ıı - PHOTON Info
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EDITORIAL<br />
Solarausstieg eher als<br />
Atomausstieg<br />
Ganz offensichtlich geht der Bundesregierung<br />
der Ausbau der Solarstromkapazitäten<br />
zu schnell. Mehr<br />
noch: Der jüngste Entwurf zur Novellierung<br />
des Erneuerbare-Energien-Gesetzes<br />
enthält sogar einen Mechanismus,<br />
der den Zubau nahezu zwangsläufig<br />
komplett zum Erliegen bringt.<br />
Nein, kein harter Ausbaudeckel.<br />
Ein solcher wäre politischer Selbstmord.<br />
Man kann schließlich nicht aus<br />
der Atomkraft aussteigen und gleichzeitig<br />
für jeden sichtbar die Alternativen<br />
begrenzen. So, wie das EEG umgestrickt<br />
werden soll, wird jedoch genau<br />
das passieren. Der Trick: Die Vergütung<br />
wird bei hohem Zubau einfach<br />
deutlich schneller gesenkt, als sie sich<br />
bei niedrigem Zubau erholen kann.<br />
Nun ist es ja durchaus nicht so, dass<br />
<strong>PHOTON</strong> in der Vergangenheit Probleme<br />
mit einer schnellen Absenkung<br />
der Vergütung gehabt hätte. Denn die<br />
Vergütung lag weit, weit über den Produktionskosten<br />
für Solarstrom und hat<br />
lediglich zu höheren Gewinnen für Solarfirmen<br />
und höheren Renditen für<br />
Anlagenbetreiber geführt – und die<br />
Strompreise völlig unnötig belastet.<br />
Langsam ist jedoch der Puffer abgebaut,<br />
die Vergütungshöhe hat wieder<br />
etwas mit den Kosten zu tun. Eine<br />
sinnvolle weitere Absenkung muss<br />
nach dem 1. Januar 2012 parallel zur<br />
Kostensenkung in der Solarindustrie<br />
erfolgen – und diese liegt bei rund<br />
zehn Prozent pro Jahr.<br />
Zunächst war es bei der Einführung<br />
der variablen Degression noch so, dass<br />
bei einem höheren oder geringerem<br />
Zubau (gemessen an einem Referenzwert)<br />
im selben Tempo gegengesteuert<br />
wurde. Bereits diese Systematik trug<br />
die Gefahr eines Schweinezyklusses<br />
in sich. Diese falsche Regelung wurde<br />
dann mehrfach verschärft: Ein höherer<br />
als der gewollte Zubau wurde mit immer<br />
drastischeren Degressionen beantwortet,<br />
ein geringerer mit deutlich geringeren<br />
Absenkungen. Solange es genug<br />
Margen im Solargeschäft gab, war<br />
das zwar systematisch falsch, aber auch<br />
unkritisch: Jede Vergütungsabsenkung<br />
konnte mit noch weitaus stärker fallenden<br />
Preisen gekontert werden, was den<br />
Zubau weiter steigen ließ.<br />
Je näher aber die Vergütung den<br />
Minimalkosten kommt, desto gefährlicher<br />
werden weitere Absenkungen,<br />
die über die jährliche Kostensenkung<br />
von rund zehn Prozent hinausgehen:<br />
Sie treiben die Vergütung unter die<br />
Kosten. Folge: Es werden immer weniger<br />
Anlagen gebaut, und diese konzentrieren<br />
sich in der südlichen Region.<br />
Das neue EEG setzt noch einen<br />
drauf: Es soll jetzt schnell in den<br />
Schweinezyklus hineinfahren, aber<br />
nur sehr langsam heraus. Ab ins Tal<br />
binnen eines Jahres – sobald die Vergütung<br />
unter den Produktionskosten<br />
liegt. Und das mit enormer Wucht:<br />
Zwischen dem 1. Januar 2012 und<br />
dem 1. Januar 2013 könnte die Vergütung<br />
