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Der Hygieniker und Ernährungswissenschaftler Werner Kollath

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Sigrid Oehler-Klein<br />

elementen“ zuordnete, würden im Zuge einer reduzierten Fortpflanzung mehr <strong>und</strong><br />

mehr verdrängt. 9<br />

Beide von Boehm zitierten Werke definierten die innerhalb der deutschen Bevölkerung<br />

angeblich vermehrt anzutreffenden „nordischen Rassenelemente“ als höherwertig.<br />

Damit vermischten sich innerhalb der Eugenik (der Begriff wurde in<br />

Deutschland synonym zu dem der Rassenhygiene gebraucht) erbges<strong>und</strong>heitliche<br />

Forderungen nach Ausschaltung von so genannten „Erbkranken“ <strong>und</strong> „Untüchtigen“<br />

aus der Fortpflanzungsgemeinschaft zur Hebung der „Rasse“ mit rassistisch definierten<br />

Standpunkten. Diese Vermischung entstand auch aus der Unklarheit, was eigentlich<br />

unter dem Begriff einer menschlichen „Rasse“ zu verstehen sei. 10 In Abweichung<br />

von den anthropologischen Kategorisierungsversuchen 11 wurde in zeitgenössischen<br />

Publikationen unter einer „Rasse“ auch allgemeiner die Gesamtqualität der<br />

Erbanlagen einer geographisch umschriebenen Bevölkerungsgruppe, die über gemeinsame<br />

Abstammungslinien <strong>und</strong> gewisse gemeinsame erbliche Merkmale verfügen<br />

sollte, gefasst. 12 Sowohl der erbges<strong>und</strong>heitliche Ansatz der Rassenhygiene, der<br />

die Erbqualität dieser „Rasse“ durch Reduktion bzw. Ausmerzung krankhafter Erb-<br />

9 Vgl. Hans F. K. Günther, Kleine Rassenk<strong>und</strong>e des deutschen Volkes. 3. Aufl. Jena 1933.<br />

10 <strong>Der</strong> Rassebegriff ist eigentlich ein Konstrukt der europäischen Aufklärung, mit dem die in der<br />

Welt neu entdeckten unterschiedlichen Menschengruppen ab Ende des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts systematisiert<br />

werden sollten. Dass die Unterscheidungsversuche stark eurozentristisch ausgerichtet waren,<br />

ist im Kontext der humanistisch fortschrittsorientierten Ideen <strong>und</strong> Geschichtsphilosophien der<br />

Aufklärung zu verstehen; sie werteten den europäischen Zivilisationsstatus als historisch am besten<br />

entwickelt, womit bereits zu diesem Zeitpunkt Hierarchien zwischen den Völkern begründet<br />

wurden. Das arabische, französische <strong>und</strong> englische Wort für Rasse allerdings ist wesentlich älter<br />

<strong>und</strong> bezeichnete neben Geschlecht oder Abstammung, auch Sorte bzw. Menschenschlag. Die sozialgeschichtlichen<br />

Verwendungen des Wortes Rasse konnten vom 16. Jahrh<strong>und</strong>ert bis weit ins 20.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert hinein auf Abstammungsgemeinschaften, also Adelsgeschlechter, Religionsgemeinschaften,<br />

Völker, Volksgruppen <strong>und</strong> -schichten, denen erbliche Qualitäten sowohl im positiven als<br />

auch im negativen Sinne zugeschrieben wurden, bezogen sein. Vgl. Sigrid Oehler-Klein, Artikel<br />

„Rasse“, in: Heinz Thoma (Hrsg.), Handbuch der europäischen Aufklärung (erscheint 2012).<br />

11 Vgl. ebd.: In der im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert entwickelten taxonomischen Bedeutung sollten geographisch<br />

geordnete Menschengruppen nach physischen Merkmalen typologisiert werden. Vor allem<br />

im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert wurden in den physischen Anthropologien distinkte körperliche Merkmale, z.<br />

B. durch Schädelvermessungen, gesucht, die unausbleiblich erblich sein <strong>und</strong> eine Einteilung in separate<br />

Rassen begründen sollten. Die Einteilungen waren jedoch vielfältig <strong>und</strong> variierend; eine<br />

scharfe Separierung der Gruppen aufgr<strong>und</strong> eines jeweils gemeinsamen Herkunftskontextes <strong>und</strong><br />

körperlicher Unterscheidungsmerkmale gelang nicht. Wegen der Schwierigkeit, eindeutige Klassifizierungskriterien<br />

zur Separierung einheitlicher Gruppen entwickeln zu können, waren die typologischen<br />

Einteilungsversuche von Anfang an umstritten.<br />

12 Vgl. Wilhelm Schallmayer, Vererbung <strong>und</strong> Auslese in ihrer soziologischen <strong>und</strong> politischen Bedeutung.<br />

Preisgekrönte Studie über Volksentartung <strong>und</strong> Volkseugenik. 2. Auf. Jena 1910, 375, der<br />

wie folgt unterscheidet: „Rasse bezeichnet das eine Mal die Gesamtqualität der Erbanlagen irgendwelcher<br />

Personen, gewöhnlich im Sinn von Rassetüchtigkeit; das andere Mal ist Rasse die<br />

Bezeichnung für eine große Gruppe von Individuen, die infolge gemeinsamer Abstammung gewisse<br />

ererbte Merkmale mit einander gemein haben <strong>und</strong> sich dadurch von anderen Verwandtschaftsgruppen<br />

derselben Organismenart unterscheiden.“ Schallmayer wandte sich allerdings entschieden<br />

gegen eine Hierarchie der Rassen.

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