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Der Hygieniker und Ernährungswissenschaftler Werner Kollath

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Schöner Neuer Mensch 203<br />

Hierarchie zuvor bereits konstruierter Rassen mit verschiedenen Wertigkeiten aus,<br />

in welcher der „Deutsche“ beziehungsweise die „arische Rasse“ den höchsten Rang<br />

besitzt. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit eines Kampfes gegen Menschen, die<br />

zu minderwertigen Rassen erklärt werden. Diese sollen durch die Herrschaft einer<br />

sogenannten Herrenrasse verdrängt werden. <strong>Der</strong> Idealtypus wird dabei als bereits<br />

vorhanden wahrgenommen, es gilt, seine Vorherrschaft <strong>und</strong> Ausbreitung zu beschleunigen.<br />

Seine Eigenschaften sind fast ausschließlich instrumentell, angelegt<br />

um zu erobern <strong>und</strong> zu gehorchen. Seine Zukunftsperspektive ist die des Dieners <strong>und</strong><br />

Kriegers.<br />

<strong>Der</strong> Mensch in der jungen Sowjetunion wird dagegen als Spezies angesehen,<br />

welche im Ganzen durch die Veränderung gesellschaftlicher Bedingungen eine Weiterentwicklung<br />

erfahren soll. Das heißt nicht, der „alte Mensch“ wäre schlecht <strong>und</strong><br />

müsse überw<strong>und</strong>en werden. Es geht vielmehr darum, menschliches Potenzial zu entfesseln<br />

<strong>und</strong> die Grenzen der Selbstverwirklichung zu sprengen, seien sie gesellschaftlicher<br />

oder natürlicher Art. Ein dezidiertes Feindbild, wie es der Faschismus<br />

zur Verwirklichung des eigenen Ideals benötigt, wird in einer solchen Überlegung<br />

nicht gebraucht. Zwar wird in der Sowjetunion gegen den Klassenfeind gekämpft,<br />

doch dieser Kampf ist nicht mit dem „Rassenkampf“ gleichzusetzten. Zum Einen ist<br />

der Klassenfeind durch seine gesellschaftliche Rolle <strong>und</strong> nicht aufgr<strong>und</strong> konstruierter,<br />

genetischer Determination Gegner. Zum Anderen gilt es nicht, diesen auszurotten,<br />

sondern lediglich, ihn an der Ausübung seiner gesellschaftlichen Funktion zu<br />

hindern <strong>und</strong> diese im Sinne der Emanzipation aller überhaupt abzuschaffen.<br />

Ein weiterer Unterschied liegt in der Institutionalisierung der Utopien. Während<br />

sich in der Sowjetunion ein vielschichtiges Geflecht verschiedener Projekte <strong>und</strong> Initiativen<br />

herausbilden konnte, getragen durch ganz unterschiedliche Bevölkerungsteile<br />

<strong>und</strong> Gruppierungen, verhielt es sich im Dritten Reich anders. Zwar gab es<br />

ebenfalls konkurrierende Projekte <strong>und</strong> Institutionen. Zum Einen hatten sich diese<br />

aber stets an einer zentralen Doktrin auszurichten <strong>und</strong> ihre jeweiligen Betätigungsfelder<br />

ideologisch zu rechtfertigen. Zum Anderen waren es nicht vielschichtige, heterogene<br />

Trägerschaften, die Projekte mit der beginnenden neuen, gesellschaftlichen<br />

Situation ins Leben riefen. Im Gegenteil: Nicht wenige Initiativen gingen von Einrichtungen<br />

aus, die auch vor 1933 bereits existierten <strong>und</strong> die fortan versuchten, ihre<br />

jeweiligen Betätigungsfelder mit Begrifflichkeiten der neuen Machthaber zu rechtfertigen.<br />

Experimente, die den staatlichen Organen zuwiederliefen, waren nicht<br />

denkbar. In der frühen Sowjetunion fehlte diese maßgebende Instanz jedoch noch<br />

oder hatte sich noch nicht vollständig durchgesetzt.<br />

<strong>Der</strong> vorliegende Vergleich anthropologischer Utopien, ihrer gesellschaftlichen<br />

<strong>und</strong> ideengeschichtlichen Entstehungskontexte <strong>und</strong> ihrer jeweiligen Veräußerungen<br />

in Institutionen, Kunst <strong>und</strong> Literatur hat gezeigt, wie verschieden die gesellschaftlichen<br />

Situationen der frühen Sowjetunion <strong>und</strong> des beginnenden Dritten Reichs waren.<br />

Zwar werden in den utopischen Texten zum Teil ähnliche Begriffe benutzt, jedoch<br />

in völlig verschiedenen Kontexten. Bei eugenischen Konzepten, die sowohl im

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