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4.1.3.1 Heime und andere Erziehungsmaßnahmen<br />

für »wandernde und<br />

verwahrloste« männliche Jugendliche<br />

Von besonderer Bedeutung für die ersten Nachkriegsjahre<br />

waren die Unterbringung und Versorgung wandernder, oft völlig<br />

entwurzelter männlicher Jugendlicher, da Bremen sich verpflichtet<br />

hatte, sie nicht in andere Regionen abzuschieben. Eine räumliche<br />

Möglichkeit ergab sich in freigewordenen Baracken am Halmerweg<br />

in Gröpelingen. 145 War man anfangs noch bemüht, der<br />

»bereits fortgeschrittenen Verwilderung und Verwahrlosung« der<br />

14- bis 23-jährigen Jungen mit den »bewährten Prinzipien der<br />

demokratischen Jugendbewegung« – Gemeinschaft, Selbstregulierung,<br />

Vorbildverhalten der Pädagogen, verständnisvolle Anleitung<br />

– zu begegnen, resignierte man bald angesichts der vielfältigen<br />

Entweichungen, von Bandendiebstählen sowie<br />

Schwarzmarktgeschäften und unterstellte das Lager zusätzlich<br />

zu den pädagogischen auch polizeilichen Kontrollen. 146 Mitte<br />

1948 waren bereits 1000 Jugendliche durch das Lager gegangen.<br />

Zu diesem Zeitpunkt beschloss man, durch Binnendifferenzierung<br />

die pädagogische Betreuungsarbeit besser zu strukturieren.<br />

Es entstanden ein Jugendwohnheim für 14- bis<br />

18-jährige Jungen, ein Lehrlingswohnheim für über 18-jährige<br />

Jugendliche und ein Ledigenwohnheim für junge Erwachsene.<br />

Im Jahr 1952 galt auch dieser Versuch als gescheitert und das<br />

Lager wurde aufgegeben. 147<br />

Zu diesem zentralen Auffanglager kam im März 1947 noch ein<br />

kleines Heim in Vegesack, das Jugendwohnheim »Weser«,<br />

hinzu. Das mit Hilfe »interessierter deutscher und amerikanischer<br />

Kreise« in einem ehemaligen Hotel errichtete Heim mit nur 20<br />

Plätzen verstand sich weniger als »Wohlfahrtseinrichtung«, sondern<br />

eher als Ort, an dem Jungen nach dem »Prinzip Leistung<br />

gegen Gegenleistung« bis zur Entscheidung über ihr weiteres<br />

Schicksal vorübergehend Unterkunft gewährt werden sollte. 148<br />

Das Haus musste allerdings schon nach einjährigem Bestehen<br />

seinem Vorbesitzer zurückgegeben werden.<br />

Bremerhaven entwickelte sich wegen der Häfen mit ihren<br />

Waren- und Mannschaftstransporten in die USA und der Gelegenheit,<br />

sich mit Fischvorräten einzudecken, sowohl für junge<br />

Frauen als auch für junge Männer zu einem attraktiven Anziehungspunkt.<br />

Ende 1945 wurde ein Auffangheim für 40 »vagabundierende<br />

Jugendliche« in Leherheide geschaffen. Als der<br />

Strom der Wanderer ab Mitte des Jahres 1948 allmählich abriss,<br />

wurde die Platzzahl zunächst auf zehn reduziert und das Heim<br />

wenig später ganz aufgegeben.<br />

Die Erfahrungen im Halmerweg in Bremen trugen wesentlich<br />

zu der Erkenntnis bei, dass einem Teil der jungen Menschen,<br />

vor allem den Volljährigen, mit freiwilligen Maßnahmen nicht<br />

beizukommen war. Für diese Gruppe arbeitete die Politik – wie<br />

schon berichtet – fieberhaft am »Arbeitserziehungsgesetz« und<br />

beschloss, obwohl das Gesetz noch nicht verabschiedet war,<br />

