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pdf-Datei 1,5 MB - Comenius-Institut Münster

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175beginnt der Unterricht. Mike geht zu seinem Platz. Dort sinkt er in sichzusammen. Er verschränkt seine Arme auf dem Tisch und legt seinen Kopfdarauf ab. Der Lehrer zeigt heute zwei Videos zur Erfindung der Dampfmaschine.Mike verharrt teilnahmslos in seiner eingegrabenen Positionund blinzelt nur ab und zu in Richtung der Videoprojektion.“ (Ebd., 249f.).In diesem Fallbeispiel wird Mike von Jurij beschämt und sozial ausgegrenzt.Der Konflikt entzündet sich an Mikes schwerem Rucksack. Dabeiist die Zusatzinformation des Beobachters wichtig, dass schwer bepackteTaschen in der Klasse als „uncool“ galten. Der Großteil der Schülerinnenund Schüler hatte eher zu wenig als zu viel Material dabei. Mike hattedemnach eine implizit geltende Verhaltensnorm gebrochen. Jurij machtseine Mitschülerinnen und Mitschüler lautstark darauf aufmerksam. Durchihr untätiges Zusehen bzw. die aktive Unterstützung Jurijs bestätigen siedessen Machtanspruch und grenzen Mike sozial aus. Dieser versucht, sichverbal zu wehren. Ohne aggressiv zu werden, drückt er Jurij gegenüberseinen Unmut über dessen Provokation aus. Diese Strategie verbessert seineSituation nicht. Er wird vor den Augen der anderen von Jurij attackiert,ist diesem jedoch klar unterlegen. Mike hatte durch sein Verhalten zumzweiten Mal eine Verhaltensnorm der Gleichaltrigengruppe gebrochen.Dem Beobachter nach war es in der Klasse nämlich üblich, sofort handgreiflichzu werden, statt besonnen zu argumentieren. Nachdem Mikeseine Sachen eingepackt hat, versucht er, sich durch diese in der Gruppeübliche Art und Weise wieder aktiv am Geschehen zu beteiligen. Er schlägtJurij auf den Arm und will ihn beeindrucken. Seine Annäherung gelingtinsofern, als er wieder handelnder Teil der Gruppe wird. Jurij macht ihnim Zweikampf nicht fertig, obwohl er das aufgrund seiner körperlichenÜberlegenheit vermutlich gekonnt hätte. Es bleibt allerdings unklar, obseine Klassenkameraden mit oder über Mike lachen. Insgesamt scheint ermit dem Ausgang der Situation nicht zufrieden. Er zeigt im Verlauf derfolgenden Stunde Verhaltensweisen, die darauf hindeuten, dass Schamseine Unzufriedenheit mit bedingt: Blickabwendung, eingesunkene Körperhaltungund Teilnahmslosigkeit.Das Fallbeispiel verdeutlicht, dass Scham und Beschämung ein wichtigessoziales Steuerungsinstrument in Bezug auf soziale Zugehörigkeitendarstellen. Ein dauerhafter Ausschluss aus der Gruppe geht häufig mitder Nichterfüllung wichtiger emotionaler Bedürfnisse einher, v.a. demBedürfnis nach Anerkennung und sozialer Einbettung. Wenn sich Ausgrenzungserlebnissedurch Mitschülerinnen und Mitschüler häufen, kannsich dies damit negativ auf die Lebenszufriedenheit und das WohlbefindenHeranwachsender auswirken. Von daher ist auch unter Schülerinnen undSchülern ein möglichst beschämungsfreies Klima von großer Bedeutung.

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