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Der Hygieniker und Ernährungswissenschaftler Werner Kollath

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110<br />

Gunther Viereck<br />

nes Hygienelehrbuch 13 enthält eine Reihe von rassistischen Aussagen. Er setzt sich<br />

darin auch für Zwangssterilisierungen <strong>und</strong> die „Ausschaltung Minderwertiger“ ein.<br />

Immerhin erschien nach dem Zweiten Weltkrieg eine verbesserte <strong>und</strong> überarbeitete<br />

Auflage, bei der diese Passagen gestrichen sind. Jörg Melzer bemerkt dazu: „Er<br />

tauscht die Rassenhygiene gegen Sozialhygiene, Goebbels gegen Goethe <strong>und</strong><br />

streicht z. B. die Passagen über Hitler, über Auslese, Erbmasse <strong>und</strong> Zwangssterilisation.“<br />

14 Ohne diese Vorgeschichte zu kennen <strong>und</strong> nur anhand des Textes der zweiten<br />

Auflage, erscheint der Ansatz <strong>Kollath</strong>s durchaus modern. Ausgehend von einer<br />

ganzheitlichen, nachhaltigen Betrachtungsweise fordert er Vorbeugen statt Heilen<br />

<strong>und</strong> setzt den Schwerpunkt auf eine ges<strong>und</strong>e Ernährung. Dabei ging er von der Hypothese<br />

aus, dass viele Krankheiten Ergebnisse einer falschen Ernährung sind.<br />

Seine seit Anfang der 1930er Jahre an Ratten durchgeführten Langzeitstudien<br />

mit speziellen Futterzusammensetzungen schienen diese Theorie zu bestätigen. Im<br />

Ergebnis entwickelte er das Experimentalmodell der Mesotrophie (Halb- bzw. Teilwerternährung)<br />

<strong>und</strong> beschrieb damit „einen Lebenszustand an der Grenze zwischen<br />

Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Krankheit“. 15 Zwar wirkten die Tiere äußerlich ges<strong>und</strong>, allerdings<br />

stellte sich mit zunehmender Dauer Stoffwechselstörungen ein, die zur Zunahme<br />

von chronischen Krankheiten führte. Die Mesotrophiediät setzte sich aus äthergereinigtem<br />

Casein, Reisstärke, Erdnussöl, Rindertalg, Zellulose, Vitamin B1 sowie Kalium<br />

<strong>und</strong> Zinksalzen zusammen. Anhand dieser Basisdiät konnte die Wirkung von<br />

zusätzlich verabreichten Stoffen erforscht werden – glaubte jedenfalls <strong>Kollath</strong>. 16<br />

Seine Kollegen reagierten eher skeptisch, insbesondere als er als ein Ergebnis seiner<br />

Untersuchungen 1942 das Konzept der „Auxone“ präsentierte. Erst durch diese<br />

Zellvermehrungsstoffe sollten spezielle Wirkungen von Vitaminen möglich sein.<br />

Seine Hoffnungen, eventuell auf eine neue Gruppe von Spurenelementen gestoßen<br />

zu sein, erfüllten sich jedoch nicht.<br />

Bei den Versuchen spielte frischer Getreidebrei eine große Rolle. <strong>Kollath</strong> hatte<br />

beobachtet, dass dessen Verzehr zu einem Rückgang bzw. zur Heilung der durch die<br />

Mesotrophiediät verursachten chronischen Erkrankungen führte. Daher spielten Zerealien<br />

später eine wichtige Rolle in seiner Forschung.<br />

Seine Erkenntnisse verarbeitete er in einem Werk, das 1942 unter dem Titel „Die<br />

Ordnung unserer Nahrung“ 17 erschien. Darin stellte er das Ernährungskonzept der<br />

Vollwertkost vor. <strong>Kollath</strong>s Gr<strong>und</strong>satz lautete: „Laßt das Natürliche so natürlich wie<br />

möglich.“ 18 Durch die Be- <strong>und</strong> Verarbeitung der Nahrung würden essentielle In-<br />

13<br />

<strong>Werner</strong> <strong>Kollath</strong>, Gr<strong>und</strong>lagen, Methoden <strong>und</strong> Ziele der Hygiene. Eine Einführung für Mediziner<br />

<strong>und</strong> Naturwissenschaftler, Volkswirtschaftler <strong>und</strong> Techniker. Leipzig 1937.<br />

14<br />

Melzer, Vollwerternährung 2003, 217.<br />

15<br />

Bernhard Watzl, Claus Leitzmann, Eine Kommentierung der ernährungswissenschaftlichen<br />

Arbeiten von <strong>Werner</strong> <strong>Kollath</strong>, in: <strong>Werner</strong> <strong>Kollath</strong>, Die Ordnung unserer Nahrung, 17. Aufl.,<br />

Stuttgart 2005, 295.<br />

16<br />

Ebd.<br />

17<br />

<strong>Werner</strong> <strong>Kollath</strong>, Die Ordnung unserer Nahrung. Gr<strong>und</strong>lagen einer dauerhaften Ernährungslehre.<br />

Stuttgart 1942.<br />

18<br />

<strong>Werner</strong> <strong>Kollath</strong>, Gr<strong>und</strong>lagen, Methoden <strong>und</strong> Ziele der Hygiene 1937, 274.

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