schon vorab eine Erprobung. Hierfür wählten die Verantwortlichen<br />

ein Gebäude auf dem halb zerstörten Gelände der<br />

Anstalts- und Arbeitsbetriebe am Buntentorsteinweg aus. Das<br />

Projekt erhielt den Namen Arbeitserziehungsheim Jugendwerkhof.<br />

Die Adressatengruppe bildeten männliche Jugendliche<br />

und junge Männer bis zu 30 Jahren, die »wegen nachgewiesener<br />

Arbeitsscheu in Kriminalität abzusinken drohen.« 149 Die<br />

jungen Männer sollten für »produktive Arbeit« zunächst auf dem<br />

Gelände selbst eingesetzt und dabei auch Methoden der<br />

»Arbeitserziehung« für größer angelegte künftige Projekte erprobt<br />

werden. 150 Als sechs Monate nach Eröffnung im Juli 1948 das<br />

Arbeitserziehungsgesetz scheiterte, wurde das Heim zu einem<br />

Erziehungs- und Jugendwohnheim für Jugendliche, »bei denen<br />

man sich noch nicht entschließen kann, sie in eine Fürsorgeerziehungsanstalt<br />

zu schicken« oder die »mit positivem Vorzeichen aus<br />

der FE-Anstalt entlassen wurden und noch eine Übergangszeit<br />

gebrauchen.« 151 Geschlossen wurde das Heim 1950.<br />

Die wandernden Jugendlichen und die in den Wirren der ersten<br />

Nachkriegsjahre gescheiterten und sich verweigernden jungen<br />

Menschen waren das eine Problem. Die traditionellen Fürsorgefälle,<br />

die vor allem verwahrlosten einheimischen Jugendlichen,<br />

das andere. Für sie stand traditionellerweise in Bremen der<br />

Ellener Hof, eine 1847 im Umfeld des Vereins für Innere Mission<br />

gegründete Rettungsanstalt für verwahrloste Jungen, zur<br />

Verfügung. 152 Da das Heim im Wesentlichen unzerstört war<br />

und gleich nach Kriegsende dringend benötigt wurde, nahm es<br />

seine Arbeit – ohne dass seine Rolle in faschistischer Zeit überhaupt<br />

zur Sprache kam – sofort wieder auf. In den ersten Jahren<br />

lebten im Heim immer etwa 100, zu dieser Zeit noch primär<br />

von den bremischen Behörden überwiesene, unter »schwierigen,<br />

disharmonischen und hier unter körperlichen, geistigen und<br />

moralischen Defekten leidende Jungen« zwischen acht und 21<br />

Jahren. 153 Unter ihnen befanden sich auch Jugendliche, die ab<br />

Mai 1946 im Rahmen einer »Sonderabteilung für Jugendliche, die<br />

vom Militärgericht verurteilt sind« in einer als Haftanstalt ausgestalteten<br />

geschlossenen Abteilung untergebracht waren. Als Erziehungsmittel<br />

in den offenen Abteilungen galten »ständige Aufsicht<br />

unter strenger, aber gütiger Leitung«, Sport treiben, Basteln, Lesen,<br />

»weibliche Hausarbeit« in Küche, Wäscherei und den Wohnhäusern<br />

sowie Arbeit in den zum Hof gehörenden Ländereien und<br />

in den Stallungen, die der möglichst weitgehenden Selbstversorgung<br />

dienten. Für die Schüler stand eine zweiklassige Heimsonderschule,<br />

Dependance einer öffentlichen Schule, zur Verfügung.<br />

Die Sorge um die Jungen teilten sich ein Heimleiterehepaar,<br />

eine Wirtschafterin sowie zwei männliche und drei weibliche<br />

Erzieherinnen, bei denen es weniger auf eine Ausbildung als<br />

auf strenge Güte ankam.<br />

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