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In der Zeit der Senatorin musste auch das Verhältnis zwischen<br />

Staat und Freien Trägern neu geregelt werden. In Auseinandersetzung<br />

um das im Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG) von 1961<br />

neu verankerte Subsidiaritätsprinzip erzielte die Senatorin mit<br />

der Evangelischen Kirche eine Übereinkunft für eine partnerschaftliche<br />

Zusammenarbeit zwischen Staat, der Kirche und<br />

den Wohlfahrtsverbänden und stärkte damit die im Gesetz verankerte<br />

Vorrangigkeit Freier Träger vor dem Staat. 302<br />

Das Landesjugendamt blieb auch in dieser Periode ein Referat<br />

innerhalb der Abteilung 3 (Jugendhilfe) des Senatsressorts.<br />

Einen Bedeutungszuwachs erhielt es durch die neuen Regelungen<br />

zur Heimaufsicht, über die das Amt auch stärker auf Entwicklungen<br />

der Heimerziehung durch Freie Träger Einfluss nehmen<br />

konnte. 303 Zudem fiel ihm durch die Einführung der<br />

Freiwilligen Erziehungshilfe die Verantwortung für ein erweitertes<br />

Klientel zu. 304 Zusätzlich erhielt es 1964 die Zuständigkeit<br />

für Grundsatzfragen der Bewährungshilfe für junge Menschen.<br />

Von besonderer Bedeutung wurde schließlich, dass ihm 1967<br />

die Verantwortung für die staatliche Anerkennung von männlichen<br />

und weiblichen Erziehern und Sozialarbeitern übertragen<br />

wurde. Das Landesjugendamt verfügte nunmehr über Mittel zur<br />

direkten Einflussnahme auf Ausbildungskonzepte und -inhalte.<br />

Im stadtbremischen Jugendamt übernahm 1957 Günter<br />

Stahl die Leitung des Jugendamts. Nach seiner Bestellung zum<br />

Senatsdirektor (1963) rückte als Jugendamtsleiter der Psychologe<br />

Hans Marschner nach, auf den verschiedene Umstrukturierungen<br />

und eine allmähliche Modernisierung der Jugendhilfe<br />

zurückgehen. 305 Organisatorisch behielt das Amt zunächst die<br />

schon in den 1950er Jahren bestehende Struktur mit fünf Abteilungen<br />

und der Außenstelle Nord bei. 306 Im nachfolgenden<br />

Jahrzehnt passte es sich dann aber organisatorisch und terminologisch<br />

den neuen Gesetzen, den jüngeren Fachdebatten<br />

und den wechselnden Schwerpunktsetzungen des Jugendressorts<br />

an. 307 In mehreren Zwischenschritten entschloss man<br />

sich im Jugendamt zu einer grundlegenden, den tatsächlichen<br />

Arbeitszusammenhängen gerechter werdenden internen Reorganisation.<br />

In einer neuen Abteilung »Erziehungshilfe« waren<br />

nun erstmals die Allgemeine Erziehungshilfe und die Familienund<br />

Heimpflege für alle Kinder und Jugendlichen in der Verantwortung<br />

der kommunalen Jugendhilfe zusammengefasst. 308 In<br />

der Abteilung, zu der auch die Jugendhilfsstelle und ein Abschnitt<br />

»Drogenmißbrauch« gehörte, waren 23 Sachbearbeiter beschäftigt,<br />

zu denen noch neun Beschäftigte in der Außenstelle Nord<br />

kamen. 309 Von Bedeutung wurde auch die Regionalisierung der<br />

Erziehungshilfe, die die bisherige Zuständigkeit nach Buchstaben<br />

ablöste. Sie brachte einen ersten Einstieg in sozialräumliches,<br />

an den Problemen der Stadtteile orientiertes Denken. Für<br />

Kinder bis 14 Jahren musste allerdings weiterhin mit dem Amt<br />

für Familienhilfe, zuständig für den Außendienst wie Vorermittlungen<br />

in den Familien, kooperiert werden, was zu Beschwerden<br />

über Doppelarbeit und schlecht koordinierte Entscheidungsprozesse<br />

beitrug. Beklagt wurde auch die hohe Fallzahl<br />

der einzelnen Sachbearbeiter. Diese lag 1972 bei 70, was 40<br />

mehr waren, als die Arbeitsgemeinschaft der Jugendämter für<br />

angemessen hielt. 310 Im Volkshaus fehlte es außerdem an Beratungszimmern<br />

für Gespräche mit Eltern, »so dass Eltern vor den<br />

Ohren anderer Sachbearbeiter ihre Sorgen vorbringen müssen.« 311<br />

Das Jugendamt Bremerhaven nahm, soweit den wenigen<br />

Berichte entnommen werden kann, im gesamten Berichtszeitraum<br />

1960 bis 1975 keine wesentlichen organisatorischen und<br />

konzeptionellen Veränderungen vor. 312 Die entscheidenden<br />

Schwerpunkte der Jugendamtsarbeit bildeten die, auch in den<br />

späten 1970er Jahren noch so benannte, Jugendfürsorge und die<br />

Jugendpflege. Die Jugendfürsorge umfasste sowohl die Amtsvormundschaft,<br />

das Pflegekinderwesen, den Betrieb von Heimen<br />

und Kindertagesheimen, die offene Erziehungshilfe und die<br />

Antragstellung für die Fürsorgeerziehung sowie die Freiwillige<br />

Erziehungshilfe, die Jugendgerichtshilfe und den Jugendschutz.<br />

1969 kam ein jugendpsychologischer Beratungsdienst dazu.<br />

Einen Einblick in die Arbeitssituation Mitte der 1960er Jahre<br />

vermittelt der Bericht des Magistrats für die Jahre 1963 bis<br />

1966:<br />

»Die beiden in der männlichen Erziehungshilfe tätigen Sozialarbeiter<br />

betreuen ca. 600 Einzelfälle. Außerdem nahm die<br />

männliche Erziehungshilfe zu 446 Anträgen auf Volljährigkeits-<br />

und Ehemündigkeitserklärung Stellung und führte 125<br />

Transporte durch, bei denen Minderjährige in Heime oder<br />

nach auswärts zurück ins Elternhaus gebracht wurden.« 313<br />

4.3.1.3 Neue Probleme und neue Denkfiguren<br />

Die wichtigsten jugendfürsorgerischen Themen für die Behörden<br />

der 1950er Jahre waren, wie im Abschnitt 4.2 ausgeführt,<br />

die Berufsnot der Jugend und der Wandel im Erscheinungsbild<br />

und den Ursachen der Jugendverwahrlosung und -Gefährdung.<br />

Ohne diese völlig zu verdrängen, rückten in den 1960er Jahren<br />

zwei neue Themen in den Mittelpunkt des Interesses. Im neuen<br />

Jahrzehnt wurden die Ursachen für Gefährdung, Verwahrlosung<br />

und Heimerziehungsbedürftigkeit im »Mangel an Erziehungskraft<br />

vieler Eltern« und in den »störenden und gefährdenden Einflüssen<br />

der Umwelt« auf Kinder und Jugendliche ausgemacht. 314<br />

Programmatisch für die ganze erste Hälfte des Jahrzehnts<br />

führte der Tätigkeitsbericht des Jugendamts 1961 aus:<br />

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