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Die beachtliche Kapazität des Ellener Hofs reichte keineswegs<br />
aus, um alle in die Fürsorgeerziehung überwiesenen Jugendlichen<br />
zu betreuen. Auch um besser nach »der Eigenart des Einzelfalls«<br />
auswählen zu können, hatte man sich zusätzlich auswärtiger,<br />
zumeist geschlossener Heime – Freistatt, Stephansstift<br />
und andere – zu bedienen. 154 Vor allem bemühten sich die Verantwortlichen<br />
aber darum, die Anstaltsversorgung, auch aus<br />
Kostengründen, so kurz wie möglich zu halten. Neben der<br />
schon erwähnten Durchforstung der Fürsorgeerziehungsheime<br />
auf entlassungsfähige Jugendliche, versuchte man, neu eingewiesene<br />
Zöglinge nach dem beabsichtigten Schock der vorläufigen<br />
Unterbringung in einem Heim, so rasch wie möglich in<br />
einer geeigneten Arbeitsstelle, fast immer bei Bauern in näherer<br />
oder weiterer Entfernung von Bremen, unterzubringen. 155<br />
Bremerhaven verfügte über kein eigenes, für die Unterbringung<br />
von Fürsorgezöglingen geeignetes Heim, sodass man sich<br />
um auswärtige Heime, zumeist im Raum Hannover, und um<br />
ländliche Arbeitsstellen bemühen musste. Dabei sahen sich die<br />
Behörden gerade in Bremerhaven mit besonders vielen Neufällen<br />
konfrontiert. Von jährlich durchschnittlich<br />
20 Jugendlichen vor Kriegsende<br />
stieg die Zahl in den ersten<br />
Nachkriegsjahren auf 74 im Jahr 1947.<br />
Dies führten die Verantwortlichen auf<br />
die »fehlende Zucht des Vaters während<br />
des Krieges«, den damit verbundenen<br />
Anstieg von »Arbeitsbummelei und<br />
Eigentumsdelikten« bei den Jungen<br />
und die »Verführ barkeit der Mädchen für rasche sexuelle Abenteuer<br />
mit Besatzungskräften« zurück. 156 Die erhebliche<br />
Zunahme von Fürsorge erziehungsfällen lag aber wohl auch<br />
darin begründet, dass die Kosten der Fürsorgeerziehung vom<br />
Land Bremen übernommen wurden und eine Anordnung die<br />
Kosten für die Stadt reduzierte.<br />
4.1.3.2 Heime für »sittlich gefährdete<br />
und verwahrloste« weibliche Jugendliche<br />
und junge Frauen<br />
Die Mädchen und jungen Frauen entwickelten sich schon bald<br />
zum Trauma der Behörden. Als Infektionsquellen für Geschlechtskrankheiten<br />
untergruben sie, aus Behördensicht, die Moral und<br />
Gesundheit der Männer, insbesondere der kasernierten US-Soldaten<br />
und konnten sich als Ami-Liebchen, als Begleiterinnen<br />
amerikanischer Soldaten, dem Zugriff der deutschen Behörden<br />
leicht entziehen. 157<br />
Für sie standen nach dem Krieg zunächst nur die viel zu kleinen<br />
und zudem nicht fluchtsicheren Heime, das zur Inneren Mission<br />
gehörende Isenbergheim in der Kornstraße und die kleine<br />
Frauenabteilung des Marthasheims in der Baracke auf dem<br />
Gelände des Hauses Neuland, zur Verfügung. Die Leitung des<br />
»Wenn ich denen vom Amt<br />
erzählt hab’, wie es im<br />
Heim tatsächlich zuging,<br />
war nichts wie Misstrauen<br />
in ihren Augen.«<br />
Isenbergheims sah sich bei einem Personalbestand von sieben<br />
Personen, inklusive des Wirtschaftspersonals, kaum darauf vorbereitet,<br />
die »arbeitsscheuen, z.T. frechen und verlausten« und<br />
zudem eigentlich nur auf Flucht bedachten Mädchen in das<br />
Heimleben zu integrieren. 158 Zumeist konnte nicht viel mehr<br />
getan werden, als die aufgegriffenen Mädchen so lange festzuhalten,<br />
bis die von den Behörden benachrichtigten Eltern sie<br />
abgeholt hatten oder bis für ihre weitere Versorgung ein auswärtiges<br />
Heim gefunden worden war. Für den Transport der<br />
Mädchen in ein auswärtiges Heim,, insbesondere in den hannoverschen<br />
Birkenhof, die Diakonissenanstalt Düsseldorf-Kaiserswerth<br />
und das Pflege- und Erziehungsheim Himmelsthür bei<br />
Hildesheim, oder zum Zweck der Übergabe an die örtlichen<br />
Behörden an der Grenze der Ostzone gab es Sammeltransporte<br />
des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). 159 Eine gewisse Erleichterung<br />
brachte erst die Eröffnung einer geschlossenen Abteilung<br />
mit zunächst sechs Plätzen im Dezember 1945.<br />
Wenn irgendwie möglich, versuchte das Isenbergheim auch,<br />
Mädchen einer »strengen Arbeitsstelle« zuzuführen oder die<br />
Mädchen mit guter Prognose »in Stellung«<br />
zu geben. 160 Da diese Möglichkeiten<br />
nicht ausreichten, hielt man aufgegriffene<br />
Mädchen – sie kamen zumeist<br />
aus der Ostzone oder dem Rheinland –<br />
zusätzlich in dem für Erziehungszwecke<br />
völlig ungeeigneten Domhofsbunker<br />
vorübergehend fest. 161 Für die Erstversorgung<br />
geschlechtskranker junger<br />
Frauen stand auch die Hautklinik des Städtischen Krankenhauses<br />
zur Verfügung. 162 In nächtlichen Razzien griffen Polizei, Militärpolizei<br />
und manchmal auch die nächtens die Stadt durchstreifenden<br />
Fürsorgerinnen der Abteilung »Weibliche Gefährdetenfürsorge«<br />
im Jugendamt die Mädchen und jungen Frauen<br />
auf. 163 Einen Kapazitätszuwachs erhielt die evangelische Gefährdetenfürsorge<br />
für Mädchen im Mai 1948 mit der Neueröffnung<br />
des Dorotheenheims auf dem Gelände der soeben vom Verein<br />
für Innere Mission gegründeten Vereinigten Anstalten Friedehorst.<br />
Nachdem die ursprüngliche Planung, das Heim als geschlossenes<br />
Heim einzurichten, fallen gelassen worden war, wurde es<br />
zur Hälfte für »sittlich gefährdete und kriminell gewordene« Schülerinnen,<br />
die sich in normalen Heimen als untragbar erwiesen<br />
hatten, und für 14- bis 18-jährige Mädchen, die »eines längeren<br />
Heimaufenthalts mit familienhaftem Charakter bedurften«, in<br />
zwei halboffenen Abteilungen errichtet. 164 Die Schülerinnen<br />
besuchten öffentliche Schulen, während die Jugendlichen mit<br />
hauswirtschaftlichen Arbeiten in der hauseigenen Gärtnerei,<br />
der Waschküche und der Näherei der Vereinigten Anstalten<br />
beschäftigt wurden. Die Leitung und Betreuung der Mädchen<br />
lag überwiegend bei Diakonissen.<br />
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