um fast 30 Prozent, ein Jahr darauf<br />
um weitere 24 Prozent abgesenkt<br />
werden. Bricht der Markt zusammen,<br />
kann nach dem aktuellen Entwurf<br />
aber nur mit 8,5 Prozent pro Jahr gegengesteuert<br />
werden (1,5 Prozent Minimaldegression<br />
bei 10 Prozent Kostensenkung).<br />
Es dauert dann viele<br />
Jahre, bis der Markt wieder anspringen<br />
kann. Ein schlechtes Jahr mag die<br />
eine oder andere Firma (darunter vor<br />
allem Installateure) noch irgendwie<br />
überstehen. Nach drei bis vier Jahren<br />
ohne Zubau sind die Firmen pleite.<br />
Dies ist kein Szenario, das vielleicht<br />
eintreten könnte – es ist praktisch<br />
unausweichlich. Noch liegt die<br />
Vergütungshöhe über den Kosten. Das<br />
heißt, es werden dieses und vielleicht<br />
auch noch nächstes Jahr viele Gigawatt<br />
an solarer Kraftwerksleistung<br />
zugebaut. Das führt dann zu starken<br />
Einschnitten in der Vergütung, die<br />
schlagartig weit unter die Kosten gedrückt<br />
wird. Der Zubau kommt zum<br />
Erliegen, die Gesamtleistung der bis<br />
dahin installierten Solarstromanlagen<br />
dürfte dann irgendwo bei 30 Gigawatt<br />
liegen. Dann ist erst mal Schluss.<br />
Wobei 30 Gigawatt eine interessante<br />
Größe sind. Bis dahin kann die etablierte<br />
Energiewirtschaft mit dem zusätzlichen<br />
Solarstrom noch irgendwie<br />
zurechtkommen. Mit jedem Gigawatt<br />
darüber hinaus wird es für sie wirtschaftlich<br />
immer schwieriger, da die<br />
Solarenergie die Gewinne der Kraftwerke,<br />
die konventionelle Brennstoffkosten<br />
haben, an der Strombörse schmälert.<br />
Eine Kilowattstunde Solarstrom<br />
ersetzt nicht einfach nur eine Kilowattstunde<br />
Kohlestrom. Eine Kilowattstunde<br />
Solarstrom hat Einfluss auf die<br />
Gewinnmarge aller Kilowattstunden<br />
Kohlestrom, die an der Börse gehandelt<br />
werden. Und je mehr Solarstrom<br />
im Netz ist, desto heftiger wird der Effekt.<br />
Ganz abgesehen davon, dass träge<br />
Grundlastkraftwerke per se nicht kompatibel<br />
mit der schwankenden Stromerzeugung<br />
aus Solarkraftwerken sind.<br />
Die Bundesregierung will jetzt also<br />
den Zubau der Solarenergie genau unter<br />
dem Level halten, wo ein echter<br />
Umbau der Energieversorgung nötig<br />
wird, und Konzerne wie RWE, Eon<br />
und Co wirklich Gewinne einbüßen.<br />
Sie hält damit jedoch auch den Anteil<br />
Solarstrom im einstelligen Prozentbereich,<br />
wohingegen eher 30 Prozent<br />
Solarstrom in einem vollständig regenerativen<br />
Energiemix benötigt werden.<br />
Dieses geplante neue EEG ist somit<br />
erstmals eine echte Gefahr für den<br />
weiteren Ausbau der Photovoltaik in<br />
Deutschland: Die jetzige schwarz-gelbe<br />
Bundesregierung will raus aus der<br />
Photovoltaik – ein Jahrzehnt, bevor sie<br />
raus ist aus der Atomenergie.<br />
Das einzig Positive, das die Regierung<br />
mit der EEG-Novelle vorlegt: Sie<br />
zeigt, wie schnell sich die Rahmenbedingungen<br />
ändern lassen. Auch<br />
wieder in Richtung hoher Zubauraten<br />
– Ende 2013, wenn es die neue<br />
Regierung gibt.<br />
<strong>PHOTON</strong> Juni 2011 3