Rahmenplan Grundschule Hessen
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Teil A, Didaktische Grundsätze<br />
2.6 Lernen in Situationen<br />
"Situationen" sind Ereignisse, Begebenheiten oder Konstellationen von Sachverhalten, die<br />
unmittelbar zum Denken und Handeln herausfordern und damit Lern- und Erfahrungsprozesse<br />
auslösen. Das Prinzip der Situationsorientierung sucht den Kontext von Leben und Lernen<br />
aufrecht zu erhalten und schulische Situationen herzustellen, in denen Kinder zugleich leben<br />
und lernen, wie man lebt.<br />
Solche Situationen können sich zufällig als didaktisch fruchtbare Momente ergeben (wenn z. B.<br />
der erste Schnee fällt, sich eine Wespe in den Klassenraum verirrt oder Kinder in Streit<br />
geraten), sie können aber auch planmäßig unter exemplarischen Gesichtspunkten arrangiert<br />
bzw. aufgesucht werden (z. B. in Projekten und didaktischen Einheiten). Lernen in Situationen<br />
schließt systematisches Lernen nicht aus, es verlangt dies sogar, wenn es für die Bewältigung<br />
der Situation benötigt wird ("didaktische Schleifen").<br />
"Unterricht" soll nach Möglichkeit in Situationen innerhalb und außerhalb der Schule organisiert<br />
werden, soll die Bedingungen und Einflüsse, Situationen und Personen(gruppen) mit<br />
einbeziehen, die die Lebenswelt des Kindes mitbestimmen. So soll das Kind als handelndes<br />
Subjekt in die Lage versetzt werden, sich situationsgerecht zu verhalten und Lebenssituationen<br />
zu bewältigen. Hierzu gehört auch die Erfahrung, auf andere angewiesen zu sein, Mißerfolge<br />
zu erleben, Fehler zu machen und anzunehmen sowie Konflikte aushalten zu müssen.<br />
Aus konkreten Lebenssituationen werden Lernanlässe, die sich aufgrund ihrer existentiellen,<br />
realen und sozialen Nähe zu Erfahrungsquellen verdichten; Kinder treten mit der Lehrerin oder<br />
dem Lehrer in einen gemeinsamen Erfahrungsprozeß. Das Prinzip des situationsorientierten<br />
Lernens schlägt so eine Brücke zwischen Kindergarten- und Grundschulpädagogik.<br />
2.7 Offenheit<br />
Die praktische Anwendung der genannten didaktischen Grundsätze verlangt von der Lehrerin<br />
und dem Lehrer ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit, Urteils- und Entscheidungsfähigkeit.<br />
Grundlegendes Lernen nach den ausgeführten didaktischen Prinzipien läßt sich weder<br />
ausschließlich durch ein einziges didaktisches Modell begründen oder erklären noch durch ein<br />
bestimmtes didaktisch-methodisches Konzept realisieren. "Offenheit" bedeutet, daß<br />
Lehrerinnen und Lehrer als didaktisch Handelnde offen sind bzw. sich öffnen:<br />
• für die Fähigkeit der Kinder, den Unterricht durch inhaltliche Vorschläge und Anregungen<br />
ebenso wie durch Initiativen selbstorganisierten und -gesteuerten Lernens mitzugestalten<br />
• für ungeplante, zufällige Ereignisse oder Begebenheiten in oder außerhalb der Schule,<br />
die sich für den Unterricht als Lern- und Erfahrungssituationen aufgreifen lassen<br />
• für die Vielfalt didaktisch-methodischer Möglichkeiten und Modelle, die je nach Unterrichtssituation<br />
und -verlauf, je nach Lernvoraussetzungen, Lernerfolgen oder -schwierigkeiten<br />
der Kinder auszuwählen und einzusetzen sind (z. B. mehr systematisch gesteuertes, mehr<br />
angeleitet selbsttätiges oder eher eigenständig selbstbestimmtes Lernen)<br />
• für Kolleginnen und Kollegen, deren Kompetenz, Erfahrung und Innovationspotential<br />
durch Informationsaustausch und praktische Teamarbeit zu nutzen sind<br />
• für neue Entwicklungen in Wissenschaft, Forschung, (Fach-)Didaktik und Bildungspolitik,<br />
wie sie in der schulinternen bzw. institutionalisierten Lehrerfortbildung und in der<br />
Fachliteratur und -presse vermittelt werden.<br />
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