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Der Hygieniker und Ernährungswissenschaftler Werner Kollath

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Sigrid Oehler-Klein<br />

einem Zitat des „Führers“ aus „Mein Kampf“. Unter dem Titel „Die Erkrankungswahrscheinlichkeit<br />

für die Kinder Zuckerkranker“ 62 gab Boehm einen Überblick<br />

über die Forschung an Zwillingen, von denen ein Elternteil an Diabetes mellitus erkrankt<br />

war. Aufgr<strong>und</strong> der Ergebnisse teilte er mit, dass diese Kinder ein 20fach höheres<br />

Risiko besäßen, ebenfalls zu erkranken, dass aber durch geeignete Ernährung<br />

<strong>und</strong> andere Umweltfaktoren die Erkrankungswahrscheinlichkeit abgesenkt werden<br />

könne, worin der unmittelbar praktische Wert der erbbiologischen Forschungsergebnisse<br />

liege. Zu Beginn dieses Artikels verwies Boehm auf die unterschiedliche Betrachtungsweise<br />

der Heilk<strong>und</strong>e <strong>und</strong> der Rassenhygiene. Sei erstere mit Recht stolz<br />

auf die Behandlungsmöglichkeit einer Erkrankung wie die des jugendlichen Diabetes<br />

mellitus, die vor wenigen Jahrzehnten noch rettungslos zum frühen Tod geführt<br />

habe, so dränge sich dem „Rassenhygieniker dagegen [...] die bange Frage auf: Wie<br />

wirkt sich die Erhaltung dieser ‚geheilten‘ Diabetiker in der Zukunft für unser Volk<br />

aus?“ 63<br />

Interessant waren für Boehm <strong>und</strong> andere Erbbiologen seiner Zeit insbesondere die<br />

Träger von Erbkrankheiten, die selbst nicht erkrankt waren oder die angeblich eine<br />

konstitutionelle „Organminderwertigkeit“ aufwiesen, ohne dass phänotypisch größere<br />

pathologische Erscheinungen zu erkennen gewesen wären. Die Gefahr dieser<br />

nicht wahrnehmbaren „Minderwertigkeit“ sah man in der zunehmenden Verschlechterung<br />

des biologischen Wertes einer Population, in der Reduktion der Leistungs-<br />

<strong>und</strong> Widerstandsfähigkeit. Diese Art der Schädigungen wurde vom rassenhygienischen<br />

Standpunkt aus als besonders ungünstig bewertet, insofern die Träger sowohl<br />

der natürlichen als auch möglicherweise der künstlichen Selektion (seit 1934 durch<br />

das „Sterilisationsgesetz“, das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses)<br />

entgingen. 64 Teilweise allerdings flossen bereits solche über Sippentafeln herauszu-<br />

62 Z.ä.F. 37, 1940, 335-337; vgl. auch noch die folgenden Artikel Boehms in dieser Zeitschrift: Wie<br />

können aus Familienuntersuchungen erbbiologische Schlußfolgerungen gezogen werden?, ebd.,<br />

206-209; Bekanntes <strong>und</strong> Neues aus der Zwillingsforschung, ebd., 239-241; Aus der Zwillingsforschung,<br />

ebd., 530-533; Das Bauerntum als Blutsquell des Volkes Z.ä.F. 35, 1938, 325-327; Aus<br />

der Konstitutionsforschung, Z.ä.F. 36, 1939, 205-207; Aus der Zwillingsforschung, ebd., 498-501;<br />

Krieg <strong>und</strong> Bevölkerungspolitik Z.ä.F. 38, 1941; Aus der menschlichen Erbforschung, ebd., 760-<br />

763; Körperliche Missbildungen Z.ä.F 39, 1942, 8-12; Bevölkerungspolitische Umschau, ebd.,<br />

274-277; Aus der Konstitutionsforschung, ebd., 475-477; Bevölkerungspolitische Umschau Z.ä.F.<br />

40, 1943, 323f.; Bevölkerungspolitische Umschau Z.ä.F. 41, 1944, 11f.; Bevölkerungspolitische<br />

Umschau, ebd., 134.<br />

63 Z ä.F. 37, 1940, 335-337, hier: 335.<br />

64 Vgl. das von dem Oberarzt am Erbbiologischen Forschungsinstitut in Alt-Rehse, Gerhard Schubert,<br />

verfasste Kapitel „Genetische Gr<strong>und</strong>lagen der Erbschädigungsgefahren“, in: G. Schubert,<br />

A[rtur]. Pickhan, Erbschädigung. Leipzig 1938, 110-127, hier 115f. <strong>Der</strong> Band erschien in der von<br />

Boehm mit herausgegebenen Reihe Probleme der theoretischen <strong>und</strong> angewandten Genetik (vgl.<br />

Anm. 35). Das ebenfalls von Schubert verfasste Kapitel „Genetischer Aufbau von Populationen“<br />

endet (71ff.) mit den Ausführungen, dass die natürliche Selektion nicht die Ausmerzung alles<br />

„Minderwertigen“ <strong>und</strong> nicht die Ges<strong>und</strong>erhaltung der Population gewährleisten könne, da die sozialen<br />

Einrichtungen der Menschen unter Beihilfe der Medizin dieser Selektion entgegenarbeiteten.

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