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Der Hygieniker und Ernährungswissenschaftler Werner Kollath

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122<br />

Gabriele Moser<br />

nach den durchgeführten politischen <strong>und</strong> „rassischen“ Säuberungen der Hochschulen<br />

<strong>und</strong> Forschungsinstitute auch von einer politisch relativ homogenen medizinischen<br />

Wissenschaftlergemeinschaft ausgehen. Laute politische Bekenntnisse zur<br />

herrschenden Politik waren dort nicht zu erwarten, wo eine abweichende Meinung<br />

kaum vorhanden war, denn die Medizinberufe hatten insgesamt eine höhere Affinität<br />

gegenüber der NSDAP (<strong>und</strong> der SS) aufgewiesen als andere akademische Berufe.<br />

26<br />

Die sachliche Form des Wissenschafts-, Forschungs- <strong>und</strong> medizinischen Ausbildungsbetriebes<br />

war oftmals mit ideologisch aufgeladenen, rassistischen Elementen<br />

amalgamiert, die sich nur über eine Kontextualisierung erschließen. Während dieser<br />

Sachverhalt zum Beispiel in den Kursprogrammen der „Führerschule der deutschen<br />

Ärzteschaft“ im mecklenburgischen Alt Rehse gewollt <strong>und</strong> klar zu Tage tritt, zeichnete<br />

sich die Verschränkung von Wissenschaftlichkeit <strong>und</strong> NS-Ideologie in der großen,<br />

internationalen Fortbildungsveranstaltung „Ein Querschnitt durch die neueste<br />

Medizin (dargestellt von ihren Schöpfern)“ eher im Hintergr<strong>und</strong> ab. Am 27. November<br />

1939, also schon nach Kriegsbeginn, wurde in Berlin diese internationale<br />

ärztliche Fortbildungstagung eröffnet, die ein umfangreiches Themenspektrum auf<br />

der Höhe des damaligen medizinischen Forschungsstandes abhandeln sollte. Trotz<br />

des beginnenden Krieges hatten sich über 500 Hörer für die Veranstaltung eingeschrieben,<br />

darunter auch 70 ausländische Mediziner. Während das wissenschaftliche<br />

Programm nicht mit offen politisch gefärbten Themen aufwartete, ist im Begleitprogramm<br />

der Konferenz, die r<strong>und</strong> drei Monate nach dem Überfall der deutschen<br />

Wehrmacht auf die Republik Polen statt fand, die Besichtigung eines „polnischen<br />

Gefangenenlagers“ 27 vorgesehen. Da während des Zweiten Weltkrieges einige solcher<br />

Lager im Berliner Stadtgebiet existierten, waren diese Einrichtungen für die<br />

medizinischen Tagungstouristen leicht erreichbar. Das Organisationskomitee hielt<br />

den Besuch eines Gefangenenlagers für so „normal“ <strong>und</strong> alltäglich, dass seine Mitglieder<br />

weder mit einer negativen Reaktion der deutschen noch der ausländischen<br />

Exkursionsteilnehmer rechneten.<br />

Veränderte Strukturen: Reichsforschungsrat, DFG <strong>und</strong> Wissenschaftler<br />

Mit der Einrichtung des Reichsforschungsrates im März 1937 änderte sich die Stellung<br />

der DFG im Gefüge der staatlichen Forschungsförderung. Von einer entscheidenden,<br />

das heißt hier: Projektanträge auswählenden Institution, wurde sie, so eine<br />

Formulierung des DFG-Referenten für Medizin, zum „Verteilungsapparat“ auch für<br />

26 Wie Michael H. Kater berechnete, waren 44,8 Prozent der zwischen 1936 <strong>und</strong> 1945 bei der<br />

Reichsärztekammer registrierten Ärzte Mitglieder der NSDAP (Michael H. Kater, Ärzte als Hitlers<br />

Helfer (engl. Erstausgabe 1989). Hamburg/Wien 2000, 107. Siehe auch das gesamte Kapitel 2:<br />

„Die Herausforderung durch die NS-Bewegung (103-156)“, sowie das Tabellenmaterial im Anhang<br />

(391-411).<br />

27 Curt Adam (Hrsg.), Ein Querschnitt durch die neueste Medizin (dargestellt von ihren Schöpfern).<br />

Jena 1940. Ein Foto vom Ausflug der ausländischen Dozenten <strong>und</strong> Hörer des Kurses zur<br />

Besichtigung eines polnischen Gefangenenlagers in der Nähe Berlins findet sich nach Seite 304.

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