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Rahmenplan Grundschule Hessen

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Teil B, Deutsch<br />

2.2.4 Sprache untersuchen und richtig schreiben<br />

Kinder weisen schon als Schulanfänger/innen ein Sprachvermögen auf, das - trotz unterschiedlicher<br />

Ausprägung - neben einem relativ umfangreichen Wortschatz auch ein bemerkenswert<br />

großes Repertoire an syntaktischen Strukturen umfaßt. Sie verfügen<br />

darüber, ohne sich dessen bewußt zu sein.<br />

Gleichwohl lassen sie in ihren Fragen, Kommentaren und Reaktionen metasprachliches<br />

Verhalten erkennen, das sich allerdings fast ausschließlich in der Thematisierung semantischer<br />

Sprachphänomene ausdrückt ("Warum heißt Frischkäse Frischkäse?"). Auch der Spaß<br />

an morphologischen und phonologischen Besonderheiten wie Reimen, lautmalenden<br />

Wörtern (flitsch-flutsch) oder Zungenbrechern deutet auf ein metasprachliches Gespür hin; er<br />

wird aber kaum auf deren Formelemente zurückgeführt. Syntaktische Phänomene werden<br />

noch wesentlich später bewußt.<br />

Großen Auftrieb erfahren die metasprachlichen Fähigkeiten im Anfangsunterricht durch die<br />

intensive Beschäftigung mit der geschriebenen Sprache, deren Gegenständlichkeit die<br />

Aufmerksamkeit auf den Strukturaspekt lenkt. Die Entwicklung von Sprachbewußtheit hängt<br />

also wesentlich von sprachlichen Provokationen ab. Eine besondere Chance liegt vor allem<br />

auch in der Begegnung mit anderen - fremden - Sprachen in multinationalen Klassen. Die<br />

eigene Muttersprache wird "frag"-würdig und damit zum Gegenstand der Reflexion.<br />

Stützt sich Sprachsicherheit zunächst überwiegend auf unreflektiertes Sprachgefühl, so ist<br />

Sprachbewußtheit das Merkmal von Sprachbeherrschung: Erst die Fähigkeit, über die<br />

eigene (Schrift-) Sprache bewußt verfügen und das Sprechen und Schreiben anderer bewußt<br />

und differenziert wahrnehmen zu können, heißt Sprache beherrschen.<br />

Sprachbewußtheit drückt sich darin aus, daß Konzentration und Aufmerksamkeit vom situativen<br />

Kontext abgezogen werden und sich auf die sprachlichen Mittel richten. Diese<br />

Distanzierung ermöglicht erst, Sprache zum Gegenstand der Untersuchung zu machen. Sie<br />

ist Voraussetzung und Bedingung<br />

⎯⎯ für den Erwerb entfalteter kommunikativer Kompetenz und<br />

⎯⎯ für den Erwerb der Schriftsprache in allen analytischen und operativen Handlungen (in<br />

Rückkopplung auf die gesprochene Sprache).<br />

Wie in allen anderen (natürlichen) Lernprozessen, so geht auch bei der Entwicklung der<br />

Sprachbewußtheit der Weg vom Inhalt zum System, von der Sprache zur Grammatik - nicht<br />

umgekehrt. Diese Richtung gilt es im Unterricht beizubehalten.<br />

Auslöser für metasprachliches Aufmerken ist generell ein Problem, das stutzen läßt: Verständnisschwierigkeiten,<br />

Normverstöße, Befremdliches, lustige Versprecher. Immer sind es<br />

Stolpersteine, die Denken und Lernen aktivieren. In allen Unterrichtsbereichen ergeben sich<br />

zahlreiche Anlässe zum Stutzen, sei es beim Zählen im Mathematikunterricht, wo die Fünf<br />

sich hörbar in der 15 und 25 wiederholt, sei es im Musikunterricht, wo z. B. mit einschmeichelnden<br />

Klängen und wütendem Trommeln "kommuniziert" werden kann, oder im<br />

Sachunterricht, wo über Begriffe gestolpert wird ("Un-Kraut").<br />

Das gesamte Spektrum semantischer, morphologischer, phonologischer und syntaktischer<br />

Sprachphänomene (in Reimen, Metaphern, Sprachwitzen, Babysprache, beim Erfinden von<br />

Sprachen und Geheimschriften, Übersetzen, etymologischen Ergründen usw.) sollte ausgeschöpft<br />

werden, um die Perspektive auf die Sprache als Form zu lenken. Auch wenn all das<br />

scheinbar nichts mit Grammatik zu tun hat, fördert es das grammatische Bewußtsein und<br />

trägt dazu bei, die Kinder für die Geregeltheit des (Schrift-)Sprach-<br />

systems aufzuschließen. Die Verständigung über Sprachphänomene verlangt dann auch<br />

nach präziser Begrifflichkeit.<br />

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