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anders als im Alltag. Aus katholischen Waisenhäusern wurden<br />
die Kinder im ersten Nachkriegsjahrzehnt auch manchmal in<br />
Ferienpflegefamilien im ländlichen Raum verschickt.<br />
3.3.6 Erziehungsmethoden und<br />
Praktiken<br />
Von strafenden Interventionen der Erzieher und der Heimleitungen<br />
(Ausgangssperren, Zwangsverlegungen) wurde schon<br />
in mehreren Abschnitten berichtet. In diesem Abschnitt geht es<br />
zum einen um spezifische Erziehungspraktiken, mit denen die<br />
Kinder oder Jugendlichen zu Anpassung und Gehorsam ›erzogen‹<br />
werden und über die ihr Wille gebrochen werden sollte.<br />
Hinzu kommen die in den 1950er und 1960er Jahren noch weit<br />
verbreiteten körperlicher Strafen sowie demütigende Prozeduren<br />
und seelische Verletzungen von Kindern.<br />
Essenszwang<br />
Aus verschiedenen Heimen berichteten die ehemaligen Heimkinder,<br />
dass sie zum Essen gezwungen wurden und auch Erbrochenes<br />
wieder essen mussten.<br />
Essenszwang in St. Johannis<br />
Das Mädchen mochte keine heiße Milch und schon gar nicht<br />
die Haut, die sich bildete. Weil sie nicht essen wollte, musste<br />
sie den ganzen Tag vor ihrem Becher sitzen und durfte<br />
nichts anderes tun. (G3, JA Bremen, 1954 – 1957) – Bei einem<br />
anderen Gesprächspartner heißt es: »Wer Mittags nicht den<br />
Teller leer aß, bekam den ganzen Tag über nichts mehr zu<br />
essen. Für mich war das immer schlimm, weil ich dann auch<br />
keins der nachmittäglichen Marmeladenbrote abbekam, die<br />
ich so gerne aß.« (G46, JA Bremen, 1953 – 58) – Eine dritte<br />
Gesprächspartnerin, damals zehn Jahre alt, wurde Zeugin<br />
eines Vorfalls, der sie noch heute erschüttert. Ein etwa dreijähriges<br />
Mädchen wurde von einer Nonne gefüttert. Nachdem<br />
es sich beim Essen erbrach, fütterte die Nonne ihr das<br />
Erbrochene wieder ein. (G29, JA Oldenburg, 1951 – 1954)<br />
Essenzwang in Alten Eichen<br />
Zum Frühstück gab es in Alten Eichen oft Brotsuppe, die<br />
eigentlich niemand mochte, die aber unbedingt aufgegessen<br />
werden musste. Die Gesprächspartnerin erinnerte sich,<br />
dass Erbrochenes wieder geschluckt werden musste.<br />
(G49, JA Bremen, 1959 – 1969)<br />
Essenzwang im Kinderheim Hohewurth<br />
»Das Mittagessen war immer mit Rindertalg zubereitet, es war<br />
einfach eklig. Ich musste aber alles essen. Wenn ich es dann<br />
erbrach, wurde es mir wieder eingelöffelt. Einmal hat man mich<br />
deshalb sogar nackt auf eine Pritsche gelegt und mich mit<br />
einem Stock verprügelt.« (T1, JA Bremerhaven, 1951 – 1952)<br />
Umgang mit bettnässenden Kindern<br />
Bettnässen wurde in vielen der traditionellen Waisenhäuser,<br />
obwohl sehr häufig vorkommend, vielfach als Trotzreaktion<br />
und Unart gedeutet, der nur durch Beschämung und Bloßstellung<br />
beizukommen sei.<br />
Schläge im Kreis der anderen Kinder<br />
Eine Gesprächspartnerin erinnerte sich, dass sich in<br />
St. Johannis die Bettnässer in einem Kreis der anderen Kinder<br />
hinstellen mussten und Schläge mit der flachen Hand<br />
oder mit dem Stock bekamen (G3, JA Bremen, 1954 – 1957).<br />
Einem anderen blieb im Gedächtnis, dass er als Bettnässer<br />
immer an einem extra Tisch sitzen musste, an dem es gesondertes<br />
Essen für Bettnässer gab (G28, JA Bremen, 1939 –1942).<br />
Schwein zu Schweinen<br />
In einem katholischen Erziehungsheim wurde jede Abweichung<br />
hart bestraft. Bettnässer mussten ihr nasses Bettzeug<br />
morgens selbst in das Waschhaus tragen und es dort eigenhändig<br />
waschen und bügeln. Manchmal mussten sie stundenlang<br />
nur im Nachthemd auf dem Flur stehen und dabei<br />
rezitieren: »Ich mach nicht mehr ins Bett, ich mach nicht mehr<br />
ins Bett.« Der Gesprächspartner selbst wurde einmal nach<br />
dieser Prozedur zusätzlich in den Schweinestall des Heims<br />
gesperrt, »Schwein zu Schweinen«, hieß es. »Als man mich<br />
abends wieder rausholte, kam ich unter die Dusche, um mich<br />
vom Gestank des Stalls zu befreien.« (G6, JA Mönchengladbach,<br />
1964 – 1969)<br />
Das nasse Betttuch um die Ohren geschlagen<br />
Aus ihrer Zeit in Hohewurth erinnert sich eine Gesprächspartnerin,<br />
dass bettnässenden Kindern das nasse Betttuch<br />
um die Ohren geschlagen wurde. (T1, JA Bremerhaven, 1951–<br />
1952)<br />
Kleinkind ins kalte Wasser<br />
Aus dem St. Johannis Kinderheim erzählte eine Gesprächspartnerin:<br />
»Ich war zur Toilette und hörte, wie jemand kam<br />
und Wasser in die Badewanne einlaufen ließ. Ich fasste in das<br />
Wasser. Es war kalt. Als ich wieder Schritte hörte, lief ich wieder<br />
runter zur Toilette. Da kam eine Nonne mit einem etwa zweijährigen<br />
Jungen, der noch ins Bett machte. Sie tauchte den<br />
Jungen in das kalte Wasser.« (G29, JA Oldenburg, 1951)<br />
Weitere Berichte: Im Hermann-Josef-Stift in Euskirchen, einem<br />
FE-Heim für Jungen, mussten Bettnässer »vor versammelter<br />
Mannschaft das Bettlaken hochhalten und der jubelnden Menge<br />
die Schande zeigen« (G32, JA Rheinhausen, um 1960). In anderen<br />
Heimen waren die Kinder dem Spott und den Hänseleien<br />
der anderen Kinder ausgesetzt. Dass diese Praktiken nicht<br />
alleine dem Zeitgeist geschuldet waren, zeigt ein Bericht aus<br />
dem KWH Metzerstraße: »Es gab bei uns auch immer Bettnässer.<br />
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