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etrogen worden zu sein. Besonders berüchtigt war die Arbeit<br />

im Moor in Freistatt, einer zur Anstalt Bethel gehörenden<br />

Jugendhilfeeinrichtung, in die auch viele Bremer Jugendliche<br />

kamen. Einer unserer Gesprächspartner berichtete:<br />

Schienen verlegen und Steine klopfen<br />

»Morgens 6.00 Uhr Wecken, Frühstück, Arbeitseinteilung.<br />

7.30 Uhr Kartoffeln schälen, dann Gartenarbeit. Danach wurde<br />

die ›Kolonne‹, so nannte man die Arbeitseinheiten, zum Sportplatz<br />

abkommandiert, wo wir den ganzen Tag Schwerstarbeit<br />

leisten mussten. Wir mussten für die Torfloren Schienen verlegen<br />

– bei minus 10 Grad Kälte, ohne Handschuhe, sodass es<br />

nicht zu verhindern war, dass ab und zu ein paar Hautfetzen<br />

hängen blieben. Ebenso mussten wir für den Schienen- und<br />

Straßenbau mit Schutt gefüllte Kipploren entladen und den<br />

Schutt per Hand ausbreiten und ebnen. Dann haben wir Steine<br />

klopfen müssen mit schweren Eisenhämmern bis die Hände<br />

blutig waren. Als ich nicht mehr konnte, wurde mir der Hammer<br />

ins Kreuz geschleudert.« (G26, JA Bremen, 1957)<br />

Nicht ganz so extrem ging es im Ellener Hof in Bremen zu. Aber<br />

auch hier fühlten sich die untergebrachten Jugendlichen nicht<br />

nur von der ihnen zugewiesenen Arbeit überfordert, sondern<br />

auch ausgebeutet und um ihren Arbeitslohn betrogen.<br />

»Mir fehlen 18 Monate…«<br />

Der Gesprächspartner war als 15-jähriger in den Ellener Hof<br />

gebracht worden. Zur Arbeit im Ellener Hof berichtete er:<br />

»Etwa zwei Drittel von uns mussten innerhalb des Heims in der<br />

Wäscherei, in der Gärtnerei, in der Hauswirtschaft und Hofgruppe<br />

arbeiten. Das andere Drittel arbeitete außerhalb. Das<br />

war schon ein Privileg. Von denen wurden viele oft nur tageweise<br />

an umliegende Firmen ausgeliehen. Die Entlohnung ging<br />

direkt an den Ellener Hof. Wir Jungs bekamen für ganztätige<br />

Arbeiten lediglich 5 DM Taschengeld wöchentlich. Mich selbst<br />

hat man später dann in eine Anlernstelle vermittelt. Hat man<br />

mir gesagt. Die hat aber keine Rentenbeiträge für mich abgeführt<br />

und mich außerdem, wie ich später herausgefunden<br />

habe, gar nicht als Anlernling, sondern als Hilfsarbeiter für<br />

einen viel geringeren Lohn beschäftigt.« Die Firma zahlte später<br />

Rentenbeiträge nach einer Drohung mit Anzeige nach, die<br />

anderen Arbeitgeber nicht. Sie redeten sich damit raus, dass<br />

sie den Lohn ans Heim überwiesen hätten. »Als ich mich dann<br />

ernsthaft um meine Rentensachen kümmerte, war es für weitere<br />

Nachforschungen zu spät. Mir fehlen deshalb 18 Monate<br />

Nachweise für die Rente.« (G10, JA Stuttgart, 1965 – 1967)<br />

Um den Lohn betrogen<br />

Im Ellener Hof arbeitete der junge Mann zunächst in den<br />

Hofgruppen (Laub fegen) und bei Vitakraft und wurde dann<br />

auf den Osterholzer Friedhof zur Außenarbeit vermittelt.<br />

Er wollte dort zunächst Steinmetz werden, gab den Plan<br />

aber bald auf, da die Arbeit körperlich zu schwer war.<br />

Er wurde dann als Tankstellen-Junge zum Autowaschen und<br />

ähnlichen Verrichtungen vermittelt. »Bei der Ankunft im Heim<br />

nahm man mir die mitgebrachten 10,50 DM ab und sagte mir,<br />

ich würde das Geld zusammen mit dem im Laufe der Zeit angesparten<br />

Arbeitslohn bei der Entlassung ausgezahlt bekommen.<br />

Tatsächlich bekam ich – außer zwischen sieben und acht DM<br />

pro Woche Taschengeld – keinen Pfennig und nicht einmal die<br />

10,50 DM zurück.« (G14, JA Bremerhaven, 1966 – 1969)<br />

Beton, Tankstelle und Klempnerei<br />

Nach sechs Stationen brachte man den 16-jährigen Jugendlichen<br />

im Ellener Hof unter. »Hier hab ich zuerst bei einer<br />

Betonbaufirma, die einen Betrieb auf unserem Gelände hatte,<br />

gearbeitet. Wir mussten bis zu zwei Zentner schwere Fenstersimse<br />

herstellen. Später hab ich auch in einer Tankstelle und in<br />

einer Klempnerei gearbeitet. Wenn sonst nichts zu tun war,<br />

musste ich in der Landwirtschaft arbeiten. Manchmal wurden<br />

wir zu einer der Firmen von einem Erzieher mit dem Bulli gefahren,<br />

zu anderen gingen wir alleine. Aber egal was und wie: Geld<br />

gab es nur höchstens mal 1,50 DM zum Ausgang. Weil der mir<br />

meistens gekürzt wurde, kriegte ich also praktisch nichts.«<br />

(G37, JA Buxtehude, 1959 – 1961)<br />

Arbeiten der Kinder<br />

Die Mitarbeit von Kindern im Garten oder der Landwirtschaft<br />

eines Heims oder ihre ›Vermietung‹ an umliegende Landwirte,<br />

war insbesondere ein Phänomen des ersten Nachkriegsjahrzehnts.<br />

Soweit es sich eher um Mithilfe in einem für die Kinder<br />

überschaubaren und mit Anerkennung und zusätzlichem<br />

Taschengeld verbundenen Rahmen handelte, wurde sie zumeist<br />

nicht als Schikane, sondern als den Alltag bereichernd betrachtet.<br />

Ein Ehemaliger, damals etwa zehn Jahre alt, erzählte aus<br />

seiner Zeit im bremischen Kinderheim Am Fuchsberg:<br />

Beim Schweineschlachten zugesehen<br />

»Wir haben ganz viel Zeit in dem schönen Park und dem Garten<br />

des Heims verbracht. Dass wir auch ein bisschen helfen mussten,<br />

harken, Erdbeeren pflücken und so was, hat uns gar nichts ausgemacht,<br />

das war eher Spaß. Sogar beim Schweineschlachten durften<br />

wir zugucken.« (G22, um 1955)<br />

Die ›Mitarbeit‹ konnte aber auch einen Umfang annehmen, der<br />

als erhebliche Beeinträchtigung erlebt wurde. Von einem Jungen,<br />

der von seinem Heim wegen der häufigen Arbeit im Garten<br />

oftmals vom Schulbesuch ferngehalten wurde, wurde<br />

bereits berichtet. Aber auch andere Kinder litten unter den sie<br />

überfordernden Tätigkeiten.<br />

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