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1. Über diese Dokumentation<br />
1.1 Der Hintergrund<br />
Im Frühjahr 2006 erschien das Buch »Schläge im Namen des<br />
Herrn« des Journalisten Peter Wensierski. 1 In ihm zeichnete der<br />
Autor die Schicksale ehemaliger Heimkinder in den 1950er und<br />
1960er Jahren nach und beschrieb die Heime, in denen sie lebten.<br />
2 Das Buch fand sofort eine hohe mediale Aufmerksamkeit.<br />
Ermuntert durch die öffentliche Diskussion bislang nicht wahrgenommener<br />
Missstände in der damaligen Heimerziehung<br />
meldeten sich weitere ehemalige Heimkinder zu Wort. Bereits<br />
2004 hatten Betroffene der damaligen Heimerziehung den<br />
»Verein ehemaliger Heimkinder e.V.« gegründet und eine<br />
moralische sowie finanzielle Wiedergutmachung für erlittenes<br />
Leid und vorenthaltene Arbeitsentlohnungen gefordert.<br />
Auf Bundes- und Länderebene folgten weitere Aktionen und<br />
verschiedene politische Vorstöße. 3 Die Initiative ehemaliger<br />
Heimkinder wandte sich 2006 an den Petitionsausschuss des<br />
Deutschen Bundestages. Ihr Anliegen, politisches Gehör für ihre<br />
Beschwerden und Forderungen zu finden, wurde vom Deutschen<br />
Bundestag positiv aufgenommen und mündete in der<br />
Einrichtung des »Runden Tischs Heimerziehung in den 50er und<br />
60er Jahren« (RTH). Dieser wurde damit beauftragt, die damaligen<br />
Voraussetzungen und Bedingungen der Heimerziehung<br />
aufzuarbeiten und sich mit der Petition auseinander zu setzen.<br />
Unter Vorsitz der ehemaligen Bundestagsvizepräsidentin Dr.<br />
Antje Vollmer trat das Gremium erstmalig im Februar 2009<br />
zusammen. 4 Es kündigte eine ergebnisoffene Bewertung der<br />
damaligen Geschehnisse und eine Stellungnahme zu Wiedergutmachungsleistungen<br />
an. Zu seiner Unterstützung richtete<br />
der RTH eine Geschäftsstelle in Berlin sowie eine Telefonhotline<br />
für Betroffene ein. Zusätzlich beauftragte er eine Gruppe von<br />
Expertinnen und Experten mit der Erarbeitung wissenschaftlicher<br />
Expertisen zu den rechtlichen und pädagogischen Rahmenbedingungen<br />
der damaligen Heimerziehung. 5 Einen Zwischenbericht<br />
legte der RTH im Januar 2010 der Öffentlichkeit<br />
vor und nach insgesamt zehn Sitzungen folgte im Dezember<br />
2010 der Abschlussbericht an den Deutschen Bundestag. Er<br />
enthielt als Ergebnis der Beratungen die Empfehlung an den<br />
Bundestag, die Landesparlamente und die beteiligten Kirchen<br />
und Verbände, sich finanziellen Wiedergutmachungsansprüchen<br />
ehemaliger Heimkinder im Rahmen eines zu gründenden<br />
Fonds zu stellen und sie bei der Aufarbeitung traumatischer<br />
Erfahrungen zu unterstützen. 6<br />
Im Rahmen seiner Tätigkeit forderte der RTH die Bundesländer<br />
dazu auf, sich an der Aufarbeitung der Geschichte der Heimerziehung<br />
von 1949 bis 1975 zu beteiligen. Sie sollten sich zudem<br />
der regionalen Anrufe und Schreiben ehemaliger Heimkinder<br />
annehmen und ihnen Hilfe bei der Aufarbeitung ihrer individuellen<br />
Heimbiographie anbieten. 7<br />
1.2 Die Bremer Initiative<br />
Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages empfahl im<br />
November 2008 die Aufarbeitung der Situation von Kindern<br />
und Jugendlichen in Erziehungsheimen in den Jahren 1945 bis<br />
1975. Mit Beschluss des Deutschen Bundestages zur Weiterleitung<br />
an die Länder erreichte die Petition des »Verein ehemaliger<br />
Heimkinder« Ende 2008 auch den Bremischen Petitionsausschuss.<br />
Das Landesjugendamt Bremen teilte dem Petitionssausschuss<br />
des Bundestages im Februar 2009 mit, dass für das<br />
Land Bremen eine eigene Dokumentation beabsichtigt sei.<br />
Noch während des laufenden Petitionsverfahrens im Bundestag<br />
wurde bereits im Herbst 2008 auf Initiative der Obersten<br />
Landesjugendbehörde und des Landesjugendamtes Bremen<br />
die Aufarbeitung der Heimerziehung im Land Bremen angeregt.<br />
Aus dieser Initiative bildete sich Anfang 2009 der regionale<br />
»Arbeitskreis zur Aufarbeitung der Heimerziehung im<br />
Land Bremen« (AK). Neben Vertreterinnen und Vertretern des<br />
Landes/Landesjugendamtes, des Amtes für Soziale Dienste Bremen<br />
(AfSD) und des Amtes für Jugend, Familie und Frauen Bremerhaven<br />
engagieren sich darin Vertreterinnen und Vertreter der<br />
Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Bremen<br />
(Arbeiterwohlfahrt, Caritasverband, Diakonisches Werk, Paritätischer<br />
Wohlfahrtsverband, einzelne Einrichtungsträger) und<br />
der Wissenschaft.<br />
Das oberste Anliegen des AK bestand zunächst darin, den<br />
Betroffenen die Möglichkeit zur Äußerung ihrer Erfahrungen<br />
und Anliegen zu geben. Deshalb schaltete der AK, analog zur<br />
Bundesebene, zunächst eine Hotline und eine E-Mail-Adresse<br />
frei, an die sich ehemalige Heimkinder bei Interesse wenden<br />
konnten. Beide wurden beim Amt für Soziale Dienste Bremen<br />
(AfSD) eingerichtet. Durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit wurde<br />
in der regionalen Presse auf diese Kontaktmöglichkeiten aufmerksam<br />
gemacht. 8 Jede/r Anrufer/in erhielt das Angebot weiterer<br />
Gespräche mit Ansprechpersonen aus den beteiligten<br />
Insti tutionen oder neutralen Fachkräften. Die Anrufenden wurden<br />
auch darum gebeten, ihre Berichte für diese Dokumentation<br />
zur Verfügung zu stellen.<br />
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