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kommen und mit Unterstützung eines Lehrlingswohnheims<br />

Fuß zu fassen (T4, JA Bremen, 1954). Ein anderer Junge hatte<br />

sich während seines zweijährigen Aufenthalts in einem strengen<br />

Heim, in das er vom KWH Metzerstraße gegen seinen Willen<br />

verlegt worden war, ständig nach einer Entlassung zur Mutter<br />

gesehnt. Als sie dann nach der Schulentlassung erfolgte, hatte<br />

sich die Situation zu Hause aber völlig verändert. Es gab einen<br />

neuen Stiefvater, mit dem »nichts ging«, sodass sich der Jugendliche<br />

auch immer weiter von der Mutter entfernte und sein<br />

Leben mehr oder weniger auf der Straße verbrachte (G40,<br />

JA Bremen, 1969).<br />

Entlassungen mit Heim- oder<br />

Behörden unterstützung<br />

Lediglich vier Gesprächspersonen berichteten davon, dass sie<br />

vor der endgültigen Entlassung aus der öffentlichen Erziehung<br />

auf Heim- oder Behördenunterstützung zurückgreifen konnten.<br />

Diese wurde in jedem Fall als hilfreich erlebt und trug wesentlich<br />

dazu bei, einen eigenständigen Weg zu finden.<br />

Eine der Gesprächspartnerinnen entlief aus dem Birkenhof,<br />

einem geschlossenen Mädchenheim, nach Bremen und wurde<br />

hier in ihrer eigenen Wohnung unter Schutzaufsicht gestellt: 119<br />

»Die Frau hat sich echt gekümmert. Ich ging einmal die Woche zu<br />

ihr nach Hause, sie hat mein Geld verwaltet und vor allem mir<br />

einen Ausbildungsplatz verschafft. Ohne sie und meine Freunde<br />

hätte ich es nie geschafft« (G34, JA Nienburg, 1975). Einer weiteren<br />

Gesprächspartnerin erlaubte das Jugendamt mit Unterstützung<br />

ihres Verlobten nach heftigem Streit mit der Pflegemutter,<br />

eine eigene Wohnung zu beziehen. Auch sie hatte Glück. Eine<br />

junge Sozialarbeiterin half ihr, eine passende Wohnung zu finden<br />

und ermunterte sie, erste Schritte in eine berufliche Selbständigkeit<br />

zu gehen. Als es dann notwendig wurde, von der<br />

Mutter eine Heiratserlaubnis einzuholen, unterstützte sie zudem<br />

der zuständige Ortsamtsleiter (G45, JA Bremen, 1959). Ein dritter<br />

Gesprächspartner erhielt nach seinem zweijährigen Aufenthalt<br />

im Ellener Hof, dem einzigen Heimaufenthalt in seinem<br />

Leben, eine Nachbetreuung durch seinen ehemaligen Erzieher.<br />

Ihm verdankt er, dass ihm eine Umschulung bewilligt wurde,<br />

die ihn in stabile berufliche Verhältnisse führte (G10, JA Stuttgart,<br />

1967).<br />

Reguläre Entlassungen<br />

Von den regulären Entlassungen zu Angehörigen und jenen mit<br />

Heim- oder Behördenunterstützung abgesehen, berichteten nur<br />

drei Gesprächspersonen von einer Entlassung nach einem positiv<br />

erlebten Heimaufenthalt und einer bereits im Heim erlangten<br />

Selbständigkeit. Alle drei hatten in ihrem Heim eine privilegierte<br />

Position oder Vertrauensstellung inne und standen kurz<br />

vor Abschluss des Fachabiturs oder des Abiturs.<br />

Schwangerschaft und Flucht in die Ehe<br />

im Umfeld der Heimentlassung<br />

Von einer Schwangerschaft um die Zeit der Heimentlassung,<br />

kurz vor ihr oder bald danach, berichteten fünf der insgesamt<br />

27 Gesprächspartnerinnen. Einige mündeten in einer (sehr häufig<br />

instabilen) Ehe, andere waren der Beginn einer langen Leidenszeit.<br />

Eine Vaterschaft vor der Entlassung aus der öffentlichen<br />

Erziehung wurde zwar nur von einem Gesprächspartner<br />

benannt, aber mehrere berichteten über ihre teils erfolgreichen,<br />

teils nicht erfolgreichen Versuche, von ihren Eltern beziehungsweise<br />

ihrem Amtsvormund eine vorzeitige Heiratserlaubnis<br />

vor der offiziellen Entlassung mit dem 21. Lebensjahr zu<br />

erlangen. Ihre Erst-Ehen endeten, ebenso wie die frühen Ehen<br />

junger Frauen, fast immer mit einer baldigen Scheidung.<br />

3.4 Wege durch die Jugendhilfe<br />

Die Erfahrungen in Jugendhilfe und Heimerziehung können<br />

nicht isoliert betrachtet werden. Sie spiegeln immer den<br />

gesamten Verlauf von Kindheit und Jugend, die besonderen<br />

Heimeinweisungsgründe und die spezifischen Erfahrungen in<br />

den Heimen und an den anderen Lebensorten, die Kinder oder<br />

Jugendliche im Rahmen ihrer ›Jugendhilfekarriere‹ durchliefen.<br />

Auch von Bedeutung ist der Zeitpunkt der Geburt, die Frage<br />

also, welcher Generation die Kinder und Jugendlichen angehörten,<br />

der Lebensabschnitt, in dem sie in ein Heim oder eine<br />

Pflegefamilie eingewiesen wurden, die Anzahl und Art der<br />

Unterbringungsorte und die Dauer des Aufenthalts in den Einrichtungen<br />

der Jugendhilfe. Schließlich spielen jeweils auch<br />

sehr persönliche Momente eine Rolle. Welche Erfahrungen Kinder<br />

oder Jugendliche in ihrer Familie machten, wann und unter<br />

welchen Umständen sie aus der Familie genommen wurden,<br />

sind ebenso von Bedeutung, wie die jeweils besondere Position,<br />

die sie im Heim einnahmen, welchen Personen ihnen<br />

begegneten, und was sie auf dem Hintergrund von Biographie<br />

und persönlicher Disposition zur Bewältigung der Situation aufbringen<br />

konnten.<br />

Aber so vielfältig die Faktoren auch sind, die den Weg durch die<br />

Jugendhilfe bestimmen, sie stehen auch immer in einem inneren<br />

Zusammenhang. Für die Nachkriegsjahrzehnte gilt dies in<br />

besonderem Maße. Was in der Familie begann, wurde in diesen<br />

Jahrzehnten häufig ungebrochen oder auch in gesteigerter<br />

Form in den Heimen institutionell fortgesetzt. Wer es zu Hause<br />

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