Thorwalabenteuer: Thorwal im Frühjahr

geht sie zum Hethaus und fragt dort nach. Der Hetmann scheint nicht anwesend
zu sein, doch einer der beratenden Skalden ist zu einem Gespräch bereit. Als sie
ihm ihr Anliegen vorträgt ist er bereit, ihr die entsprechende Erlaubnis zu geben.
Er ruft einen Krieger herbei und der führt sie zu einem Nebengebäude. Dort wird
sie zu dem pockengesichtigen Piraten gebracht. Den Hüne sieht sie nicht und so
muß sie annehmen, daß die beiden zur Sicherheit getrennt wurden.
Sie wendet sich an den Gefangenen: ”Hör, ich hatte in der Verhandlung den
Eindruck, daß Du Deine Taten bereust, und damit ist ein wenig Hoffnung für Dich.
Wie Du siehst, bin ich den Göttern geweiht, und meine Fürbitte erreicht ihr Ohr
etwas leichter. Erleichtere Dein Herz! Wenn Du mir sagst, was die anderen Piraten
mit dem oder den Elfen vorhatten, wo ihr sie her hattet und wo ich sie finden kann,
dann werde ich nicht nur für Dich beten, sondern auch beim Hetmann ein gutes
Wort für Dich einlegen. Vielleicht gibt es ja noch einen Weg, die Todesstrafe zu
vermeiden, wenn Du uns hilfst.” Der Pirat schaut sie zweifelnd an. Er hat im
Gesicht einige frische Schrammen, offensichtlich sind die Wachen nicht besonders
sanft mit ihm umgegangen. Thamar weiß, welch schlechten Ruf Menschenhändler
haben; hier in Thorwal noch mehr als anderswo. Und so ist ihr der Argwohn des
Piraten verständlich. Sie redet ihm noch mal gut zu. Der Gefangene ist ob ihrer
Sanftmut fast erstaunt und so entscheidet er sich doch mit ihr zu reden: ”Ich weiß
nicht viel darüber, aber vielleicht hilft das wenige ja bereits. Wir haben jedenfalls
noch keine Elfen verkauft; der Boß hat schon darüber geflucht, daß wir keine auf
den gekaperten Schiffen gefunden haben. Aber soweit ich das mitbekommen habe,
soll dieser Käufer etwas nördlich vom Prem wohnen. Wo genau weiß ich nicht,
aber ich hab’ was von einer alten Burg gehört.” Der Pirat zittert leicht. ”Meinen
Sie das Ernst, daß Sie mir helfen wollen?” Als Thamar das bejaht, seufzt der
Pockengesichtige tief auf. ”Mein Name ist übrigens Movert; nur damit Sie wissen,
für wen Sie beten.” Wieder zittert er. ”Sie werden wohl die einzige sein, die bei
Marbo für mich ein gutes Wort einlegt...” An diesen Worten erkennt Thamar, daß
der Gefangene nicht daran glaubt, daß sie die Todesstrafe verhindern kann. So
versucht sie ihn nochmals zu trösten: ”Ich werde sehen, was ich tun kann. Und
meine Fürbitte ist Dir gewiß.” Movert dreht sich schweigend weg und so steht
Thamar auf und verläßt den Raum. Der Krieger bringt sie nochmals zum Skalden,
der ihr die Erlaubnis erteilt hat. ”Und?” fragt er. ”Hat er etwas gesagt, was Dir
helfen kann?” Thamar berichtet kurz von den Informationen und fährt dann fort:
”Ich glaube, daß er wirklich nicht mehr weiß. Und ich habe ihm versprochen, daß
ich ein gutes Wort für ihn einlegen werde.” Der Skalde mustert sie kurz. ”Aber das
Urteil wurde bereits gefällt und durch den Schwur angenommen. Es kann also nicht
zurückgenommen werden.” Er hält kurz inne, um zu überlegen. ”Aber eventuell
gibt es noch eine Möglichkeit: Vor der Hinrichtung könnten wir ihm einen Trank
geben, der ihm die Schmerzen nimmt. Diese Möglichkeit ist bei reuigen Tätern
durchaus schon ausgenutzt worden. Ich werde dies dem Hetmann vorschlagen und
er wird darüber entscheiden.”
Nach dem Gespräch mit den Gefangenen begibt Thamar sich zu dem Mann, der
die Zaubergegenstände untersuchen wollte. Meister Arion läßt sie wieder in sein
Studierzimmer ein. Zuerst holt er die Kette mit dem Korallenanhänger hervor.
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