Kontakt<br />
zu andersgeschlechtlichen Kindern fehlte ihnen in der Regel.<br />
Andererseits waren sie der Beobachtung ihrer Geschlechtsgenossen<br />
und gegebenenfalls deren Spott ausgesetzt. Gerade die<br />
Gemeinschaftsduschen, im ersten Nachkriegsjahrzehnt auch<br />
der gemeinschaftliche Badetag, häufig unter Aufsicht von Erzieherinnen<br />
oder Erziehern, bildeten für viele Kinder und Jugendliche<br />
eine zusätzliche Quelle für Gefühle von Scham und Intimitätsverletzung.<br />
Vor allem fehlten praktisch allen Kindern und<br />
Jugendlichen erwachsene Vorbilder für gelingende Partnerbeziehungen.<br />
Entgegen dem Programm der meisten Heime führten<br />
alle diese Praktiken gerade nicht zu einer als notwendig<br />
erachteten ›gesunden‹ Entsexualisierung, sondern eher zu einer<br />
›ungesunden‹ sexuellen Aufladung der Gesamtatmosphäre in<br />
den Heimen.<br />
Tabuisierte Sexualität<br />
Sexualität und Sexualerziehung wurden dabei von Seiten der<br />
Erzieher und Erzieherinnen in den Heimen allgemein tabuisiert.<br />
Das galt vor allem für viele Kinderheime, in denen das Erziehungspersonal<br />
eine entsprechende Aufklärung hätte durchführen<br />
können. Die Kinder oder Heranwachsenden klärten sich in<br />
der Folge dieses Mangels häufig selber auf.<br />
»Alles war geschlechtslos«<br />
Das Thema Sexualität war in St. Petri tabu. Der Gesprächspartner<br />
erinnerte sich: »Alles war geschlechtslos, zumal wir ja<br />
nur unter Jungen waren. Unter uns gab es dann so Sachen wie<br />
›wer kann am weitesten pinkeln‹. Einmal hat uns ein älterer<br />
Junge vorgemacht, wie man onaniert. Außerdem haben wir<br />
eben dabei zugeguckt, wie es so bei Kühen und Pferden<br />
zugeht.« (G28, JA Bremen, Mitte der 50er Jahre)<br />
Schwanger vom Küssen<br />
Auch im St. Johannis Kinderheim wurde das Thema Sexualität<br />
verschwiegen. »Als ich mit elf Jahren meine Regel bekam,<br />
hat mir eine Nonne Binden gegeben und mir erklärt, was man<br />
mit ihnen machen muss. Das war es dann aber; über das, was<br />
in meinem Körper passierte, kein Wort. In dem Alter habe ich<br />
noch geglaubt, dass die Kinder vom Storch gebracht werden<br />
und sogar noch mit 14, dass sie vom Küssen kommen.« (G29,<br />
JA Oldenburg, 1951 – 1954)<br />
Bloßstellung und Diskriminierung<br />
Sexualität wurde nicht nur tabuisiert, sondern galt als etwas Verwerfliches.<br />
Ähnlich wie beim Bettnässen konnten überführte<br />
»Übeltäter« öffentlich auf beschämende Art bloßgestellt werden.<br />
Öffentlich beschimpft<br />
»Wir lebten noch als junge Männer völlig isoliert von der<br />
Umwelt. Mädchen kamen in unserem Leben nicht vor, da blieb<br />
es nicht aus, dass es zu sexuellen Spielereien unter uns Jungs<br />
kam. Wer dabei erwischt wurde, wurde vom Heimleiter in<br />
Anwesenheit seiner Ehefrau und seiner halbwüchsigen Kinder<br />
vor allen anderen bloßgestellt und mit Schimpftiraden übergossen.<br />
Das konnte gar nicht vulgär genug sein.« (G16, JA<br />
Bremen, 1970)<br />
Ein Riesenskandal<br />
»Im Storchennest Langen hatten wir vier 12- bis 14-Jährigen uns<br />
jüngere Mädchen aus dem Heim als Freundinnen ausgesucht<br />
und kuschelten mit ihnen im Bett. Von Sex hatte ich damals<br />
noch gar keine Ahnung. Als wir erwischt wurden, gab es einen<br />
Riesenskandal. Die Mädchen wurden vom Frauenarzt untersucht,<br />
wir wurden streng bestraft.« (G42, JA Bremen, um 1960)<br />
Generalverdacht<br />
Ebenso wie in fast allen Mädchenheimen war es auch in dem<br />
bremischen Erziehungsheim für Mädchen üblich, nach dem<br />
Weglaufen wieder aufgegriffene Mädchen zwangsweise einem<br />
Frauenarzt vorzustellen. Auch sonst wurden Maßnahmen ergriffen,<br />
um einer ›Ausbreitung der sexuellen Gefahr‹ vorzubeugen.<br />
Generell wurden die Mädchen in den Fürsorgeheimen unter<br />
den Generalverdacht gestellt, nichts anderes als Sexualität im<br />
Kopf zu haben.<br />
Gurken nur in Stücken serviert<br />
Nachdem sie aus dem Liner Haus entlaufen war, steckte man<br />
die damals 16-Jährige in den Birkenhof. Die Mädchen, die<br />
aus dem Birkenhof weggelaufen waren, wurden von einem<br />
Frauenarzt im Heim auf Geschlechtskrankheiten untersucht.<br />
Sie erinnerte sich auch daran, dass Gurken immer nur in kleinen<br />
Stücken serviert wurden. Der dazugehörige Kommentar<br />
lautete: »Ne ganze Gurke ist ja nichts für Euch.« »Eigentlich<br />
wurden wir nur über Sexualität beziehungsweise als sexuell<br />
Verwahrloste definiert.« (G34, JA Nienburg, 1975)<br />
Sittlichen Entgleisungen vorbeugen<br />
»M. übt durch ihre körperlichen Reize auf das andere<br />
Geschlecht eine starke Anziehungskraft aus. Immer ist sie von<br />
einer Jungenschar umgeben, was ihr sehr angenehm erscheint.<br />
Im Klassenraum und in der Pause muß sie deshalb immer unter<br />
guter Beobachtung stehen, damit sittliche Entgleisungen von<br />
vornherein unterbunden werden.« (aus einem Heimbericht<br />
des Kalmenhofs zu G25, JA Bremen, 1962<br />
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