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Die Würde des Menschen ist unantastbar<br />

Die Erfahrung vieler Heimkinder, in dem ihnen widerfahrenen<br />

Unrecht und Leid nicht gesehen, nicht gehört und nicht unterstützt<br />

worden zu sein, hat jedem einzelnen Opfer von institutionellem<br />

Machtmissbrauch und persönlicher Gewalterfahrung<br />

über viele Jahre auch einen Teil der persönlichen Selbstachtung<br />

und Würde genommen.<br />

Für viele Heimkinder war die Erziehung in öffentlicher Verantwortung<br />

daher nicht die Eröffnung neuer Lebenschancen, sondern<br />

die Verlängerung von Vernachlässigung und Gewalt oder<br />

die Erfahrung von willkürlicher Disziplinierung und Brüchen in<br />

der Lebenswelt.<br />

Dem Respekt der Würde eines Menschen wird in unserem<br />

Grundgesetz ein zentraler Platz eingeräumt. Maßstab ist dabei<br />

nicht die Frage der strafrechtlichen Verjährung von Missbrauch<br />

und Gewalt, sondern das Recht jedes Menschen auf Schutz dieser<br />

Würde unabhängig von zivilrechtlicher Täter oder Institutionen<br />

bezogener Identifizierung und Verfolgungsmöglichkeit<br />

von Übergriffen oder Unterlassungen. Die vorliegende Dokumentation<br />

ist daher auch ein notwendiger Beitrag dazu, die<br />

persönliche und kollektive Würde der damaligen jungen Menschen<br />

wiederherzustellen, die Schutz der staatlichen Gemeinschaft<br />

durch Institutionen erhalten sollten und stattdessen bis<br />

heute anhaltendes Leid erfahren mussten.<br />

Im Rückblick ist rationalisierbar, aber nicht zu akzeptieren,<br />

warum erst durch die vehementen Forderungen ehemaliger<br />

Heimkinder eine breite öffentliche Aufarbeitung dieser fachlich<br />

bekannten sehr kritischen Zeit der Heimerziehung erfolgt.<br />

Vielleicht wurde zu sehr darauf vertraut, dass nach den strukturellen<br />

und pädagogischen Reformprozessen in der Heimerziehung<br />

auch die Verarbeitung individuell erlittenen Unrechts<br />

abgeschlossen ist. Es bedurfte daher erst der Petitionen der<br />

ehemaligen Heimkinder an den Deutschen Bundestag und den<br />

Bremer Petitionsausschuss, sich mit Fragen und Forderungen<br />

der betroffenen Frauen und Männer konkret auseinander zu<br />

setzen. Dies auch trotz der Zweifel, was nach so vielen Jahren<br />

und Verjährung strafrechtlicher Möglichkeiten sowie nach<br />

Ablauf von Aufbewahrungsfristen und daher Löschung von<br />

Akten und Dokumenten an persönlicher und gesellschaftlicher<br />

Aufarbeitung oder gar Wiedergutmachung überhaupt noch<br />

möglich ist.<br />

Die Einberufung eines Arbeitskreises zur Aufarbeitung der<br />

Heimerziehung im Land Bremen durch das Landesjugendamt<br />

Bremen – unter Beteiligung der kommunalen Jugendämter, der<br />

Kirchen und der Freien Träger von Einrichtungen der Heimerziehung<br />

in Bremen und Bremerhaven – sowie die Einrichtung<br />

einer Telefonhotline für betroffene Ehemalige war daher eine<br />

gute, aber auch im Ergebnis offene Entscheidung.<br />

Die vorliegende vom Arbeitskreis in Auftrag gegebene Dokumentation<br />

ist ein wichtiger und notwendiger Bremer Beitrag<br />

zur landesinternen, aber auch zur bundesweiten Aufarbeitung<br />

der Heimerziehung der Nachkriegszeit.<br />

Aufgrund der vor Beginn der Arbeit an der Dokumentation<br />

bereits erfolgten routinemäßigen Löschung von Aktenmaterial<br />

des Landesjugendamtes, der Jugendämter und der Träger bleibt<br />

das nachhaltige Bemühen der Mitglieder des Arbeitskreises zur<br />

biografischen Aufarbeitung individueller Schicksale einzelner<br />

Heimkinder oftmals unbefriedigend bis unmöglich. Es wird in<br />

vielen Einzelfällen kaum möglich sein, eine objektive Nachzeichnung<br />

von Unrecht vorzunehmen. Die bis heute bundesweit<br />

noch ungelöste Herausforderung besteht daher darin, im Zweifel<br />

den Opfern Glauben zu schenken. Aus den mit zahlreichen<br />

Betroffenen geführten erschütternden Gesprächen bleibt für<br />

jeden auch von uns im Gedächtnis, dass jenseits der Frage der<br />

Rekonstruktionsmöglichkeit von Aktenlagen auf jeden Fall eine<br />

doppelte Viktimisierung der Betroffenen durch Infragestellung<br />

von Glaubwürdigkeit vermieden werden muss.<br />

Besonderen Dank spricht der Arbeitskreis zunächst allen ehemaligen<br />

Heimkindern für den Mut aus, sich zu offenbaren und für<br />

die Bereitschaft, im Rahmen dieser Dokumentation zu sprechen.<br />

Darüber hinaus bedankt sich der Arbeitskreis bei dem von ihm<br />

beauftragten Historiker und Autor der Dokumentation Robert<br />

Fuchs. Ferner gilt unser Dank den zahlreichen ungenannten<br />

Unterstützerinnen und Unterstützern in den Einrichtungen der<br />

beteiligten Heimträger sowie jenen, die an der Durchführung<br />

der Interviews, an der Hotline und der Erstellung der Dokumentation<br />

mitgewirkt haben. Der Dank geht auch an die Bremische<br />

Kinder- und Jugendstiftung, durch deren finanzielle Unterstützung<br />

die Dokumentation in diesem Umfang erst möglich war.<br />

Barbara Hellbach<br />

für den Arbeitskreis zur Aufarbeitung der Heimerziehung<br />

im Land Bremen<br />

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