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Der Hygieniker und Ernährungswissenschaftler Werner Kollath

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154<br />

Dieter Hoffmann<br />

rophalen Zeitumstände hat Jordan in Berlin nur noch eingeschränkt wirken können<br />

– von seinen wenigen Vorlesungen ist zudem Widersprüchliches bekannt. So berichtet<br />

<strong>Werner</strong> Luck (1924-2005), dass diese wegen Jordans Vorliebe für komplizierte<br />

mathematische Gleichungen <strong>und</strong> deren ausführlicher Erörterung „für die Hörer<br />

unerfreulich waren“ <strong>und</strong> es – etwa im Gegensatz zu Heisenberg 90 – zu ihm<br />

„auch keine persönlichen Kontakte“ gab. 91<br />

Im Übrigen hatte nicht erst die Berliner Berufung deutlich gemacht, dass Jordans<br />

akademischer Stern wieder im Aufsteigen begriffen war. Bereits Anfang der<br />

vierziger Jahre war der Einfluss der Deutschen Physik <strong>und</strong> ihrer Ideologen immer<br />

stärker marginalisiert <strong>und</strong> die moderne Physik sukzessive rehabilitiert worden, so<br />

dass die Angriffe auf Jordan <strong>und</strong> die anderen Vertreter der modernen Physik zurückgingen<br />

bzw. kein öffentliches Forum mehr fanden. Mit politisierenden Physikern<br />

à la Johannes Stark oder Fritz Kubach ließ sich zwar sehr gut eine nationalsozialistische<br />

Revolution durchführen, für den autarken Wehrstaat <strong>und</strong> zur Entwicklung<br />

von moderner Technologie <strong>und</strong> innovativen Waffensystemen waren indes Physiker<br />

vom Typ eines Pascual Jordan stärker gefragt. Die ideologisch motivierte<br />

Nichtachtung <strong>und</strong> Diskriminierung der modernen theoretischen Physik nahm so im<br />

Zeichen von forcierter Aufrüstung <strong>und</strong> Kriegspolitik kontinuierlich ab <strong>und</strong> deren<br />

Protagonisten konnten sich wieder eines zunehmenden Einflusses <strong>und</strong> wachsender<br />

Akzeptanz bei den politisch Mächtigen erfreuen. Symptomatisch für diesen Wandel<br />

war die Wiederaufnahme der Verleihung der Planck-Medaille durch die Physikalische<br />

Gesellschaft, wobei es keineswegs zufällig war, dass 1943 – nach fünfjähriger<br />

Zwangspause – diese höchste deutschen Physik-Auszeichnung an Pascual Jordan<br />

ging, einen Pionier der modernen Physik <strong>und</strong> dezidierten Anhänger des Nationalsozialismus.<br />

92<br />

Jordans Auszeichnung <strong>und</strong> die Berufung nach Berlin markierten so den Endpunkt<br />

einer Entwicklung <strong>und</strong> zeigten, dass die weltanschaulichen Angriffe auf die<br />

Person Jordan endgültig zu den Akten gelegt waren.<br />

Das Kriegsende erlebte Jordan in Göttingen, wohin das Forschungsinstitut der<br />

Marine in den letzten Kriegswochen evakuiert worden war; dort fand auch das Wiedersehen<br />

mit der Familie statt, für die die Stadt in den nächsten Jahren zum festen<br />

Wohnsitz wurde. Jordan selbst war klar, dass mit dem Untergang des Dritten Reiches<br />

auch seine akademische Karriere zur Disposition stand, denn trotz aller Konflikte<br />

hatte er sich in diesen „Tausend Jahren“ doch allzu sehr mit der politischen<br />

Macht eingelassen <strong>und</strong> die Ziele des Nationalsozialismus propagiert. Dieses Engagement<br />

galt es nun umzudeuten <strong>und</strong> gewissermaßen eine neue Biografie für die nationalsozialistische<br />

Vergangenheit zu erfinden. Jordan hat sich dieser Aufgabe sehr<br />

90<br />

<strong>Werner</strong> Luck, Heisenberg als Lehrer in schwieriger Zeit. Physikalische Blätter 38 (1982), 130-<br />

131.<br />

91<br />

<strong>Werner</strong> Luck, Erich Schumann <strong>und</strong> die Studentenkompanie des HWA, in: Dresdener Beiträge<br />

zur Geschichte der Technikwissenschaften Nr. 27/2001, 5.<br />

92<br />

Vgl. Richard Beyler/Michael Eckert/Dieter Hoffmann, Die Planck-Medaille, in: Dieter Hoffmann/Mark<br />

Walker (Hrsg.), Physiker zwischen Autonomie <strong>und</strong> Anpassung. Weinheim 2006,<br />

217ff.

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