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sorgung kamen entweder die Angehörigen auf, oder sie wurden<br />

aus den Mitteln privater Wohltätigkeit verköstigt und erzogen.<br />

Wo dies nicht ausreichte oder nicht verfügbar war, sprang die<br />

Armenpflege mit öffentlichen Mitteln ein. Mit dem RJWG von<br />

1922 ging die Fürsorge für hilfsbedürftige Minderjährige von<br />

der Armenpflege grundsätzlich auf die Jugendämter über und<br />

gehörte zu ihren Pflichtaufgaben. In Bremen gab es eine entsprechende<br />

Regelung – nach Gründung des Bremer Jugendamtes<br />

– bereits seit 1913. Die Kinder galten, auch dann, wenn sie<br />

in der eigenen Familie mit oder ohne zusätzlicher Unterbringung<br />

in einer Kinderkrippe, einem Kindergarten, einem Kinderhort,<br />

einem Waisenhaus oder einer besonderen Einrichtung für<br />

behinderte Kinder versorgt wurden, in rechtlicher Hinsicht als<br />

Pflegekinder, deren Beaufsichtigung den Jugendämtern unterlag.<br />

49<br />

Wegen dieser Besonderheiten und weil das RJWG noch bis<br />

1961 mehr oder weniger unverändert fortbestand, ›versteckten‹<br />

sich die Fälle der örtlichen Erziehungshilfen in Heimen und<br />

Anstalten in den Statistiken über Pflegekinder oder über öffentliche<br />

Sozialleistungen. Lediglich interne Berichte der Jugendämter<br />

und Behörden berichteten direkt über die Belegungszahlen<br />

in Säuglingsheimen, Kinderheimen und Waisenhäusern. In<br />

Bremen erhielten immer mehrere hundert Kinder beziehungsweise<br />

Eltern nach dem Krieg eine örtliche Hilfe zur Erziehung in<br />

einem Heim. Erst das JWG von 1961 benannte sie als eine<br />

besondere Gruppe von Kindern mit einem Anspruch auf Unterstützung<br />

im Bedarfsfall und ordnete sie den örtlichen Jugendämtern<br />

als »weitere Aufgabe« zu. 50<br />

Die konkrete rechtliche Grundlage der örtlichen Hilfe zur Erziehung<br />

bildeten die §§ 5 und 6 JWG. Der § 5 verpflichtete die<br />

Jugendämter dazu, für eine ausreichende Anzahl von Einrichtungen<br />

Sorge zu tragen – unter anderem für Hilfen für die Mutter<br />

und das Kind vor und nach der Geburt, zur Pflege und Erziehung<br />

von Säuglingen, Kleinkindern und von Kindern im<br />

Schulalter außerhalb der Schule und für Erziehungshilfen während<br />

der Berufsvorbereitung, Berufsausbildung und Berufstätigkeit<br />

einschließlich der Unterbringung außerhalb des Elternhauses.<br />

Durch § 6 wurden die örtlichen Jugendämter zusätzlich<br />

dazu verpflichtet, die entsprechenden »notwendigen Hilfen zur<br />

Erziehung für einzelne Minderjährige dem jeweiligen erzieherischen<br />

Bedarf entsprechend rechtzeitig und ausreichend zu<br />

gewähren« und die für den »notwendigen Lebensunterhalt«<br />

erforderlichen Mittel bereit zu stellen. Soweit zumutbar konnten,<br />

wie das Bremische Ausführungsgesetz zum JWG von 1961<br />

ausdrücklich feststellte, die Minderjährigen selbst (soweit über<br />

Vermögen oder Einkünfte verfügend) und ihre Eltern zu den<br />

Kosten, einschließlich der anfallenden Personalkosten, herangezogen<br />

werden. 51<br />

Die elterlichen Rechte wurden mit der Gewährung einer Hilfe<br />

nach den §§ 5 und 6 JWG grundsätzlich nicht angetastet, sodass<br />

sie jederzeit die Herausgabe ihres Kindes aus dem Heim (oder<br />

aus einer Pflegefamilie) verlangen konnten. Sie mussten, wenn<br />

die Heime oder das Jugendamt gewichtige Gründe gegen die<br />

Herausnahme geltend machten, allerdings nachträglich mit<br />

einer vormundschaftsgerichtlichen Einschränkung ihrer Rechte<br />

rechnen. 52<br />

Heimerziehung wegen Gefährdung des<br />

Kindeswohls (§ 1666 BGB)<br />

Die Gewährung einer »Hilfe zur Erziehung nach § 5 in Verbindung<br />

mit § 6« (JWG) (so die offizielle Bezeichnung) bedeutete, wie<br />

schon angedeutet, nicht, dass die Eltern einer solchen Hilfe<br />

unbedingt zustimmen mussten. In etwa einem Viertel der Fälle<br />

erfolgte die Unterbringung nach einer Anordnung oder einer<br />

Entscheidung des Vormundschaftsgerichts und war dann in der<br />

Regel mit einem Sorgerechtsentzug beziehungsweise dem Entzug<br />

des Aufenthaltsbestimmungsrechts verbunden. 53<br />

Den vollständigen oder teilweisen Sorgerechtsentzug gemäß<br />

§ 1666 BGB gibt es seit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs<br />

im Jahr 1900. In seiner ursprünglichen Formulierung lautete<br />

der Paragraph:<br />

»Wird das geistige oder leibliche Wohl des Kindes dadurch<br />

gefährdet, daß der Vater das Recht der Sorge für die Person<br />

des Kindes mißbraucht, das Kind vernachlässigt oder sich<br />

eines ehrlosen oder unsittlichen Verhaltens schuldig macht,<br />

so hat das Vormundschaftsgericht die zur Abwendung der<br />

Gefahr erforderlichen Maßregeln zu treffen. Das Vormundschaftsgericht<br />

kann insbesondere anordnen, daß das Kind<br />

zum Zwecke der Erziehung in einer geeigneten Familie oder<br />

in einer Erziehungsanstalt oder in einer Besserungsanstalt<br />

untergebracht wird.«<br />

In dieser Fassung blieb der § 1666 im Wesentlichen bis 1958<br />

bestehen. 54 Im Falle der Anwendung des § 1666 konnte das<br />

Vormundschaftsgericht den Eltern entweder das Aufenthaltsbestimmungsrecht<br />

entziehen und auf das Jugendamt übertragen<br />

oder selbst eine Heimunterbringung in einem bestimmten<br />

Heim anordnen. Gegen einen solchen Beschluss konnten die<br />

Eltern und über 14-jährige Kinder zwar Beschwerde einlegen,<br />

faktisch entschieden aber die Gerichte auf Anregung der<br />

Jugendämter, ob und wann eine Maßnahme nach § 1666 zu<br />

beenden war. 55<br />

In der Bremer Jugendamtspraxis wurden Heimunterbringungen<br />

dieser Art als Sorgerechtsfälle gekennzeichnet und damit von<br />

anderen Unterbringungen gemäß der §§ 5 und 6 JWG abgehoben.<br />

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