ıı - PHOTON Info
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»<br />
mich entschlossen, in die Erforschung der<br />
Grundlagen zur Nutzung erneuerbarer<br />
Energien einzusteigen, immer im Hinblick<br />
auf eine technische Umsetzung. Die<br />
Freude an der Erforschung von Neuland<br />
ist schnell dazu gekommen.<br />
<strong>PHOTON</strong> In dem offenen Brief von Wissenschaftlern<br />
an die Bundeskanzlerin,<br />
den Sie mit unterzeichnet haben, heißt<br />
es: »Wir befürchten, dass die Wissenschaft<br />
zu lange in der Auseinandersetzung<br />
um die Kernkraft in Deutschland<br />
geschwiegen hat, in der Hoffnung, dass<br />
bis zum Ausstieg aus der Kernenergie<br />
nichts passieren wird.« Was halten Sie<br />
von dieser kollektiven Selbstkritik<br />
Luther Ich persönlich habe nicht geschwiegen.<br />
Aber es ist was dran. Viele Naturwissenschaftler<br />
gehen nicht so leicht an die<br />
Öffentlichkeit. Es gibt wahrscheinlich<br />
keine Statistiken, aber die Mehrzahl der<br />
Wissenschaftler, die ich kenne, sehen die<br />
Kernenergie schon lange kritisch.<br />
<strong>PHOTON</strong> Im offenen Brief steht auch, dass<br />
ein solch hochkomplexes System wie ein<br />
Kernkraftwerk nicht hundertprozentig beherrschbar<br />
ist. Dies sei »eine prinzipielle,<br />
naturwissenschaftliche Problematik«. Es<br />
gibt trotzdem Wissenschaftler, die an der<br />
Kerntechnik arbeiten und sie befürworten.<br />
Luther Dass Kernkraftwerke nicht hundertprozentig<br />
sicher sind, unterschreiben<br />
Ihnen 99,5 Prozent aller Wissenschaftler.<br />
Das ist fast trivial. Es gibt aber eben<br />
Leute die sagen: »Die Wahrscheinlichkeit,<br />
dass etwas schiefgeht, ist so gering,<br />
und gleichzeitig haben wir ein so großes<br />
Energieproblem, deshalb müssen wir das<br />
Risiko in Kauf nehmen.« Außer ein paar<br />
Kernenergiefanatikern, die jedoch eher<br />
Marketingleute als Wissenschaftler sind,<br />
Joachim Luther<br />
hat wohl kaum jemand einmal gesagt,<br />
dass die Wahrscheinlichkeit eines großen<br />
Unfalls gleich null ist. Das wäre ja auch<br />
völlig unhaltbar und war auch schon in<br />
den 60er- oder 70er-Jahren unhaltbar. Es<br />
gibt vermutlich keine wissenschaftliche<br />
Publikation, in der ein guter, gestandener<br />
Naturwissenschaftler, der sein Handwerk<br />
gelernt hat, so etwas sagt.<br />
<strong>PHOTON</strong> Das heißt also, der Disput über<br />
die Risikobewertung von Atomkraftwerken<br />
ist letzten Endes kein wissenschaftlicher,<br />
sondern ein ökonomischer<br />
Luther Ich würde sagen, es ist ein moralischer,<br />
ein ethischer Disput. Manche Politiker<br />
und Energiewirtschaftler sagen: »Das<br />
Risiko muss die Gesellschaft übernehmen.«<br />
Die Ökonomie wird in diesem Zusammenhang<br />
immer herbeigezogen. Aber<br />
wenn wir den Strom beispielsweise mit<br />
erneuerbaren Energien erzeugen, dann<br />
kann es zwar sein, dass er teurer wird,<br />
nur ist das ja nicht gleich das Ende der<br />
Welt. Ich lebe jetzt in Singapur, da kostet<br />
die Energie die Hälfte von dem, was sie in<br />
Deutschland kostet, in Italien oder Japan<br />
wiederum kostet sie deutlich mehr. Offensichtlich<br />
ist der wirtschaftliche Erfolg von<br />
Ländern nicht ausschließlich vom Strompreis<br />
abhängig. Ich habe natürlich nichts<br />
gegen billige Energie, aber noch einmal: Es<br />
ist kein ökonomisches, sondern ein moralisch-ethisches<br />
Problem.<br />
<strong>PHOTON</strong> Der offene Brief enthält explizit<br />
die Forderung, die Forschungsmittel<br />
aus der Kernfusion abzuziehen. Es sei<br />
nicht damit zu rechnen, dass hiermit in<br />
absehbarer Zeit zu vernünftigen Kosten<br />
Strom produziert werden kann. Diese Argumentation<br />
klingt sehr vertraut, nämlich<br />
nach dem, was sich die Photovoltaik<br />
Joachim Luther (70) promovierte 1970 in Hannover<br />
in Experimentalphysik und befasste sich danach vor<br />
allem mit Atomphysik und Laserspektroskopie. Mit<br />
33 Jahren wurde er 1974 ordentlicher Professor an<br />
der Universität Oldenburg, wo er sich bereits Ende<br />
der 70er-Jahre mit den physikalischen Grundlagen<br />
erneuerbarer Energien befasste. Die Uni Oldenburg<br />
bot bereits 1987 einen Studiengang mit entsprechender<br />
Schwerpunktsetzung an.<br />
1992 wurde Luther Geschäftsführer des Niedersächsischen<br />
Instituts für Solarenergieforschung<br />
(heute Institut für Solarenergieforschung in Hameln/Emmerthal,<br />
ISFH). 1993 ging er nach Freiburg,<br />
wo er eine Professur für Festkörperphysik und Physikalische<br />
Grundlagen der Nutzung von Solarenergie<br />
sowie die Leitung des Fraunhofer-Instituts für<br />
Solare Energiesysteme (ISE) übernahm. Diesen Posten<br />
übergab er 2006 an Eicke Weber. Doch schon<br />
nach kurzer Pause begann er sich für den Aufbau<br />
des Solar Energy Research Institute of Singapore<br />
(SERIS) zu engagieren und wurde bei der offiziellen<br />
Gründung im April 2008 dessen Geschäftsführer.<br />
Das SERIS hat heute rund 130 Mitarbeiter.<br />
Joachim Luther hat zahlreiche Preise erhalten. Zu<br />
seinen vielen Engagements in wissenschaftlichen Gremien<br />
und Beiräten gehörte eine vierjährige Tätigkeit<br />
für den »Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung<br />
Globale Umweltveränderungen«. Seit drei Jahren<br />
gehört er der von der Bundesregierung bestellten Expertenkommission<br />
Forschung und Innovation an.<br />
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<strong>PHOTON</strong> Juni 2011 139