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im Februar 1948 zum Innensenator berufen wurde, übernahm<br />

der bisherige Bremerhavener Bürgermeister Gerhard van Heukelum<br />

das Amt.<br />

Das Landesjugendamt sowie das Jugendamt waren, wie<br />

auch das Sozial- und Wohlfahrtsamt, das Flüchtlingsamt und<br />

das Amt für Wiedergutmachung, unselbständige Abteilungen<br />

innerhalb des Wohlfahrtsressorts. Eine Reihe von Ausschüssen<br />

und Unterausschüssen zu wohlfahrtspolitischen und jugendfürsorgerischen<br />

Fragen, in die sowohl Bremerhaven als auch die<br />

Wohlfahrtsverbände maßgeblich einbezogen waren, ergänzten<br />

die amtlichen und demokratisch legitimierten Strukturen. Die<br />

entscheidenden Weichenstellungen wurden in diesen Ausschüssen<br />

getroffen.<br />

Das Landesjugendamt, ein kleines Referat innerhalb der<br />

Gesamtbehörde, blieb, wie schon im Reichsjugendwohlfahrtsgesetz<br />

von 1922 bestimmt, Fürsorgeerziehungsbehörde und<br />

war für die Beaufsichtigung der Bremer und Bremerhavener<br />

Tages- und Vollheime zuständig. Als Fürsorgeerziehungsbehörde<br />

musste das Amt sich zunächst einen Überblick über die<br />

noch unter Betreuung stehenden Fürsorgezöglinge, insbesondere<br />

auch in den auswärtigen Heimen, verschaffen. Es erhielt<br />

zudem den Auftrag, in jedem Einzelfall zu überprüfen, ob die<br />

Fürsorgeerziehung beendet werden könne, weil das Erziehungsziel<br />

oder die Altersgrenze erreicht war oder die weitere<br />

Fürsorgeerziehung nicht mehr aussichtsreich erschien. Das Amt<br />

achtete streng darauf, die »Anstaltserziehung« für neu angeordnete<br />

Fürsorgefälle so kurz wie möglich zu halten. So gelang<br />

es, die Zahl der Anstaltsbetreuungen zwischen Mai 1945 und<br />

Juni 1946 von 95 Jungen und 121 Mädchen auf 70 Jungen und<br />

95 Mädchen zu reduzieren. 133 Beklagt wurde jedoch der zunehmende<br />

Grad der Verwahrlosung bei den neu aufzunehmenden<br />

Jugendlichen. Bei den zumeist zwischen 14 und 18 Jahre alten<br />

Mädchen zeigte sich diese in der »schweren Verwahrlosung auf<br />

sexuellem Gebiet.« 134 Bei den Jungen bot die Vielzahl von Diebstahls-<br />

und Betrugsfällen den Hauptanlass der Anordnung. In<br />

beiden Gruppen beklagten die Verantwortlichen auch die<br />

»Erziehungsunwilligkeit« und die vielen Versuche, sich »durch<br />

Flucht den Erziehungsbehörden zu entziehen.« Das Landesjugendamt<br />

forderte – maßgeblich unterstützt durch Senator<br />

Ehlers und die Abteilung Gefährdetenfürsorge im Jugendamt –<br />

die rasche Wiedereinrichtung eines Pflegeamtes für die Betreuung<br />

der »gefährdeten und verwahrlosten weiblichen Personen,<br />

die nicht mehr unter die Jugendwohlfahrtsgesetze fallen«. 135<br />

Die Nationalsozialisten hatten das Amt aufgelöst. Seine Wiedererrichtung<br />

im Mai 1946 als Abteilung des Wohlfahrtsamtes<br />

begründete man nun mit »der zunehmenden Gefährdung der<br />

Volksgesundheit durch Prostitution und Geschlechtskrankheiten«.<br />

136 Unterstützt durch Senator Ehlers setzten sich das Pflegeamt,<br />

das Landesjugendamt und das Jugendamt schließlich für<br />

den Erlass und die Erprobung einer »Verordnung über die<br />

Schaffung von Arbeitserziehungsheimen« sowie eines »Bewahrungsgesetzes«<br />

