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5.3.2 Konsequenzen für die heutige<br />

Heimerziehung 447<br />

Wie beschrieben, änderte sich mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen<br />

seit den 1970er Jahren auch die Sicht auf die<br />

öffentliche Erziehung. Von der Fachwelt und einzelnen Heimen<br />

bereits vorher problematisierte Missstände rückten in den Blickpunkt<br />

der Öffentlichkeit und wurden allmählich auch breiter<br />

diskutiert. Mit der Inkraftsetzung des Sozialgesetzbuch (SGB)<br />

Achtes Buch (VIII) Kinder- und Jugendhilfe 1990/91, das das<br />

Jugendwohlfahrtsgesetz ablöste, schlug sich diese Entwicklung<br />

auch gesetzlich nieder. 448<br />

Auf der verfassungsrechtlichen Ebene vollzog sich dieser<br />

Perspektivwechsel dadurch, dass nicht der (reaktive) Eingriff<br />

des Staates in die elterliche Erziehungsverantwortung bei der<br />

Gefährdung des Kindeswohls (Art. 6 Abs. 2, 3 GG) im Vordergrund<br />

steht, sondern die Förderung und der präventive Schutz<br />

von Kindern und Jugendlichen vor Gefahren für ihre Entwicklung.<br />

449 Auf Wunsch oder einvernehmlich mit den sorgeberechtigten<br />

Eltern unterstützt und stärkt die Jugendhilfe deshalb die<br />

Erziehungsverantwortung der Eltern. Die Unterstützung der<br />

elterlichen Erziehungsverantwortung ist zugleich und in erster<br />

Linie Förderung der Entwicklung des Kindes und Jugendlichen.<br />

Durch Beteiligungs- und Mitspracherechte trägt das Gesetz<br />

zusätzlich der wachsenden Mündigkeit von Kindern und<br />

Jugendlichen Rechnung. Eingriffe in die elterliche Sorge zum<br />

Schutz des Kindes oder Jugendlichen bleiben im Regelfall dem<br />

Familiengericht vorbehalten.<br />

Auf der leistungsrechtlichen Ebene (Kinder- und Jugendhilfegesetz;<br />

SGB VIII) vollzog sich der Perspektivenwechsel über<br />

einen umfänglichen, auch individuelle Lösungen ermöglichenden,<br />

Katalog von Leistungsangeboten. Es gibt gleichermaßen<br />

Förderangebote für junge Menschen wie für die Familien insgesamt.<br />

Zu ihnen gehören auch individuelle Leistungen für Kinder,<br />

Jugendliche und ihre Eltern sowie junge Volljährige in unterschiedlichen<br />

Lebenslagen und Erziehungssituationen. Eltern als<br />

Leistungsberechtigte sollen in die Lage versetzt werden, die<br />

Erziehung des Kindes selber sicherzustellen. Sie haben einen<br />

Rechtsanspruch auf Sozialleistungen, ein Wunsch- und Wahlrecht<br />

und ein Mitwirkungsrecht. Dieses drückt sich besonders in ihrer<br />

Beteiligung an der Hilfeplanung (gem. § 36 SGB VIII), in der es<br />

um die Planung der im Einzelfall geeigneten und notwendigen<br />

Hilfe geht, aus. Oberstes Leitprinzip des Kinder- und Jugendhilfegesetzes<br />

ist die Sicherung des Wohls des Kindes. Diese<br />

Änderungen wirken sich auch auf die Heimerziehung aus.<br />

Ein weiterer wichtiger Eckpunkt zum Schutz von Kindern und<br />

Jugendlichen auch im Hinblick auf die Heimerziehung war das<br />

im Jahr 2000 verabschiedete Gesetz zur Ächtung der Gewalt<br />

in der Erziehung. Danach haben Kinder und Jugendliche ein<br />

Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. Der Gesetzgeber erklärte<br />

körperliche Bestrafung, seelische Verletzungen und andere entwürdigende<br />

Maßnahmen für unzulässig (§ 1631 BGB). 450<br />

Vor dem Hintergrund vermehrter Meldungen über Kindstötungen,<br />

Kindesmisshandlungen und Vernachlässigungen trat zum<br />

01.01.2012 das Bundeskinderschutzgesetz (BKSchG) in Kraft.<br />

Das Gesetz ergänzt die seit der Verabschiedung des SGB VIII im<br />

Jahr 1990 und nachfolgenden Novellierungen vorgenommenen<br />

Verbesserungen von Schutzmaßnahmen (zum Beispiel Einführung<br />

des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung nach<br />

§ 8a SGB VIII durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz,<br />

KICK) und Leistungen. Dabei handelt es sich um<br />

weitergehende Schutzbestimmungen in Bezug auf die Feststellung<br />

der persönlichen Eignung von Fachkräften (Vorlage erweiterter<br />

Führungszeugnisse) sowie um eine bundesgesetzliche<br />

Verpflichtung zur Sicherung von Beteiligungs- und Beschwerderechten<br />

von in Einrichtungen lebenden jungen Menschen.<br />

Hinzu treten gesetzliche Meldepflichten von Ereignissen und<br />

Entwicklungen, die das Wohl der Kinder und Jugendlichen<br />

beeinträchtigen könnten, und die Verpflichtung zu verbindlichen<br />

Qualitätsstandards. 451<br />

Auch wenn es nach mehreren Gesetzesinitiativen der Länder,<br />

auch des Landes Bremen, bisher nicht gelungen ist, Kinderrechte<br />

im Grundgesetz zu verankern, sind seit 2003 Kinderrechte in<br />

der Bremischen Landesverfassung aufgenommen.<br />

Empfehlungen und Forderungen des<br />

Runden Tisches<br />

Obwohl sich die Bedingungen für die Kinder und Jugendlichen<br />

in der öffentlichen Erziehung im Vergleich zu den 1950er und<br />

1960er Jahren wesentlich verbessert haben, benannte der RTH<br />

aufgrund der historischen Erfahrungen Themenfelder, die auch<br />

heute noch problematisch sind. Diese beziehen sich unter<br />

anderem auf die Heimaufsicht und insbesondere auf die Erteilung<br />

von Betriebserlaubnissen für Einrichtungen. Der Abschlussbericht<br />

des RTH fordert Mindeststandards für den Betreuungsschlüssel,<br />

verbindlich festgelegte Standards zu Platzzahlen in<br />

Heimen, die fortlaufende Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung<br />

in den Bereichen Aus- und Weiterbildung sowie<br />

Supervision der Fachkräfte, die Einrichtung unabhängiger Partizipations-<br />

und Beschwerdemöglichkeiten für die Kinder und<br />

Jugendlichen und schließlich die Vorlage von Konzeptplanungen<br />

für die Erziehung und Betreuung der Kinder und Jugendlichen<br />

in den Einrichtungen und den durchgängigen Abschluss<br />

von Qualitätsentwicklungsvereinbarungen zwischen den Trägern<br />

und den Ämtern. 452<br />

Bremische Entwicklungen in der öffentlichen<br />

Erziehung<br />

Ein Blick in die Heimrichtlinien des Landes Bremen aus dem Jahr<br />

2008 zeigt, dass diese in wesentlichen Punkten den jetzt aufgestellten<br />

Forderungen des RTH und den neuen Anforderungen des<br />

Bundeskinderschutzgesetzes bereits entsprechen. 453 So wurden<br />

– als Grundvoraussetzung für die Erteilung einer Betriebserlaubnis<br />

– beispielsweise Beteiligungsmöglichkeiten und unabhängige<br />

Beschwerderechte für die Kinder und Jugendlichen ebenso<br />

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