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5.3 Konsequenzen der Vergangenheit und die Gestaltung<br />
der Zukunft<br />
Zum Abschluss der Dokumentation ergibt sich ein Bündel von<br />
Fragen, für das im Folgenden nach Antworten gesucht wird.<br />
Der erste Komplex (5.3.1) fragt nach der Anerkennung des erlittenen<br />
Unrechts und der Übernahme von Verantwortung durch<br />
Bund, Länder und Kommunen sowie durch Träger und Repräsentanten<br />
der früheren Heime: Wie stehen das Land, die Akteure<br />
und der AK in Bremen zu den Ergebnissen und der Wiedergutmachungsempfehlung<br />
des RTH Was wird den Betroffenen<br />
zukünftig zur Aufarbeitung angeboten<br />
Anschließend (5.3.2) werden Fragen danach beantwortet, welche<br />
Konsequenzen für die öffentliche Erziehung aus der Vergangenheit<br />
gezogen werden können und inwieweit diese seit<br />
den 1970er Jahren bereits umgesetzt wurden. Dabei lassen sich<br />
Entwicklungen auf der Bundesebene und spezifisch bremische<br />
Ausformungen unterscheiden: Wurde überwunden, was die<br />
Heimreformen zu überwinden versprachen Welche Rolle nimmt<br />
die Planung von Kontinuität im Leben von Jugendhilfekindern<br />
ein Existieren neue Formen von ›Abschiebung‹ Wie sieht die<br />
offizielle Haltung zu neuen Diskussionen über das ›Wegsperren‹<br />
schwieriger Jugendlicher aus Wie steht es um die Chancengleichheit<br />
von Kindern und Jugendlichen in Heimen und anderen<br />
Jugendhilfeeinrichtungen Die vorliegende Studie zeigte<br />
die enorme Diskrepanz zwischen offiziellem Programm und dem,<br />
was die Kinder und Jugendlichen erlebten. Weiß man heute<br />
genügend über die subjektive Perspektive Wird sie im Alltag<br />
berücksichtigt Wie sind die Beteiligungs-, die Beschwerdemöglichkeiten<br />
und die Garantie von Kinder- und Jugendrechten in<br />
den Heimen heute ausgestaltet<br />
5.3.1 Anerkennung von Unrecht und<br />
Hilfen zur Aufarbeitung<br />
Der Abschlussbericht des RTH weist eindringlich auf das an den<br />
ehemaligen Heimkindern geschehene Unrecht und die aus der<br />
Heimerziehung resultierenden Folgeschäden hin und hält eine<br />
öffentliche Bitte um Verzeihung für das Leid, das den Betroffenen<br />
zugefügt wurde, für geboten. 444 Er empfahl zudem die Einrichtung<br />
eines bundesweiten Fonds, um den erlittenen immateriellen<br />
und materiellen Schäden entgegenzuwirken. Die<br />
Empfehlung und Einrichtung des Fonds stellen einen wichtigen<br />
Schritt dar, um den Betroffenen bei der dringenden Bewältigung<br />
des erlittenen Unrechts zumindest eine finanzielle Hilfestellung<br />
zu leisten. Die finanzielle Unterstützung für eine individuelle<br />
Aufarbeitung bezieht sich auf immaterielle Schäden<br />
(»Fonds für Folgeschäden der Heimerziehung«), die Hilfe für<br />
materielle Schäden versteht sich hauptsächlich als Ausgleich<br />
für entgangene Rentenzahlungen (»Rentenersatzfonds«). Das<br />
Gesamtvolumen umfasst nach hierzu erfolgter Beschlusslage<br />
120 Mio. Euro, von denen jeweils ein Drittel der Bund, die Länder<br />
sowie die katholische und protestantische Kirche gemeinsam<br />
tragen. 445 Bund, Länder und die Kirchen haben sich im<br />
Weiteren auf eine Struktur regionaler Anlauf- und Beratungsstellen<br />
der Länder verständigt, die das Anliegen und<br />
die Anträge ehemaliger Heimkinder aufnehmen, diese beraten<br />
und die Anträge nach bundeseinheitlichen Kriterien bewerten.<br />
Soweit nicht die Länder selbst auszahlungsberechtigt<br />
sind, werden die geprüften Anträge an die eingerichtete bundeszentrale<br />
Entschädigungsstelle weitergeleitet. Von Seiten der<br />
Betroffenvertretung kritisiert bleiben dabei – trotz erfolgter<br />
Zustimmung zum ausgehandelten Verfahren – der im Einzelfall<br />
in der Höhe auf maximal 10.000 Euro begrenzte Betrag, das insgesamt<br />
begrenzte Volumen des Fonds, die erfolgte Beschränkung<br />
auf bestehende Folgeschäden und der damit einhergehende<br />
Ausschluss einer vorbehaltlosen allgemeinen finanziellen<br />
Anerkennung erlittenen Unrechts. 446<br />
Wenn auch das erlittene Unrecht nicht wieder gut gemacht<br />
werden kann, so bedeutet die Einrichtung des Fonds eine moralische<br />
Anerkennung und die Übernahme der Verantwortung<br />
durch die Repräsentanten der damals beteiligten Institutionen.<br />
Die historische Aufarbeitung und Offenlegung der Heimerziehung<br />
im Land Bremen war Ziel dieser Dokumentation. Wie für<br />
viele auswärtige Einrichtungen, in die auch Bremer Kinder und<br />
Jugendliche systematisch vermittelt wurden, und zu denen<br />
zum Teil gesonderte Eigendokumentation der Träger vorliegen,<br />
ließen sich auch für Einrichtungen in beiden Kommunen des<br />
Landes Bremen strukturelle sowie träger- und einrichtungsspezifische<br />
Missstände in der öffentlichen Erziehung nachweisen.<br />
Auch hier kam es zu gewaltsamen Übergriffen, auch hier erlitten<br />
Kinder und Jugendliche körperliche und seelische Schäden,<br />
die ihren gesamten Lebensweg beeinflussten.<br />
Vor dem Hintergrund der bundesweiten und der spezifisch bremischen<br />
Erfahrungen haben die Mitglieder und beteiligten Institutionen<br />
des Bremer AK und das Land Bremen die Einrichtung<br />
eines Unterstützungsfonds daher begrüßt und aktiv mitunterstützt.<br />
Sie erkennen damit auch stellvertretend für die von<br />
ihnen vertretenen Institutionen das erlittene Leid an und übernehmen<br />
als Repräsentanten ihren Teil der Verantwortung für<br />
die damaligen Zustände.<br />
Über die Hilfestellung des Fonds und die damit versuchte Wiedergutmachung<br />
hinaus bieten einzelne Heime (St. Petri, Alten<br />
Eichen, St. Johannis) schon seit längerer Zeit und unabhängig<br />
von den Initiativen des Runden Tisches über einrichtungsbezogene<br />
Ehemaligentreffen eine weitere Möglichkeit der Aufarbeitung.<br />
Zum Teil unter Einbeziehung von derzeit in den Einrichtungen<br />
lebenden Kindern und Jugendlichen können die ehemaligen<br />
Heimkinder an regelmäßigen Treffen teilnehmen und sich über<br />
ihre Erfahrungen austauschen.<br />
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