zum zwanghaften Festhalten »verwilderter«<br />

und »verwahrloster« junger Menschen, auch noch über die Volljährigkeit<br />

hinaus, ein. 137<br />

Das stadtbremische Jugendamt gliederte sich in drei Abteilungen:<br />

Die Amtsvormundschaft und wirtschaftliche Fürsorge für<br />

Minderjährige (Abt. 1), Angelegenheiten der Erholungs- und<br />

Heimfürsorge inklusive der Pflegestellenvermittlung und der<br />

zentralen Heimweisungsstelle (Abt. 2) und Aufgaben des Jugendschutzes<br />

(Abt. 3), wozu auch die Gefährdetenfürsorge für Mädchen<br />

und Jungen und die Jugendgerichtshilfe gehörten. Es war<br />

grundsätzlich für die ganze Stadt Bremen zuständig, jedoch<br />

wurde bald eine Außenstelle mit eigener Verwaltung für die<br />

Gebiete jenseits der Lesum, Vegesack, Burglesum und Blumenthal<br />

geschaffen. Das Aufgabenspektrum des Jugendamtes war im<br />

Wesentlichen auf den Innendienst bezogen. Den Außendienst,<br />

also alle Erkundungen über Kinder, Jugendliche und deren<br />

Familien in ihrem häuslichen Umfeld, übernahm die dem Hauptgesundheitsamt<br />

zugeordnete Bezirksfamilienfürsorge. Auch die<br />

öffentliche, auf die demokratische Umerziehung junger Menschen<br />

gerichtete Jugendpflege wurde, nachdem das Jugendprogramm<br />

der US-Army zunächst vom Jugendamt mit verwaltet<br />

wurde, 1946 außerhalb des Ressorts im Bereich des Senators<br />

für Schulen und Erziehung als »Amt für Leibesübungen und<br />

Jugendpflege« organisiert. 138<br />

Auch im Jugendamt bereiteten zunächst personelle und räumliche<br />

Probleme die größten Sorgen. Die Personaldecke war so<br />

dünn, dass zum Beispiel ein Amtsvormund 1600 Amtsmündel<br />

und zusätzlich 400 sogenannte Haltekinder (Pflegekinder, für<br />

deren Beaufsichtigung und Finanzierung die Behörde zuständig<br />

war) zu betreuen hatte. 139 Man konnte zudem nur selten auf<br />

ausgebildetes, politisch unbelastetes Personal zurückgreifen.<br />

Um für die ersten neu eingerichteten beziehungsweise der Stadt<br />

zurückgegebenen Heime der ehemaligen NSV überhaupt Personal<br />

zu finden, das den neuen Ansprüchen einigermaßen entsprach,<br />

waren zunächst das »notwendige Fachwissen durch zweckentsprechende<br />

Vorträge zu vermitteln« und in 14-tägigen Sonderkursen<br />

»Jugendpfleger und Laienpädagogen« zu schulen. 140 Da das<br />

Jugendamt sein zentrales Verwaltungsgebäude durch Bomben<br />

eingebüßt hatte, war man zudem für die einzelnen Abteilungen<br />

auf Ausweichquartiere in verschiedenen Schulen und Baracken<br />

angewiesen. Erst 1947 gelang es, die meisten Dienststellen<br />

in einer Kaserne in der Schulstraße zusammen zu fassen. Mit<br />

den Gebäuden waren auch große Teile des Aktenbestands über<br />

unterstützte Familien und Kinder vernichtet worden, sodass<br />

sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in mühseliger Kleinarbeit<br />

überhaupt erst einen Überblick verschaffen mussten.<br />

Zu einer der ersten Aufgaben des stadtbremischen Jugendamts<br />

gehörte es nach Kriegsende, die mehr als 3000 Bremer Kinder<br />

aus den zumeist in Gebieten der Ostzone liegenden Heimen<br />

der Kinderlandverschickung zurückzuholen. Daneben erzwangen<br />

die Nachkriegsnot, Zerstörungen und der ideologische<br />

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